Beim Umsatz leicht zugelegt, das operative Geschäft liegt wie der Absatz auf Vorjahresniveau, unterm Strich bleibt ein stattlicher Milliardenbetrag als Überschuss. So hätten sich die Zahlen zum dritten Geschäftsquartal des Volkswagen-Konzerns gelesen. Konzernboss Martin Winterkorn hätte dann festgestellt, dass man mit dem Produktmix gut aufgestellt sei und die konjunkturbedingt schwierigen Märkte in China, Russland und Südamerika genau beobachte.
Doch so ist es nicht gekommen. Das Dieselgate hat VW-Chef Winterkorn sämtliche Posten im Konzern gekostet, zahlreiche Manager wurden beurlaubt. Der Skandal um massenhaft manipulierte Abgaswerte hat Europas größten Autobauer innerhalb weniger Wochen in eine tiefe Krise gestürzt. Doch auch ohne den Skandal wäre 2015 kein gutes Jahr für VW geworden – der Machtkampf Winterkorn- Piëch aus dem Frühjahr lässt grüßen. Jetzt wird es nicht einmal ein wirtschaftlich erfolgreiches.
Der VW-Abgas-Skandal im Überblick
Die US-Umweltbehörde EPA teilt in Washington mit, Volkswagen habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes bei Abgastests zu manipulieren. In den Tagen darauf wird klar, dass weltweit Fahrzeuge von VW und der Töchter betroffen sind – darunter auch Audi und Porsche. Die VW-Aktie bricht ein.
VW-Chef Martin Winterkorn tritt nach einer Krisensitzung der obersten Aufseher zurück. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen VW. Anlass dafür seien auch eingegangene Strafanzeigen von Bürgern, heißt es.
Der VW-Aufsichtsrat tagt. Nach langer Sitzung beruft das Gremium Porsche-Chef Matthias Müller zum neuen Konzernchef und trifft einige weitere Personal- und Strukturentscheidungen. Verantwortliche Motorenentwickler werden beurlaubt.
Nach mehreren Strafanzeigen startet die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen. Entgegen einer ersten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig gibt es keine Ermittlungen gegen Ex-Chef Martin Winterkorn persönlich.
Das Aufsichtsrats-Präsidium beschließt, Hans Dieter Pötsch per registergerichtlichen Anordnung in den Aufsichtsrat zu berufen. Das ist möglich, weil mehr als 25 Prozent der Aktionäre Pötsch favorisiert haben. Die Familien Porsche und Piëch, die Pötsch gegen die Bedenken des Landes Niedersachsens und der Arbeitnehmer durchgesetzt haben, halten über die Porsche SE rund 52 Prozent der VW-Anteile. Julia Kuhn-Piëch, die erst dieses Jahr nach dem Rücktritt von Ferdinand und Ursula Piëch in das Kontrollgremium aufgerückt war, verlässt den Aufsichtsrat wieder.
Es ist klar, dass die betroffenen VW-Fahrzeuge in die Werkstatt müssen, damit die Schummel-Software verschwindet. Bei einigen Motorenwerden die Techniker selbst Hand anlegen müssen. Eine Rückruf-Aktion, so wird es am nächsten Tag bekannt werden, soll 2016 starten. Die geschäftlichen und finanziellen Folgender Krise sind nicht absehbar. Die Kosten der Abgas-Affäre werden jedoch enorm sein. Der neue Chef muss sparen: "Deshalbstellen wir jetzt alle geplantenInvestitionen nochmal auf denPrüfstand", kündigt Müller an.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnet einen verpflichtenden Rückruf aller VW-Dieselautos mit der Betrugssoftware an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,4 Millionen Wagen in die Werkstatt. VW hatte eine freiwillige Lösung angestrebt.
Der Skandal beschert dem Konzern im dritten Quartal einen Milliardenverlust. Vor Zinsen und Steuern beläuft sich das Minus auf rund 3,5 Milliarden Euro.
Der Skandal erreicht eine neue Dimension. VW muss - nach weiteren Ermittlungen der US-Behörden - einräumen, dass es auch Unregelmäßigkeiten beim Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) gibt. Rund 800.000 Fahrzeuge könnten betroffen sein. Die VW-Aktie geht erneut auf Talfahrt.
