Teure Reparaturen Wie die Hersteller mit Ersatzteilen Kasse machen

Die Razzien chinesischer Kartellbehörden bei westlichen Autokonzernen lenken den Blick auf überhöhte Preise für Kotflügel und Außenspiegel. Ein Ärgernis auch für deutsche Käufer.

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Diese Autos müssen am häufigsten in die Werkstatt
Wie oft ein Wagen in die Werkstatt muss, hängt auch von der Marke ab. Bei Premium-Modellen ist die Wartung nicht automatisch teurer, denn die verbauten Teile halten oft auch länger: Teure Teile wie Zündkerzen müssen dann laut ADAC zum Beispiel erst nach 60.000 oder 90.000 Kilometern ausgetauscht werden. Wer zudem ein flexibles Wartungssystem an Bord hat, hat den Vorteil, dass Sensoren wichtige Elemente der Motors überwachen und den idealen Zeitpunkt für die Inspektion individuell bestimmen. Dabei spielt auch das Fahrverhalten eine Rolle: Vollgas-Orgien und Fahren mit hoher Drehzahl verringern die Zeiträume der Inspektionen. Ohne flexibles Wartungssystem liegt die Vorgabe der Hersteller meist bei einem Jahr oder 20.000 Kilometern, je nachdem, was zuerst eintritt. Die Kosten für Wartungen und Service-Checks variieren stark. Als Faustregel gilt: Je größer der Motor, desto höher die Wartungskosten. Die Wartungsintervalle der wichtigsten Modelle von Kleinwagen-, Kompakt- und Mittelklasse im Überblick:Quelle: Focus Quelle: dpa Picture-Alliance
Kategorie KleinwagenAlfa Romeo MiToFür den Benziner liegt das Inspektionsintervall bei 30.000 Kilometern beziehungsweise zwei Jahren, je nachdem welches Ereignis zuerst eintritt. Ähnlich ist es beim Diesel, hier liegt lediglich die Kilometergrenze mit 35.000 Kilometern etwas höher. Quelle: Presse
Audi A1Hier ist das Ölwechsel-Intervall in Deutschland für alle Modelle und Motoren flexibel. Je nach Fahrweise liegt es zwischen 15.000 Kilometern und einem Jahr bis zu 30.000 Kilometern oder zwei Jahren. Das Inspektionsintervall liegt fest bei 30.000 Kilometern oder zwei Jahren, je nachdem was zuerst eintritt. Quelle: Presse
Citroёn C3Für die Varianten PureTech VTi 68 und e-HDi 90 liegt das Inspektionsintervall bei einem Jahr oder 25.000 Kilometern. Quelle: PR
Fiat Panda und Fiat 500Für diese beiden Modelle gilt das gleich wir für den Alfa Romeo MiTo: Für den Benziner wird die Wartung alle 30.000 Kilometer oder zwei Jahre fällig, beim Diesel liegt der Spielraum 5000 Kilometer höher. Quelle: Presse
Ford FiestaDeutlich häufiger in die Werkstatt muss der Fiesta. Schon alle 20.000 Kilometer oder zwölf Monate muss er in die Inspektion, je nachdem welches Ereignis zuerst eintritt. Quelle: Presse
Hyundai i10Noch etwas mehr schlägt der i10 zu Buche, der Benziner ab 2014 will schon nach 15.000 Kilometern beziehungsweise einem Jahr in die Werkstatt, danach erhöht sich das Intervall leicht auf 20.000 Kilometer oder ein Jahr. Der Diesel muss stets nach 20.000 Kilometern oder einem Jahr in Inspektion, je nachdem welches Ereignis zuerst eintritt. Quelle: PR

Umgerechnet rund 50.000 Euro kostet eine Mercedes C-Klasse mit guter Ausstattung im Reich der Mitte. Würde ein Chinese dasselbe Auto ausschließlich aus Ersatzteilen einer von Daimler autorisierten Werkstatt zusammenbauen, müsste er rund zwölf Mal so viel hinlegen – satte 600.000 Euro.

Mit solchen Rechenbeispielen, verbreitet von der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, gehen derzeit die Kartellbehörden der Volksrepublik gegen Autohersteller aus aller Welt vor. Ersatzteile, die zwölfmal so teuer sind wie eingebaute Komponenten, wie kann das sein? Schließlich kommen die Teile vom gleichen Zulieferer und gleichen sich wie ein Ei dem anderen.

Preis-Beispiele für ausgewählte Ersatzteile

Ein kleiner, aber entscheidender Unterschied macht’s: Als Daimler-Originalersatzteil deklariert und verkauft, ist die Komponente um ein Vielfaches teurer als bei der Erstausstattung. Den Preis für das Originalersatzteil legt der Autohersteller fest – und streicht die teilweise gigantische Differenz selber ein.

