Teure Sonderausstattungen Premium-Masche - Wie BMW und Co. Milliarden scheffeln

Unberührt von Euro-Krise und Rabattschlachten, erzielen Audi, BMW und Mercedes immer neue Absatzrekorde. Nicht nur das: An jedem Auto verdienen sie auch noch viermal so viel wie die Massenhersteller, obwohl deren Produkte technisch meist kaum schlechter sind. Aber wie lange geht die Gratwanderung noch gut?

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Worauf sich Autofans 2013 freuen dürfen
Porsche Cayman und Cayman SDer Flitzer ist laut Porsche flacher, leichter, schneller, effizienter und stärker als seine Vorgänger. Je nach Modell und Ausstattung ist der neue Cayman bis zu 30 Kilogramm leichter und verbraucht bis zu 15 Prozent weniger Kraftstoff auf 100 Kilometer als der jeweilige Vorgänger - trotz höherer Motor- und Fahrleistungen. Die neue Generation des zweisitzigen Mittelmotor-Sportwagens debütiert in den zwei klassischen Porsche-Varianten Cayman und Cayman S. Der Cayman wird von einem 2,7-Liter-Motor mit 275 PS angetrieben, beschleunigt in optimaler Ausstattung in 5,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und verbraucht mit Porsche-Doppelkupplungsgetriebe rund 7,7 Liter auf 100 Kilometer. Der 3,4-Liter- Motor des Cayman S leistet 325 PS und schafft den 0-100 km/h-Spurt in 4,7 Sekunden. Seine Höchstgeschwindigkeit erreicht er bei 283 Stundenkilometern, der Verbrauch liegt je nach Getriebe zwischen 8,0 und 8,8 Litern auf 100 Kilometer. Quelle: Porsche
Opel CascadaOpel will mehr Eleganz und Glamour in die Mittelklasse bringen und mit dem Cascada dem Audi A5, dem Mercedes E-Klasse Cabrio und dem BMW 3er Konkurrenz machen. Der 4,70 Meter lange und 1,84 Meter breite Freiluft-Flitzer - die selben Maße hat das E-Klasse Cabrio - ist auf der Astra-Plattform konzipiert. Der Viersitzer ist mit einem klassischen Stoffverdeck ausgerüstet. Binnen 17 Sekunden wird der 1,4-Liter-Turbo-Benziner mit wahlweise 120 oder 140 PS zum Oben-Ohne-Modell. Per Knopfdruck oder serienmäßiger Fernbedienung verschwindet das Verdeck bei bis zu einem Tempo von 50 km/h im Kofferraum. Der fasst ohne Verdeck 350 Liter, mit sind es nur noch 280 Liter. Opel will den Open-Air-Schlitten zu einem "sehr attraktiven Preis" anbieten, Details wurden noch nicht bekannt.
Mercedes E-KlasseMercedes-Benz hat alle Baureihen der E-Klasse so umfangreich überarbeitet wie nie zuvor - jetzt trumpft die neue E-Klasse mit optimierten Motoren, Assistenzsystem und frischem Design auf. Komplett neu gestaltet ist die Front mit neuen Scheinwerfern, die alle Funktionselemente von einem einzigen Scheinwerferglas überdecken. Das alten "Vier-Augen-Gesicht" bleibt nur noch angedeutet. Die E-Klasse ist erstmals - wie bereits die kleine Schwester C-Klasse - in zwei Ausführungen zu haben - Elegance und Avantgarde. Erstere hat den klassischen, dreidimensionalen Limousinengrill in 3‑Lamellenoptik mit Stern auf der Motorhaube, letzteres trägt dagegen den Sportwagenkühler mit Zentralstern und so "ein sportlich betontes Gesicht" erhalten. Die neue E-Klasse hat zahlreiche neue elektronische Helfer an Bord. So etwa Radarsensoren, die Kollisionen vorzeitig erkennen sollen, Systeme, die Müdigkeit beim Fahrer feststellen können, Bremsassistenten, Spurhalte- und Einparkassistenten und noch ein halbes Dutzend mehr. Quelle: Mercedes