Der Diesel-Skandal in den USA weitet sich aus. Erneut. Es seien mehr Drei-Liter-Diesel der Marken Volkswagen und Audi betroffen, als bislang angenommen, erklärt die US-Umweltbehörde EPA. Die Autobauer bestreiten dies zunächst. Wenige Tage später, am 24. November, müssen sie allerdings einräumen, ein sogenanntes „Defeat Device“ nicht offengelegt zu haben. Die Software gilt in den USA als illegal.
Die Auswirkungen des Skandal zwingen VW zudem zum Sparen: VW fährt die Investitionen für das kommende Jahr runter. 2016 sollen die Sachinvestitionen um eine Milliarde Euro verringert werden. „Wir fahren in den kommenden Monaten auf Sicht“, sagt VW-Chef Müller. Weitere Ausgaben bleiben auf dem Prüfstand.
Neuer Ärger für Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nun auch wegen mögliche Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit falschen CO2-Angaben. Die könnten dazu geführt haben, dass zu wenig Kfz-Steuer gezahlt wurde.
Zumindest etwas Positives für die Wolfsburger: Zur Nachrüstung der millionenfach manipulierten Dieselmotoren mit 1,6 Litern Hubraum in Europa reicht nach Angaben von Volkswagen ein zusätzliches, wenige Euro teures Bauteil aus. Bei den 2,0-Liter-Motoren genügt ein Software-Update. Das Kraftfahrtbundesamt genehmigt die Maßnahmen. Auch wenn VW keine Angaben zu den Kosten macht – es hätte schlimmer kommen können.
An Winterkorns Stelle musste sein Nachfolger Matthias Müller die Quartalszahlen erklären. Statt des satten Überschusses müssen Müller und sein neuer Finanzchef Frank Witter schon zu großen Rechenspielen greifen, um die Vorstellung ihrer ersten VW-Zahlen halbwegs positiv zu gestalten: Statt den Zahlen für das dritte Geschäftsquartal hat VW Neun-Monats-Zahlen präsentiert. Denn die waren dank der hohen Gewinne aus dem ersten Halbjahr positiv. Das liest sich schon ganz anders als der erste Quartalsverlust seit 15 Jahren – und dann auch noch in Milliardenhöhe.
Erster Quartalsverlust seit 15 Jahren
Wegen Rückstellungen in Höhe von 6,7 Milliarden Euro für die Folgen des Abgasskandals sind die Wolfsburger tief in die roten Zahlen gerutscht. Zum Stichtag Ende September weist VW vor Zinsen und Steuern ein Minus von 3,5 Milliarden Euro aus. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten mit einem ähnlichen Fehlbetrag gerechnet.
Was den neuen Vorstandschef und seinen obersten Finanzer aber dennoch optimistisch stimmen dürfte: Der Quartalsumsatz entwickelte sich mit 51,5 Milliarden Euro solide, auch das bereinigte EBIT – also das operative Ergebnis, aus dem einmalige Sonderbelastungen wie die Milliarden-Rückstellung herausgerechnet wurden – ging mit rund 3,2 Milliarden Euro nur leicht zurück.
Müller muss trotz des großen Verlusts im dritten Quartal im Gesamtjahr nicht mit roten Zahlen rechnen – die von Reuters befragten Analysten gehen im Schnitt von einem Überschuss von knapp fünf Milliarden Euro aus. Ausruhen kann er sich auf derartigen Prognosen allerdings nicht. Denn ob die bislang zurückgestellte Summe ausreicht, wird von Experten bezweifelt.
„Nach heutigem Stand der Dinge gehen wir von Gesamtkosten, also inklusive Strafzahlungen, Rückrufaktionen, Entschädigungen für Wertverlust und möglicher Schadenersatzforderungen, in Höhe von mindestens 30 Milliarden Euro aus“, sagt Frank Schwope, Auto-Analyst bei der NordLB. „Hinzu kommt ein immenser Reputationsschaden, der sich letztlich in zukünftig nicht verkauften Fahrzeugen beziehungsweise nicht erzielten Gewinnen ausdrückt, sich allerdings nur schwer bemessen lässt.“
Ein Betrag von 20 bis 30 Milliarden Euro ist stemmbar, glaubt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM). „Dank der aktuell noch hohen Finanzkraft wäre diese Kostenbelastung für den Volkswagen-Konzern noch verkraftbar“, so der Professor von der Hochschule Bergisch-Gladbach.
