Über Jahre war es in der Diskussion, doch aus zahlreichen Prototypen ist nie ein Serienauto geworden. Die Rede ist von einem echten Volks-Wagen, der vor allem in Schwellenländern neue Kundengruppen erschließen soll. Mal waren es offenbar die Winterkorn’schen Ansprüche, mal die Kosten, mal ein unrentables Geschäftsmodell.
„Es wurden Jahre verschenkt, um ein Billigauto für die Schwellenländer – und hier insbesondere Indien – zu entwickeln“, sagt Schwope. „Vor allem für Wachstum in Asien ist die Entwicklung eines Low-Budget-Cars unerlässlich.“ Eine Lösung sollte die Zusammenarbeit mit Suzuki sein. Doch das Projekt scheiterte früh, ein gemeinsames Auto wurde nie gebaut. Erst in diesem Sommer hat sich Volkswagen von seinen letzten Suzuki-Anteilen getrennt.
Die wichtigsten Antworten zum Rechtsstreit zwischen VW und Suzuki
Im Kern ging es um zwei befreundete Unternehmen, die dann zu Rivalen wurden: 2009 hatten VW und Suzuki eine Zusammenarbeit vereinbart. VW kaufte Aktien des Suzuki-Konzerns und umgekehrt - die Konzerne wollten sich so stärker aneinander binden. Als die Kooperation scheiterte, wollte Suzuki die VW-Aktien wieder loswerden, die Wolfsburger sollten die Suzuki-Anteile hingegen behalten - gegen den Willen von Suzuki. Die Japaner wollten ihre Papiere zurück und forderten Schadenersatz. Die Sache ging vor ein Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer.
Im Prinzip beide. Nach VW-Angaben bescheinigte das Gericht einerseits den Wolfsburgern vertragstreues Verhalten, andererseits auch Suzuki ein ordentliches Kündigungsrecht. Damit muss VW die gehaltenen Suzuki-Aktien abgeben.
Das oberste Ziel der Zusammenarbeit zwischen VW und Suzuki lautete: Sparen. Nicht nur durch gemeinsame Produktion und gemeinsamen Einkauf, sondern auch bei der Entwicklung. Suzuki war interessiert an deutscher Ingenieurskunst, VW wollte Suzukis Knowhow bei billigen Kleinwagen. Die Kooperation zielte vor allem auf den indischen Markt, wo Suzuki über eine lokale Partnerschaft Marktführer ist.
Es lief von Anfang an nicht rund. VW warf Suzuki vor, Motoren beim Konkurrenten Fiat zu bestellen. Suzuki klagte seinerseits über Geheimniskrämerei der Wolfsburger Entwickler. Es folgten Sticheleien und Streit. Im VW-Geschäftsbericht wurde Suzuki als assoziiertes Unternehmen aufgeführt - das stieß den Japanern sauer auf. Der betagte japanische Patriarch Osamu Suzuki nannte VW am Ende gar einen "Klotz am Bein".
Zum einen, weil es ein ordentliches Investment darstellt: Der Wert der Papiere hat sich seit Ende 2009 fast verdoppelt. Zum anderen verhinderte die Beteiligung auch den möglichen Einstieg anderer Partner bei den Japanern. Außerdem ist VW nach wie vor von der Sinnhaftigkeit einer Zusammenarbeit überzeugt.
Nein. Für 2018 haben die Wolfsburger ein Familienauto für 8000 bis 11.000 Euro angekündigt. Es ist aber speziell auf den chinesischen Markt zugeschnitten. Denn die sogenannten Budget Cars sind von Schwellenland zu Schwellenland verschieden. Chinesen bevorzugen voluminösere Autos, Indien dagegen ist ein anderer Markt mit sehr kompakten Fahrzeugen. Da wäre Suzuki nach wie vor ein geeigneter Türöffner.
Die Schiedsgerichtbarkeit der Internationalen Handelskammer ist auf solche Fälle spezialisiert. Gegründet wurde sie 1923, seitdem haben die Schiedsrichter in gut 20.000 Fällen unter Beteiligung von 180 Ländern entschieden. Der Vorteil dieser Einrichtung ist, dass sie eingestellt ist auf Akteure aus verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen und mit einem unterschiedlichen Rechtsverständnis. Eine Partei kann sich schnell benachteiligt fühlen, wenn Verhandlungen in der Heimat der Gegenpartei stattfinden. Auf London als Ort haben sich VW und Suzuki geeinigt, einen festen Sitz wie bei normalen Gerichten gibt es nicht.
Nein. Die Schiedssprüche sind bindend, endgültig und können überall auf der Welt durchgesetzt werden. Nur in vereinzelten Fällen ist ein Einspruch möglich. Da dem Schiedsgericht Vertraulichkeit sehr wichtig ist, gibt es keine Informationen zum Fall Suzuki-Volkswagen heraus.
Eine Baustelle weniger für Müller – aber auch kein Fortschritt in Sachen Billigauto. In Anbetracht der Milliarden-Einsparungen ist ein zeitnaher Vorstoß beim Budget Car unwahrscheinlich.
Die Dauerbaustelle mit den Lkw
Mit MAN und Scania besitzt der Konzern neben der eigenen auf Transporter spezialisierten Nutzfahrzeug-Sparte über zwei namhafte Lkw-Marken – beide wurden für mehrere Milliarden Euro gekauft. Doch im Geschäft mit den schweren Brummis zählt ein prestigeträchtiger Name nur bedingt. Die Technik und vor allem die Kosten müssen überzeugen. Und die geforderten und erhofften Synergien sind bislang kaum zu sehen.
Schon vor der eiligst im September vollzogenen Konzern-Neuordnung hatte VW die beiden Lkw-Marken unter einer neuen Dachgesellschaft – der Truck & Bus GmbH – zusammengefasst. „Die Bündelung der Nutzfahrzeugmarken unter einem Dach erlaubt eine stärkere Konzentration auf Lkw- und Bus-Belange und damit schnellere Entscheidungen“, hatte Lkw-Chef Andreas Renschler den Schritt im Mai begründet. Was er nicht sagte: Bis die komplett unterschiedlichen Kulturen verschmolzen und die Elefantenhochzeit vollzogen ist, dürften noch Jahre vergehen.
Renschlers Aufgabe ist es, aus MAN und Scania eine schlagkräftige Allianz zu formen – ohne den Kern der Marken auszuhöhlen. Mit der Lkw-Holding ist der unlängst von Daimler zu VW gewechselte Renschler erst einmal beschäftigt – und schafft so zumindest vorerst keine neuen Baustellen für den Konzernchef. Wenigstens eine gute Nachricht für Matthias Müller.