Corvette C7 Pünktlich zum 60. Geburtstag der Marke präsentiert Chevrolet auf der Detroit Motor Show Ende Januar seine Corvette 7. Die Amerikaner machen ein großes Geheimnis aus dem neuen Muscle-Car, das zum Jahresende in Produktion gehen soll. Einige technische Daten sind bereits bekannt. So soll die C7 erstmals Spritspartechniken wie ein Start-Stopp-System und eine Direkteinspritzung an Bord haben. Im Vergleich zu den Vorgängern C2 und C3 ist sie deutlich leichter und am Heck schmaler. Den Kraftprotz treibt eine 6,2-Liter-V8-Maschine mit 455 PS Leistung an. Die 100 km/h erreicht die C7 binnen vier Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 300 km/h. Quelle: Presse
Jaguar F-Type Der Zweisitzer ist zwischen Porsche Cayman/Boster und Porsche 911 positioniert. Die Karosserie des 4,47 Meter langen, 1,92 Meter breiten und 1,30 Meter hohen Sportwagens besteht komplett aus Aluminium. Das macht den F-Type in der Basisversion gerade einmal 1.600 Kilogramm schwer. Neben dem per Kompressor beatmeten 5.0 Liter V8 mit 364 kW (495 PS) stehen zwei ebenfalls aufgeladene 3.0 Liter V6 mit 250 kW (340 PS) und 279 kW (380 PS) zur Wahl.  Das neben dem Jaguar Intelligent Stop/Start-System serienmäßige Achtstufen-Quickshift-Automatikgetriebe erlaubt eine manuelle Bedienung über einen zentralen Wählhebel oder über Lenkrad-Schaltwippen. Ein "aktives" Auspuffsystem mit Klappensteuerung für die S-Modelle liefert authentischen Rennsportsound, das adaptive und stufenlos regelnde Dämpfersystem Adaptive Dynamics sorgt für souveränes Handling unter allen Bedingungen. Die Preise reichen von 73.400 Euro für den Einstiegs-V6 bis zu 99.900 Euro für den Jaguar F-TYPE V8 S. Quelle: Jaguar Land Rover
Mercedes SLS AMG GT und Black SeriesViele PS und Rennsport-Technik der Spitzenklasse bringt der SLS AMG Black Series aus dem Hause Mercedes Benz mit. Von 0 auf 100 beschleunigt der Sportwagen in 3,6 Sekunden. Der Flügeltürer schaltet mittels eines nun tiefer montierten Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes noch schneller. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 315 km/h. Der extra-sportliche Flitzer der Mercedes-Tuning-Tochter AMG bringt es mit dem Serientriebwerk mit 6,2-Liter-V8 und 420 kW/ 571 PS auf beachtliche 464 kW/631 PS. Möglich ist das durch ein verändertes Motormanagement, neue Ansaugluftführung, geänderten Ventiltrieb und einer erhöhten Drehzahl. Der Flügeltürer mit einem Leergewicht von 1475 kg soll im Juni beim Händler stehen. Quelle: dapd
VW e-UpDer Elektroflitzer von Volkswagen tritt zur Jahresmitte gegen bereits etablierte Akku-Flitzer wie den Mitsubishi i-Miev, den Nissan Leaf oder den Smart ed an. Der Fünftürer soll außerdem einer batteriebetriebenen Variante des Golf VII den Boden bereiten. Eine Akkuladung reicht laut VW unter optimalen Bedingungen für rund 150 Kilometer. Dafür sorgt ein Lithium-Ionen-Akku mit 19 kWh. Der Motor bringt immerhin  60 kW/82 PS und vor allem 210 Newtonmeter Drehmoment. Bis Tempo 100 braucht er allerdings fast 14 Sekunden. Mit Rücksicht auf die Reichweite hat VW das Spitzentempo auf 130 km/h limitiert. Was der Kleine kosten soll, ist offiziell noch nicht bekannt. Verschiedene Quellen berichten von 22.000 bis 24.000 Euro. Quelle: dpa

Das Weihnachtsgeschäft ist vorbei, jetzt muss der Konsum mit Lockangeboten auf möglichst hohem Niveau gehalten werden. Vielleicht so? Weil der 499 Euro teure Tablet-PC iPad von Apple wie geschnitten Brot läuft, wird er nur noch im Paket mit anderen Produkten und Leistungen des gleichen Herstellers verkauft: dem Schreibtischcomputer iMac, dem Kopfhörer Monster Inspiration und der Geräteversicherung AppleCare Protection Plan. Paketpreis: 2227 Euro.