Diese hohe Finanzkraft hat sich der Konzern in den vergangenen Jahren unter Winterkorn hart erarbeitet – aber aus Sicht von Bratzel auch teuer bezahlt. „Die unbestrittenen unternehmerischen Erfolge von Volkswagen haben viele der seit Jahren bekannten Strukturprobleme und Defizite des Konzerns in den Hintergrund gedrängt“, sagt Bratzel. „Gelingt der Wandel, könnte Volkswagen sogar deutlich gestärkt aus der Krise hervorgehen.“
Um das zu erreichen, muss der neue Chef Müller die Baustellen jetzt angehen, während sich der neue Aufsichtsratsboss Hans Dieter Pötsch um die Aufarbeitung der Abgasaffäre kümmern soll. Welche Probleme das sind und welche Lösungen sich andeuten, zeigt WirtschaftsWoche Online in der Übersicht.
Wo alles anfing: die USA
In den USA nahm der Abgasskandal mit den Messungen der Umweltbehörde EPA seinen Anfang. Doch auch ohne die Probleme, die dort strengeren NOx-Emissionen einzuhalten, war das US-Geschäft der Wolfsburger alles andere als ein Selbstläufer. Betriebsratschef Bernd Osterloh bezeichnete den VW-Auftritt in den USA bereits vor Jahresfrist als „Katastrophenveranstaltung“.
Der Grund für diese deutlichen Worte: Volkswagen – oder je nach Betrachtungsweise nur das lokale Management – hatte den US-Markt mit seinen speziellen Anforderungen nicht verstanden. Mal waren es fehlende Becherhalter, mit denen die Wolfsburger in der Drive-In-Kultur der Fast-Food-Nation schlechthin den Zorn der Kunden auf sich zog. Mal fehlte den Kunden das in den USA jährliche Update der Autos. Nach anfänglichen Erfolgen mit speziellen US-Limousinen wie dem Jetta und dem Passat sank der Marktanteil von zwischenzeitlich drei auf zwei Prozent – heute ist VW wieder auf dem Niveau von 2007 angekommen.
Vermintes Gelände – Volkswagen und die USA
In China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, stampft VW ein Werk nach dem anderen aus dem Boden. In den USA zählt Europas Branchenprimus erst eines, vieles läuft dort noch nicht rund. Eine Chronologie.
VW-Chef Martin Winterkorn spricht zur Automesse in Detroit erstmals von einem neuen SUV-Modell speziell für die USA.
Nach 31 Monaten auf steilem Expansionskurs muss Volkswagens Kernmarke für den April 2013 erstmals wieder rückläufige Verkäufe melden. Seitdem finden die Wolfsburger nicht in die Spur.
Im schwelenden Streit um einen Betriebsrat für das einzige US-Werk von Volkswagen in Chattanooga droht der mächtige Konzernbetriebsrat damit, weiteres Wachstum dort zu blockieren.
Michael Horn löst Jonathan Browning als Chef von Volkswagens US-Sparte ab. Medien spekulieren, Browning müsse wegen der Verkaufszahlen gehen. Volkswagen nennt „persönliche Gründe“.
Winterkorn kündigt das neue SUV-Modell für 2016 an. „Amerika ist der weltweit härteste Automarkt“, räumt er ein. Als mögliche Produktionsorte gehen Chattanooga und Mexiko ins Rennen.
Die VW-Mitarbeiter in Chattanooga votieren gegen den Vorschlag, sich von der US-Autogewerkschaft UAW vertreten zu lassen. Damit kann VW zumindest vorerst nicht die vom Betriebsrat geforderte Arbeitnehmervertretung nach deutschem Vorbild aufbauen.
Betriebsratschef Bernd Osterloh meldet sich zu Wort. Er könne sich „durchaus vorstellen“, dass ein weiterer Standort in den USA „nicht unbedingt wieder in den Süden gehen muss“.
VW teilt mit: Der Cross Blue geht nach Chattanooga.