Bisher kamen die Autohersteller damit durch, und das nicht nur in China. Doch zum 1. Oktober läuft dort ein Gesetz aus dem Jahr 2005 aus, nach dem Autoersatzteile nur von Händlern verkauft werden dürfen, die vom Hersteller autorisiert sind. Prompt tauchten Anfang August Beamte der Kartellbehörden bei Daimler in Shanghai auf, durchsuchten Büroräume und befragten Mitarbeiter. Kurze Zeit später traf es die VW-Tochter Audi, den amerikanischen Autokonzern Chrysler und den britischen Hersteller Jaguar sowie deren chinesische Joint-Venture-Partner. Der Vorwurf: Die Hersteller sollen jahrelang zu teure Ersatzteile an die Verbraucher verkauft haben und damit gegen das Anti-Monopol-Gesetz aus dem Jahr 2008 verstoßen haben.

Diese Autos kaufen Chinesen am liebsten
Platz 10: VW PassatEin Passat „nur“ auf dem zehnten Platz in der Zulassungsstatistik – in Deutschland undenkbar. Dennoch kann sich der Erfolg der NMS-Version des Passats (New Midsize Sedan), die in den USA und China verkauft wird, sehen lassen: Im ersten Halbjahr kam der Passat in China auf  135.954 Neuzulassungen. Zum Vergleich: In Deutschland kam der Passat, trotz oder wegen des anstehenden Modellwechsels ,in der Statistik von Januar bis Juni hinter dem Golf auf den zweiten Platz – allerdings reichen dafür hierzulande gerade einmal 35.533 Neuzulassungen. Quelle: Presse
Platz 9: Great Wall Haval H6Great Wall Motors gehört zu den größten SUV-Herstellern Chinas. Sein Bestseller ist der Haval H6, teilweise auch Hover H6 genannt. Das Kompakt-SUV ist mit 4,64 Metern etwa so groß wie ein Audi Q5. Mit  143.119 Zulassungen ist der H6 das beliebteste SUV Chinas im ersten Halbjahr 2014. Quelle: Presse
Platz 8: Nissan SylphyAb jetzt folgen nur noch die in China gefragteste Karosserieform – viertürige Stufenheck-Limousinen in allen erdenklichen Größen. Den Anfang macht auf dem achten Rang der Nissan Sylphy, der als Kompakt-Limousine für chinesische Verhältnisse geradezu klein ist. Mit 4,61 Metern ist er in etwa so lang wie hierzulande ein Golf Kombi. Im ersten Halbjahr konnte Nissan 145.214 Sylphys verkaufen. Quelle: Presse
Platz 7: Buick Excelle XTIhnen kommt der Buick Excelle XT irgendwie bekannt vor? Kein Wunder, schließlich ist es ein Opel Astra. Lediglich die Logos außen und innen wurden getauscht, ebenso der verchromte Kühlergrill – Badge-Engineering vom Feinsten. Mit dieser wohl einfachsten Art der „Modellentwicklung“ bringt es die GM-Tochter immerhin auf 147.404 Neuzulassungen. Quelle: Presse
Platz 6: VW JettaJetzt wird es etwas kompliziert: 152.621 Neuzulassungen in China gab es für den VW Jetta. Unter diesem Namen wurde auch in Deutschland jahrelang die viertürige Limousine auf Basis des Golf verkauft. Auf den aktuellen Jetta trifft das nur noch in Teilen zu. Um den Ansprüchen der amerikanischen und chinesischen Kunden zu entsprechen, übernimmt der Jetta von der Plattform des Golf VI zwar zahlreiche Teile, ist aber deutlich länger. Der Jetta wird in China allerdings auch noch unter anderen Modellbezeichnungen verkauft. Quelle: Presse
Platz 5: VW SagitarEin Beispiel dafür ist der VW Sagitar. Er entspricht zwar technisch und weitestgehend auch optisch dem Schwestermodell Jetta, wird aber nicht von VW selbst, sondern von dem Joint Venture FAW-VW zusammen mit First Automotive Works - gebaut. Und dieses formell eigenständige Unternehmen nennt seinen Jetta eben anders. Am Verkaufserfolg ändert sich wenig, der Sagitar kam im ersten Halbjahr auf 155.393 Neuzulassungen. Quelle: Presse
Platz 4: VW SantanaDer seit 2013 gebaute Santana ist eine Eigenentwicklung von Shanghai Volkswagen, speziell für den chinesischen Markt. Damit ist der Santana eines der wenigen VW-Modelle in China, das nicht auf einem bestehenden Fahrzeug basiert. Mit einer Länge von 4,47 Metern gehört der Santana zu den kleineren Limousinen. Er brachte es im ersten Halbjahr auf 161.957 Neuzulassungen. Shanghai Volkswagen ist übrigens ein weiteres VW-Joint Venture aus der Shanghai Automotive Industry Corporation und eben Volkswagen. Quelle: Presse

Mit ihren Razzien bei den Westkonzernen zerren die Behörden in China Geschäftspraktiken ans Licht der Öffentlichkeit, die sich nicht auf den weltgrößten Automarkt beschränken, sondern über weite Strecken auch in Deutschland ebenso verbraucherfeindliche wie gängige Praxis sind. Denn auch hier haben die Fahrzeughersteller den Markt für Ersatzteile fest im Griff: Sie bestimmen die Preise, und sie legen fest, wer solche Teile herstellen darf.