Riskante Sparmanöver der Edelmarken

Die Geschichte ist frei erfunden, aber was bei Konsumgütern undenkbar ist, ist bei Deutschlands Autoherstellern der Normalfall: Produkte, die nur in kostspieligen Paketen angeboten werden. Wer etwa einen BMW 5er mit schlüsselloser Schließtechnik haben will, muss auch eine sogenannte Ambientebeleuchtung für den Innenraum erwerben. Die Mercedes A-Klasse gibt es nur dann mit Spurhalte- und Totwinkelassistent (892 Euro), wenn Navigationsgerät, CD-Radio und Lederlenkrad für zusätzliche 1482 Euro geordert werden. Abzocke sei das, schimpft das Fachblatt „Auto Motor und Sport“. Besonders verbreitet sei diese Unsitte bei den Premiummarken BMW, Mercedes und Audi.

Begehrliche Marken

So sehr die teuren Ausstattungspakete auch schmerzen mögen – Käufer von Premiumprodukten wissen, was sie tun, und brauchen in der Regel nicht auf den Eurocent zu achten. Dank Autotests, Tüv-Statistiken, ADAC-Analysen und Fahrzeugkonfiguratoren im Internet ist kaum ein Markt heute so transparent wie das Geschäft mit Neuwagen. Wer wollte, könnte leicht auf günstigere Produkte umschwenken.

Dass die deutschen Edelmarken dennoch alle Verkaufsrekorde brechen, ist das Ergebnis geschickten Marketings: Wie kaum eine andere Branche verstehen es die heimischen Autokonzerne, ihre Produkte so begehrlich zu machen, dass ihre Kunden fast alles akzeptieren – auch sündhaft teure Zusatzausstattungen von mitunter zweifelhaftem Mehrwert wie belederten Armauflagen oder beleuchteten Einstiegsleisten aus Edelstahl.

von Martin Seiwert, Reinhold Böhmer, Franz W. Rother

„50 bis 150 Prozent“ des Einkaufspreises könnten die Autobauer bei solchen Zusatzausstattungen als Gewinn verbuchen, sagt ein Insider. „Der Gewinn pro Fahrzeug kommt hauptsächlich aus diesen Sonderausstattungen.“ Deshalb gebe es heute beispielsweise kaum noch Fahrzeuge mit klassischen Autoradios im genormten Schacht. Die Audiosysteme sind inzwischen voll integriert und müssen deshalb teuer ab Werk geordert werden. Gut für die Autoindustrie, schlecht für Pfennigfuchser.

Doch wie stabil ist ein solches Geschäftsmodell, das darauf abzielt, dem Kunden möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen? Unter dem teuren Lack der Premiumautos finde sich immer häufiger eher durchschnittliche Massenware, beklagt nicht nur Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.

Alles Lüge?