VW zeigt auf der Messe in Detroit neben dem bereits bekannten großen Geländewagen Cross Blue eine Coupé-Variante. Martin Winterkorn verspricht, in den USA wieder in den Angriffsmodus zurückkehren zu wollen.
Die Verkäufe gerade der Marke VW fallen nach den beiden schlechten Jahren 2013 und 2014 in den USA noch einmal schlechter aus. Von Januar bis August verkaufte in den USA 238.100 Autos und damit 2,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Quelle: dpa, scc
Europas größter Autobauer hat vor allem versäumt nachzulegen. Auf Jetta und Passat folgte lange nichts. Das inzwischen angekündigte speziell für den US-Markt entwickelte SUV kommt erst in einigen Jahren. Doch ob ein neues Modell alleine die lange ersehnte Wende bringen kann, ist fraglich. Dazu kommt: Seit dem Abgasskandal ist es um das SUV sehr still geworden. Die Wolfsburger wollen erst einmal die Folgen der aktuellen Affäre abwarten, bevor sie die Genehmigung für ein neues Modell beantragen.
Analyst bringt USA-Rückzug ins Spiel
Zusammen mit der ohnehin schwachen Position und den unkalkulierbaren Auswirkungen des Abgasskandals rät Schwope, generell über das Engagement der Marke Volkswagen in den USA nachzudenken. „Da der Konzern nach Jahren mit Verlusten seit 2007 keine Ergebnisgrößen für Nordamerika mehr veröffentlicht, kann man nur annehmen, dass kumuliert über die letzten 15 Jahre eher deutliche)Verluste als Gewinne in den USA angefallen sind“, sagt der Analyst. „Zudem hat die Marke Volkswagen jahrelang eine verfehlte Modellpolitik in den USA betrieben. Ein Komplettausstieg der Marke Volkswagen-Pkw in den USA sollte in Erwägung gezogen werden, zumal gerade die rechtlichen Risiken in den Vereinigten Staaten immens sind.“
Während Schwope einen radikalen Schritt anrät, sorgt ein Tesla-Investor mit einem ungewöhnlichen Vorschlag für Aufmerksamkeit. „Statt Milliarden an Strafen zu zahlen, sollte VW lieber verpflichtet werden, in fünf Jahren nur noch Elektroautos in den USA zu verkaufen“, sagt Ion Yadigaroglu, Chef des Investors Capricorn, dem „Handelsblatt“. „Derzeit ist die Rede von Strafen in Höhe von zehn Milliarden Dollar. Mit dem Geld könnte VW gut eine Batteriefabrik oder zwei bauen und Arbeitsplätze schaffen.“ Außerdem sollten die US-Behörden dem Wolfsburger Konzern auferlegen, Ladestationen an den Autobahnen aufzustellen. „Dann hätten wir das Transportsystem in diesem Land deutlich verbessert.“
Was VW 2014 in den USA verkauft hat
29.182 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
Quelle: CAR-Institut der Universität Duisburg-Essen
9.995 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
3.411 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
33.675 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
160.873 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
96.649 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
1.103 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
25.121 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
6.961 verkaufte Fahrzeuge im Jahr 2014
Ob sich VW zurückzieht oder nach gezahlten Strafen das Geschäft mit konventionellen Autos weitertreibt, liegt in der Hand von Müller und seinem neuen Chefstrategen Thomas Sedran. Eigentlich sollten – gemäß Müllers neuem Führungsstil – solche Entscheidungen dezentral in der Region getroffen werden. Doch der bereits zum Nordamerika-Chef ausgerufene Skoda-CEO Winfried Vahland verlässt stattdessen den Konzern offenbar ganz. Ob die für Vahland neu geschaffene Stelle mit einem anderen Manager besetzt wird, ist noch nicht bekannt.
Der wichtigste Markt der Welt: China
China ist nicht nur der größte Automarkt der Welt, auch für Volkswagen ist die Volksrepublik der größte Absatzmarkt. Vier von zehn Neuwagen verkaufen die Wolfsburger inzwischen dort. In der Bilanz taucht das wichtige China-Geschäft aber nur am Rande auf: Da die chinesischen Zweigstellen offiziell nur Beteiligungen an Joint Ventures sind, werden die Beiträge nicht bei der Marke VW, sondern beim Finanzergebnis verbucht.