Vorherrschaft der Hersteller

Die Folge: Wer sich eine Beule ins Auto fährt und einen neuen Kotflügel braucht, wird bei Reparaturen unverhältnismäßig teurer zur Kasse gebeten, als wenn er das Blechteil außerhalb von Vertragswerkstätten kaufen würde. Vorstöße der EU-Kommission in Brüssel, den Autoersatzteilmarkt zu liberalisieren, scheiterten bisher an der Lobby der großen Autokonzerne.

US-Behörde untersucht Dodge wegen Wegrollgefahr
Behörde untersucht weitere Fiat-Chrysler-Wagen Quelle: AP
BMW ruft Autos zurück Quelle: dpa
Toyota - Millionen fehlerhafter AirbagsToyota ruft weltweit weitere 5,8 Millionen Fahrzeuge wegen möglicher Probleme mit Airbags des Zulieferers Takata zurück. In Europa müssten 1,47 Millionen Autos zurück in die Werkstätten, teilte der japanische Konzern am Mittwoch mit. Allein in Deutschland seien knapp 118.000 Fahrzeuge betroffen. Dabei geht es unter anderem um die Modelle Corolla und Yaris, vorwiegend älterer Baujahre, sagte ein Sprecher. In Japan sollen die Besitzer von rund 1,15 Millionen Fahrzeugen in Werkstätten vorstellig werden. Weltweit haben Autohersteller bereits mehr als 100 Millionen Autos zurückgerufen, um die fehlerhaften Airbags auszutauschen. Quelle: dpa
VW und Audi rufen wegen Feuergefahr 281.000 Autos in USA zurück Volkswagen ruft 281.500 Fahrzeuge in den USA wegen möglicher Brandgefahr zurück. Es geht Fahrzeuge der Marken VW und Audi, wie aus einer Mitteilung des Unternehmens an die Börsenaufsicht vom 7. Oktober hervorgeht. Bei den Fahrzeugen könne in Folge von Lecks Benzin austreten und Feuer ausbrechen. Allerdings seien entsprechende Vorfälle noch nicht berichtet worden. Auch habe es keine Verletzten gegeben. Quelle: dpa
Fiat Chrysler ruft fast zwei Millionen Fahrzeuge zurück Quelle: dpa
General Motors ruft über 4 Millionen Fahrzeuge zurückGeneral Motors ruft wegen eines Defekts an der Airbag-Software weltweit mehr als vier Millionen Fahrzeuge zurück. In seltenen Fällen könne der Bordcomputer in den Testmodus umschalten, erklärte der US-Autobauer am Freitag in Detroit. Die vorderen Airbags würden dann im Fall eines Unfalls nicht auslösen. Auch die Sitzgurte funktionierten möglicherweise nicht. Der Fehler werde mit mindestens einem Todesfall und drei Verletzten in Verbindung gebracht. GM werde die betroffenen Kunden informieren und die Software kostenfrei aktualisieren, teilte das Unternehmen mit. Der Rückruf der 4,28 Millionen betrifft unter anderem bestimmte Modelle von Buick, Chevrolet und Cadillac der Modelljahre 2014-2017, allein 3,6 Millionen davon in den USA. Quelle: dpa
Mazda ruft 2,2 Millionen Fahrzeuge zurück Mazda ruft wegen Problemen mit der Heckklappe weltweit 2,2 Millionen Fahrzeuge zurück. Die Rostschutzlackierung der Heckklappenaufhängung sei nicht ausreichend, erklärte der japanische Autohersteller am Donnerstag. Im Laufe der Zeit könne daher mit Streusalz vermischtes Wasser dazu führen, dass die Aufhängung bricht und die Heckklappe abfällt. Berichte über Unfälle oder Verletzte lägen jedoch nicht vor. Der Rückruf betrifft bestimmte Modelle des Kompaktwagens Mazda 3 der Jahrgänge 2010 bis 2013 sowie Vans des Typs Mazda 5 von 2012 bis 2015. Ebenfalls betroffen sind bestimmte Modelle des CX-5 von 2013 bis 2016 und des SUVs CX-3 von 2016. Händler tauschten beide Aufhängungen aus, erklärte Mazda. Kunden erhielten noch im September oder im Oktober nähere Informationen. Quelle: dapd

„Es ist höchste Zeit, dass die Ersatzteilvorherrschaft der Hersteller gekippt wird“, so die Verbraucherzentrale Bundesverband. „Eine Liberalisierung ist juristisch die einzig sinnvolle Lösung“, meint auch Josef Drexl, Professor am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb an der Universität München.

Ursache für die übermächtige Stellung der Autohersteller im Geschäft mit Ersatzteilen auch in Deutschland ist eine Lücke im sogenannten Geschmacksmusterrecht. Das soll den Schutz von Design vor Nachahmern gewährleisten, geistiges Eigentum schützen und verhindern, dass Verbrauchern technisch minderwertige Plagiate untergejubelt werden. Doch was vom Gesetzgeber als Schutz für Verbraucher gedacht war, nutzen die Hersteller, um mit den von außen sichtbaren Teilen kräftig Kasse zu machen.

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