Deutsche lieben VW und verschmähen Daihatsu
Land Rover (+66,5 Prozent)Ihr Marktanteil ist in Deutschland klein, aber sie verzeichneten hier zu Lande das größte Wachstum: Bei Neuwagen von Land Rover griffen die Deutschen 11.113 Mal zu. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) beziffert ihren Anteil an allen Neuzulassungen damit auf 0,4 Prozent. Das Zahl der Neuzulassungen wuchs damit 2012 um zwei Drittel – so viel, wie bei keiner anderen Marke. Die Briten profitieren von der Lust der Deutschen auf SUVs. Quelle: dapd
Porsche (+ 9,8 %)Porsche ist der Gewinner unter den deutschen Autobauern. 20.561 Neuwagen der Stuttgarter Luxusschmiede meldeten die Deutschen 2012 an. Mit 0,7 Prozent ist der Porsche-Anteil an den Neuzulassungen zwar gering, doch verzeichnet das Unternehmen laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) damit ein Plus von 9,8 Prozent. Die größte Nachfrage verzeichnete der Hersteller laut eigenen Angaben zwischen Januar und November 2012 in Asien: Dort lieferte er 46.432 Neuwagen aus, ein Wachstum von 22,8 Prozent. Quelle: dpa
Volkswagen (- 2 %)Er ist der Platzhirsch in Deutschland: VW kann bei den Neuzulassungen auch kein Rückgang von zwei Prozent etwas anhaben. 672.921 neue Volkswagen meldeten die Deutschen 2012 an, das entspricht ein Marktanteil von 21,8 Prozent. Quelle: dpa
BMW, Mini (- 4,4 Prozent)BMW und Mini haben zwar den zweithöchsten Marktanteil in Deutschland – dem Erstplatzierten VW sind sie jedoch alles andere als auf den Fersen. Mit 284.494 Neuzulassungen beträgt bei den beiden bayrischen Automarken der deutsche Marktanteil 9,2 Prozent. Damit stehen BMW und Mini 2012 auf der Seite der Verlierer: Das KBA zählte bei ihnen 4,4 Prozent weniger Neuzulassungen. In diesem Jahr will BMW mit dem neuen 4er und dem BMW i3 bei den Käufern punkten. Quelle: REUTERS
Mercedes-Benz (- 0,9 Prozent)Hauptkonkurrent Mercedes-Benz liegt nur wenige hundert Neuwagen hinter BMW: Mit seinen 283.006 Neuzulassungen kommt die Daimler-Hauptmarke immer noch auf einen Marktanteil 9,2 Prozent – wie BMW. Im Gegensatz zum bayrischen Wettbewerber verzeichnen die Stuttgarter auch ein geringeres Minus: Die Neuzulassungen gingen um 0,9 Prozent zurück. 2013 will Mercedes unter anderem mit den neuen E-Klasse wieder mehr Kunden für sich begeistern. Quelle: dpa
Audi (+ 6,3 Prozent)Gut dabei ist Audi: Die Ingolstädter steigerten ihre Neuzulassungen 2012 um 6,3 Prozent auf 266.582 Stück. Damit spielt Audi in Deutschland ganz vorne mit und hat einen Marktanteil von 8,6 Prozent. In diesem Jahr könnte den Ingolstädtern ihre Neuauflagen im SUV-Segment nochmals einen Schub verpassen. So rollen der neue RS Q3, der SQ 5 und ein rundum verjüngter Q7 in diesem Jahr zum Händler. Quelle: obs
Opel (-16,1 Prozent)Die kriselnde Autobauer Opel gehört immer noch zu den am meisten verbreiteten Automarken in Deutschland: 213.627 Neuwagen ließ das KBA 2012 zu (Marktanteil 6,9 Prozent). Allerdings ist Opel auf dem Rückmarsch: Die Neuzulassungen verzeichneten ein Minus von 16,1 Prozent. Besonders stark zeigt sich die Kaufzurückhaltung im Dezember 2012. Hier betrug das Minus im Vergleich zum Vorjahresmonat 42,6 Prozent. 2013 will die General Motors-Tochter mit dem Stadtflitzer Adam auftrumpfen und Freiluft-Fans mit dem Cabrio Cascada für sich gewinnen. Ob es gelingt ? Man darf gespannt sein. Quelle: dpa

Auch Automagazine enthüllen immer wieder Qualitätsmängel und Ausstattungsdefizite, die so gar nicht zum Image der deutschen Edelmarken passen wollen: Bei der neuen A-Klasse von Mercedes wird die aufgestellte Motorhaube von einer Eisenstange statt mit einem Gasdruckdämpfer gehalten, BMW etwa verzichtet aus Kostengründen auf Scharnierabdeckungen oder eine Klarlackschicht auf der Innenseite des Kofferraumdeckels. „Premium? Alles Lüge!“, polterte unlängst die „Auto Bild“. Premium sei „nichts weiter als die Erfindung der Marketingstrategen, mehr Geld für gewöhnliche Ware einzunehmen“.