Egal wo die Erlöse aus dem China-Geschäft am Ende verrechnet werden: In den Boom-Jahren hat sich das Reich der Mitte zu einer wichtigen Ertragssäule für VW entwickelt. Vielleicht ein bisschen zu wichtig, denn mit einem Volumen von 40 Prozent des Gesamtabsatzes hat sich Volkswagen auch abhängig von dem Markt gemacht. Konjunkturelle Abschwünge schlagen sich so direkt in das Konzernergebnis durch.
2017 könnte VW in China wieder wachsen
„Die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten im Reich der Mitte sind vorbei“, sagt NordLB-Mann Schwope. „Nichtsdestotrotz darf man nicht vergessen, dass das Reich der Mitte noch immer ein Riesenpotenzial birgt und in den nächsten Jahren wieder Wachstum verspricht. Um bei der Motorisierung einen westlichen Standard zu erreichen, fehlen im Reich der Mitte noch mehr als 500 Millionen Pkw! Spätestens ab dem Jahr 2017 rechnen wir wieder mit steigenden Absatzzahlen für den Volkswagen-Konzern in China.“
Zusammen mit dem Abschwung in Südamerika und Russland sieht Auto-Professor Bratzel das Risiko von weiteren Gewinneinbrüchen. „Im Falle von anhaltenden Absatzeinbrüchen kommt Volkswagen nicht um Einschnitte bei den Beschäftigten herum“, sagt der CAM-Leiter. „Forschungs- und Technologieentwicklungen können gegebenenfalls fokussiert werden, allerdings sind Kostenreduzierungen aufgrund der Relevanz für die künftige Wettbewerbsfähigkeit hier besonders kritisch.“
Welche Folgen ein Absatzeinbruch in China auf Volkswagen und andere deutsche Autobauer hätte, hat Bratzel im Mai exklusiv für die WirtschaftsWoche berechnet.
Die Krisenszenarien der deutschen Autobauer
Eine globale Finanzkrise vergleichbar mit der Krise von 2008/2009 trifft die globalen Automobilhersteller. Innerhalb weniger Wochen brechen die Autoverkäufe auf den wichtigsten Automobilmärkten USA, Europa und China um etwa 20 Prozent ein. Dadurch verschärfen sich auch die Kreditbedingungen erheblich. Auch das folgende Jahr lässt zunächst keine Erholung erwarten.
Szenario: Globaler Absatzrückgang um 20 Prozent
- 2.000.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 750.000 davon in Deutschland
- bis 50.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Sehr verletzlich
Quelle: Center of Automotive Management
Szenario: Globaler Absatzrückgang um 20 Prozent
- 400.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 200.000 davon in Deutschland
- bis 15.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Verletzlich
Szenario: Globaler Absatzrückgang um 20 Prozent
- 430.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 200.000 davon in Deutschland
- bis 12.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Weniger verletzlich
Der chinesische Pkw-Markt bricht in Folge von wirtschaftlichen Problemen – denkbare wäre das Platzen einer Immobilienblase – innerhalb eines Jahres um drastische 20 Prozent ein und bleibt ein volles Jahr 20 Prozent niedriger als im Vorjahr. Die Aussichten für das nächste Jahr lassen ebenfalls keine Erholung erwarten.
Szenario: Absatzrückgang um 20 Prozent in China
- 750.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 650.000 weniger produzierte Autos in China
- bis 8.000 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Sehr verletzlich
Szenario: Absatzrückgang um 20 Prozent in China
- 60.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 35.000 weniger produzierte Autos in China
- bis 1.500 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Weniger verletzlich
Szenario: Absatzrückgang um 20 Prozent in China
- 100.000 verkaufte Fahrzeuge weniger weltweit
- 60.000 weniger produzierte Autos in China
- bis 1.700 betroffene Arbeitsplätze in Deutschland
Fazit: Weinger verletzlich
Neue oder bisher branchefremde Unternehmen wie Tesla, Google oder Apple gewinnen im Zuge der schnellen Durchsetzung der Elektromobilität und des vernetzten sowie autonomen Fahrens an Bedeutung und bedrohen mit ihren Geschäftsmodellen die etablierten Hersteller.
