Ausruhen können sich die deutschen Autokonzerne auf ihren starken Marken allerdings nicht. Hoch profitable Massenhersteller wie Hyundai laufen sich längst für den Einstieg in das Premiumsegment warm, die in den USA erfolgreichen Luxusableger von Nissan (Infiniti) und Toyota (Lexus) greifen Mercedes & Co. bereits direkt an. Zudem wird es für die vergleichsweise kleinen Anbieter BMW und Daimler immer schwieriger, im Wettlauf um Mengenvorteile bei Einkauf und Produktion gegen Megakonzerne wie VW, Toyota oder Hyundai zu bestehen. Denn nur mit einer immer größeren Modellvielfalt können die Autobauer die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kunden in aller Welt bedienen – für kleine Hersteller mit begrenzten Ressourcen ist das ein Kraftakt.
Wollen die deutschen Edelmarken weiter mithalten und dabei auch noch zweistellige Umsatzrenditen erwirtschaften, müssen sie sparen, wo immer es geht. Das Risiko ist nur: Wer zu viel spart, verspielt schnell sein Markenimage.
Am leichtesten fällt das Spiel Audi. Die Ingolstädter haben den großen VW-Konzern im Rücken, der sie mit vergleichsweise günstigen Teilen versorgt. Allerdings wächst darüber die Gefahr, dass die Kunden VW-Technik unter dem Audi-Blech erkennen und zum kostengünstigeren Original wechseln. Autoexperte Dudenhöffer: „Audi A1, VW Polo und Skoda Fabia haben eine unterschiedliche Optik, bauen aber auf der gleichen Technik auf. Als Differenzierungsmerkmale bleiben allein Design, Fahreigenschaften und die Narbung des Armaturenbretts.“
Sparen, was das Zeug hält
Trotzdem sucht auch BMW in der Gleichteilestrategie sein Heil: Je größer die Stückzahlen zugekaufter Komponenten, umso niedriger deren Preise. So werden der Mini und der 1er-BMW künftig eine Plattform teilen. Die Folge: Als erster BMW überhaupt bekommt der 1er ab 2014 Frontantrieb – ein Alleinstellungsmerkmal geht dadurch verloren. In Internet-Foren spucken BMW-Fans bereits Gift und Galle.
Und dabei bleibt es nicht. Sogar Grenzen zwischen der Mittel- und Oberklasse sollen fallen: „Es wird sich auch die 3er-Serie Komponenten mit Fahrzeugen der 5er- und 7er-Reihe teilen“, kündigt Markus Braunsperger, Leiter Technische Integration bei BMW, an: „In Einzelfällen ist auch denkbar, dass Technik über das gesamte Produktportfolio hinweg eingesetzt wird.“
So will VW seine Töchter im neuen System auf Linie bringen
Beispiel: Kilmaanlagen
Bisher: 102 Varianten in 20 Modellen
Neu: 28 Varianten
- einfachere Entwicklung von Fahrzeugen
- verbesserte Qualitätskontrolle der verwendeten Teile
- günstigere Einkaufspreise durch höhere Stückzahlen
Beispiel: Fixierung des Motors
Bisher: 309 Positionen
Neu: 36 Positionen
- einfachere Entwicklung
- schneller Montage
- Verwendung gleicher Montagemaschinen
- niedrigere Kosten für Montagemaschinen
- niedrigere Kosten auch für Modelle mit geringen Stückzahlen
Beispiel: Herstellung von Golf und Audi A3 in China
Bisher: Eine VW-Fabrik baut zwei Golf-Modelle, eine Audi-Fabrik zwei A3-Modelle
Neu: Im chinesischen Werk Foshan baut eine einzige Fabrik je zwei Golf- und A3-Modelle
- Autos aller Marken werden in mehreren Werken gebaut
- Schnellere Reaktion auf Nachfrageschwankungen
- bessere Auslastung von Werken
Beispiel: Lackierer-Werkstätten
Bisher: 90 Fabriken mit 90 individuellen Lackiermethoden
Neu: 90 Fabriken mit gleicher Lackiermethode und gleichen Lernwerkstätten
- gleich hohe Qualifikation der Arbeiter
- geringere Fehlerzahl
- schnellere Produktion
Auf diese Weise spart Volkswagen 1500 Euro pro Auto und verdoppelt damit seinen Gewinn.
Die Strategie ist ein Spiel mit dem Feuer. Erkennt der Käufer eines 80 000 Euro teuren BMW 7er, dass sein teuer bezahltes Schiebedach auch im 40 000 Euro billigeren 3er steckt, könnte das sorgsam gepflegte BMW-Markenimage Schaden nehmen: Die Strategie mit den gleichen Teilen „hat Grenzen“, räumt Braunsperger ein. BMW-Kunden erwarteten, „dass sich die Fahrzeugklassen technisch differenzieren. Eine simple technische Gleichschaltung würden sie nicht akzeptieren.“
Ein unbarmherziges Fazit
Wie riskant rigide Sparmaßnahmen sein können, musste Daimler erfahren. Als Folge der später missglückten Fusion mit dem US-Hersteller Chrysler opferte Daimler Anfang des Jahrhunderts zahlreiche Qualitätsmaßstäbe – und leidet bis heute darunter, wie die „Auto Bild“-Ausgabe vom 19. Oktober 2012 dokumentiert. „Fragen Sie mal Mercedes-Fahrer zum Thema Rost“, empört sich ein Kommentator. „Bei denen wütet die braune Pest viel zu oft an Türkanten und Kofferraumklappen.“ Und beim Vergleichstest von Kompaktwagen der Marken Mercedes, Audi, BMW und VW siegt in der gleichen Ausgabe der neue VW Golf 7.
Die neue Mercedes A-Klasse, mit der Daimler in puncto Qualität und Wertigkeit ein neues Kapitel aufschlagen wollte, landete auf dem letzten Platz. „Es fehlt am Feinschliff“, so das unbarmherzige Fazit der Tester – ein vernichtendes Urteil für eine Marke, die sich 2010 den Slogan „Das Beste oder nichts“ verpasste.