Erfolg mit Made in Germany

Aber wie lange geht diese Strategie von BMW, Mercedes und Audi noch gut? Wie lange sind die Kunden noch bereit, für durchschnittliche Qualität überdurchschnittliche Preise zu zahlen? Norbert Reithofer gibt sich entspannt. Im Interview mit der WirtschaftsWoche behauptet der BMW-Chef, die Premiumautos aus eigener Fertigung seien Massenmarken bei der Produktsubstanz „weiterhin überlegen“, BMW bei „Kundenzufriedenheit und Markenwert führend“.

Die aktuellen Verkaufszahlen geben Reithofer und seinen Kollegen bei Daimler oder Audi recht: BMW verkaufte 2012 erstmals mehr als 1,8 Millionen Fahrzeuge, Audi übertraf bereits im November den Absatz des gesamten Vorjahres, und Mercedes freut sich nach dem verkaufsstärksten November aller Zeiten auf das beste Jahr der Firmengeschichte. Tiefes Elend dagegen bei den französischen und italienischen Autoherstellern, die mit ihren Massenmarken Peugeot, Renault und Fiat rote Zahlen schreiben, während die edlen Schlitten der Deutschen zweistellige Umsatzrenditen einfahren.

Durchschnittlicher Gewinn pro Fahrzeug (zum Vergrößern bitte anklicken).

Rund 4000 Euro verdienten BMW und Audi 2012 mit jedem verkauften Auto, selbst erfolgreiche Massenmarken wie Toyota müssen sich mit weniger als 1000 Euro begnügen. Auch die in der kommenden Woche beginnende Automesse in Detroit dürfte zum Triumphzug deutscher Premiummarken werden.

Mit ihrer Hochpreispolitik ist den heimischen Autobauern gelungen, woran andere deutsche Technikbranchen gescheitert sind. Frühere Vorzeigeindustrien wie die Unterhaltungselektronik, Textilhersteller, Solarwirtschaft oder Telekommunikation sind nurmehr ein Schatten ihrer selbst und haben Hunderttausende Jobs in Niedriglohnländer verlagert. Die Autokonzerne dagegen machten made in Germany zum Rückgrat ihres Erfolgs.

Zwar kommen die Fahrzeuge in immer geringerer Zahl aus deutschen Landen – in ausländischen Wachstumsmärkten wie China oder Brasilien fertigen sie fast doppelt so viele Autos wie im Geburtsland von Autoerfinder Carl Benz. Aber das Image deutscher Qualität ist geblieben. Und diese Führungsposition lassen sich die deutschen Hersteller viel kosten: Jeder dritte Euro, der 2011 in Deutschland für Forschung und Entwicklung ausgegeben wurde, stammte aus der Autoindustrie.

Länger Arbeiten für's Auto

Mit einer cleveren Mischung aus Innovation, Design, hochwertiger Produktanmutung und intensiver Markenpflege entzog sich die deutsche Autoindustrie dem sonst üblichen Preisverfall bei technischen Gütern. Den drei Premiummarken gelang es sogar, ihr Preisniveau über die Jahre zu erhöhen: Musste ein deutscher Durchschnittsverdiener Mitte der Siebzigerjahre rund 800 Stunden für einen neuen 3er-BMW arbeiten, sind es heute schon über 1800 Stunden. In der Unterhaltungselektronik verlief die Entwicklung umgekehrt: Mitte der Siebzigerjahre musste ein Deutscher noch 300 Stunden für einen neuen Fernseher arbeiten, heute lediglich 30.

Kein Grund zur Entspannung


Ausruhen können sich die deutschen Autokonzerne auf ihren starken Marken allerdings nicht. Hoch profitable Massenhersteller wie Hyundai laufen sich längst für den Einstieg in das Premiumsegment warm, die in den USA erfolgreichen Luxusableger von Nissan (Infiniti) und Toyota (Lexus) greifen Mercedes & Co. bereits direkt an. Zudem wird es für die vergleichsweise kleinen Anbieter BMW und Daimler immer schwieriger, im Wettlauf um Mengenvorteile bei Einkauf und Produktion gegen Megakonzerne wie VW, Toyota oder Hyundai zu bestehen. Denn nur mit einer immer größeren Modellvielfalt können die Autobauer die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kunden in aller Welt bedienen – für kleine Hersteller mit begrenzten Ressourcen ist das ein Kraftakt.

Wollen die deutschen Edelmarken weiter mithalten und dabei auch noch zweistellige Umsatzrenditen erwirtschaften, müssen sie sparen, wo immer es geht. Das Risiko ist nur: Wer zu viel spart, verspielt schnell sein Markenimage.

von Martin Seiwert, Martin Fritz, Hans-Jürgen Klesse

Am leichtesten fällt das Spiel Audi. Die Ingolstädter haben den großen VW-Konzern im Rücken, der sie mit vergleichsweise günstigen Teilen versorgt. Allerdings wächst darüber die Gefahr, dass die Kunden VW-Technik unter dem Audi-Blech erkennen und zum kostengünstigeren Original wechseln. Autoexperte Dudenhöffer: „Audi A1, VW Polo und Skoda Fabia haben eine unterschiedliche Optik, bauen aber auf der gleichen Technik auf. Als Differenzierungsmerkmale bleiben allein Design, Fahreigenschaften und die Narbung des Armaturenbretts.“

Sparen, was das Zeug hält

Trotzdem sucht auch BMW in der Gleichteilestrategie sein Heil: Je größer die Stückzahlen zugekaufter Komponenten, umso niedriger deren Preise. So werden der Mini und der 1er-BMW künftig eine Plattform teilen. Die Folge: Als erster BMW überhaupt bekommt der 1er ab 2014 Frontantrieb – ein Alleinstellungsmerkmal geht dadurch verloren. In Internet-Foren spucken BMW-Fans bereits Gift und Galle.

Und dabei bleibt es nicht. Sogar Grenzen zwischen der Mittel- und Oberklasse sollen fallen: „Es wird sich auch die 3er-Serie Komponenten mit Fahrzeugen der 5er- und 7er-Reihe teilen“, kündigt Markus Braunsperger, Leiter Technische Integration bei BMW, an: „In Einzelfällen ist auch denkbar, dass Technik über das gesamte Produktportfolio hinweg eingesetzt wird.“

So will VW seine Töchter im neuen System auf Linie bringen

Die Strategie ist ein Spiel mit dem Feuer. Erkennt der Käufer eines 80 000 Euro teuren BMW 7er, dass sein teuer bezahltes Schiebedach auch im 40 000 Euro billigeren 3er steckt, könnte das sorgsam gepflegte BMW-Markenimage Schaden nehmen: Die Strategie mit den gleichen Teilen „hat Grenzen“, räumt Braunsperger ein. BMW-Kunden erwarteten, „dass sich die Fahrzeugklassen technisch differenzieren. Eine simple technische Gleichschaltung würden sie nicht akzeptieren.“

Ein unbarmherziges Fazit

Wie riskant rigide Sparmaßnahmen sein können, musste Daimler erfahren. Als Folge der später missglückten Fusion mit dem US-Hersteller Chrysler opferte Daimler Anfang des Jahrhunderts zahlreiche Qualitätsmaßstäbe – und leidet bis heute darunter, wie die „Auto Bild“-Ausgabe vom 19. Oktober 2012 dokumentiert. „Fragen Sie mal Mercedes-Fahrer zum Thema Rost“, empört sich ein Kommentator. „Bei denen wütet die braune Pest viel zu oft an Türkanten und Kofferraumklappen.“ Und beim Vergleichstest von Kompaktwagen der Marken Mercedes, Audi, BMW und VW siegt in der gleichen Ausgabe der neue VW Golf 7.

Die neue Mercedes A-Klasse, mit der Daimler in puncto Qualität und Wertigkeit ein neues Kapitel aufschlagen wollte, landete auf dem letzten Platz. „Es fehlt am Feinschliff“, so das unbarmherzige Fazit der Tester – ein vernichtendes Urteil für eine Marke, die sich 2010 den Slogan „Das Beste oder nichts“ verpasste.

Ungleichmäßige Spaltmaße


Daimler sparte sich die Entwicklung eines eigenen kleinen Nutzfahrzeugs und verkauft stattdessen den leicht modifizierten Renault Kangoo als Mercedes Citan. Quelle: Reuters

„Auto Motor und Sport“ nahm im Dezember eine besonders extreme Variante der aktuellen Mercedes-Sparstrategie aufs Korn: den Citan. Das kompakte Nutzfahrzeug mit Mercedes-Stern im Kühlergrill ist tatsächlich eine nur schlecht kaschierte Variante des über 2500 Euro billigeren Schwestermodells Renault Kangoo. Bei der Qualitätsanmutung lag der Kangoo-Daimler klar hinter dem gleichfalls getesteten VW-Transporter. „Abstehende Gummidichtungen, ungleichmäßige Spaltmaße und leger geschnittene Verkleidungen passten nicht zum strengen Qualitätsanspruch von Daimler“, so das harsche Urteil der Fachjournalisten.

Marktanteile deutscher Premiumhersteller (zum Vergrößern bitte anklicken).

Mangelnder Federungskomfort, unpräzise Lenkung, lückenhafte Sicherheitsausstattung, schlechtes Bremsverhalten – der Test kam für die Marke mit dem Stern einer Ohrfeige gleich. Bleibt „Das Beste oder nichts“ am Ende ein leeres Versprechen? Noch können die Stuttgarter die wertvollste Automarke der Welt ihr Eigen nennen, aber eine sichere Bank ist das nicht. Zumal in der Konzernzentrale bereits das nächste Sparprogramm ausgebrütet wird, um so jährlich zwei Milliarden Euro an Kosten zu senken. Durch die Effizienzsteigerung will Konzernchef Dieter Zetsche bis 2020 Daimler zum profitabelsten und größten Premiumhersteller machen. BMW und Audi verfolgen allerdings das gleiche Ziel.

Wachstum mit Kleinwagen

Bei ihrem Streben nach Größe lassen sich die Hersteller immer mehr auf einen direkten Wettbewerb mit technisch kaum weniger versierten Massenmarken wie VW oder Toyota ein. Den Startschuss dazu feuerten Audi, BMW und Mercedes vor rund 15 Jahren selbst ab, als sie sich entschieden auch kompakte und kleine Autos zu bauen, obwohl die Margen in diesem Segment wegen des höheren Wettbewerbs viel geringer sind. Die an hohe Gewinne gewöhnten Premiummarken könnten hier kaum überleben, unkten Experten schon damals.

Heute ist jeder dritte in Deutschland verkaufte Audi ein Kompaktwagen, jeder zehnte ein Kleinwagen, so das Ergebnis einer Studie des Center Automotive Research (CAR) für die WirtschaftsWoche. Bei BMW und Mini liegt der Kompakt- und Kleinwagenanteil bei 43 Prozent, Mercedes kommt auf 39 Prozent (siehe Grafik). Neben der Bedienung neuer Wachstumsmärkte sei das Vordringen in andere Fahrzeugsegmente die „zweite zentrale Wachstumsstrategie“ der deutschen Premiummarken, sagt Studienleiter Dudenhöffer. „In den letzten 20 Jahren erhöhte sich die Modellvielfalt pro Jahrzehnt um 50 Prozent.“

Noch können die Autokonzerne mit dieser Strategie gut leben. Statt sich im umkämpften Kleinwagensegment aufzureiben, definierten die Premiummarken ein neues Segment: kleine, aber teure Autos mit Luxuscharakter. „Damit haben die deutschen Premiumhersteller ihren Markt wesentlich erweitert“, lobt Dudenhöffer. Rabattschlachten seien in diesem Markt bislang kein Thema: „Sie schaffen es, sich vom Rabattwettbewerb fernzuhalten.“

Ob Premium und Turbo-Wachstum, Qualität und Gleichteilestrategie auf Dauer wirklich zusammenpassen, ist offen. Im Tüv-Report 2013 der zuverlässigsten Autos konnte keines der Modelle von Mercedes, BMW oder Audi einen Spitzenplatz belegen, die Edelmarken rangieren eher im Mittelfeld. Aber: Die Autokäufer schreckt das ganz offensichtlich nicht ab. Immerhin haben deutsche Premiummarken die geringsten Wertverluste im Gebrauchtwagengeschäft.

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