- Mittel bis wenig innovativ mit Blick auf radikale Veränderungen
- Mittelgroße Kompetenz bei Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Sehr hohe Kompetenz bei vernetztem Fahren
- Kaum Erfahrung mit Mobilitätskonzepten
Fazit: verletzlich
- Mittel innovativ mit Blick auf radikale Veränderungen
- Mittelgroße Kompetenz bei Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Sehr hohe Kompetenz bei vernetztem Fahren
- Erste Erfahrung mit Mobilitätskonzepten (Car2Go, Moovel)
Fazit: Weniger verletzlich
- Mittel bis sehr innovativ mit Blick auf radikale Veränderungen
- Mittlere bis sehr große Kompetenz bei Elektro- und Hybridfahrzeugen
- Sehr hohe Kompetenz bei vernetztem Fahren
- Erste Erfahrung mit Mobilitätskonzepten (DriveNow)
Fazit: Kaum verletzlich
Wie Müller in China reagieren wird, ist noch unklar. Im Zuge der nach dem Skandal ausgerufenen Milliarden-Einsparungen kommen offenbar auch Investitionen in neue chinesische Werke auf den Prüfstand. Auf dieser Baustelle könnten aber die nächsten Tage etwas mehr Klarheit bringen: Der VW-Chef reist derzeit an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die Volksrepublik.
Das hausgemachte Problem: die schwache Rendite
Unter Martin Winterkorn hatte sich der Konzern vor allem einem Ziel verschrieben: noch vor Toyota größter Autobauer der Welt zu werden. Das haben die Wolfsburger 2014 deutlich vor Plan bereits geschafft. Und auch 2015 dürfte der Konzern, Skandal hin oder her, laut einer aktuellen Prognose den inoffiziellen Titel der globalen Nummer eins verteidigen.
Stimmen zum Abgas-Skandal bei VW
Osterloh fordert im Skandal um manipulierte Abgastests in den USA ein entschiedenes Durchgreifen auch innerhalb des Konzerns. „Das muss jetzt mit aller Konsequenz und Offenheit aufgeklärt werden; und wir müssen Konsequenzen daraus ziehen“, sagte er dem Magazin „Stern“. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Osterloh, der als einer der mächtigsten Männer bei Volkswagen auch Mitglied des Aufsichtsrats ist, äußerte sich geschockt über die Vorwürfe und forderte: „Wir müssen verloren gegangenes Vertrauen bei unseren Kunden zurückgewinnen.“ Vor allem Konzernchef Martin Winterkorn stehe dabei nun in der Pflicht.
„Eine Manipulation von Emissionstests ist völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen“, sagte der SPD-Politiker, der als amtierender Regierungschef in Niedersachsen Mitglied im Präsidium des Aufsichtsrates von VW ist. „Es muss selbstverständlicher Anspruch des VW-Konzerns sein, die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten.“ Er habe die Nachricht "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Die gegen VW in den USA erhobenen Vorwürfe wiegen schwer“, sagte Weil. Er gehe davon aus, dass diese Vorfälle „schnell und gründlich aufgeklärt werden. Erst danach kann über mögliche Folgen entschieden werden."
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine rasche und volle Aufklärung der Abgas-Manipulationen des Volkswagen-Konzerns gefordert. Merkel sprach sich „angesichts der schwierigen Lage“ für „volle Transparenz“ aus und forderte: „Ich hoffe, dass möglichst schnell die Fakten auch auf den Tisch kommen.“
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Abgas-Manipulationen scharf kritisiert. Der Vizekanzler geht aber von keinem nachhaltigen Schaden für die deutsche Industrie insgesamt aus. „Dass das ein schlimmer Vorfall ist, ist glaube ich klar“.Natürlich gebe es Sorge, dass der exzellente Ruf der deutschen Automobilindustrie und vor allem von Volkswagen darunter leidet: „Ich bin aber sicher, dass das Unternehmen schnell und restlos den Fall aufklären und die denkbar eingetreten Schäden wieder gut machen wird.“ Der Fall sei aber nicht typisch. „Der Begriff „Made in Germany“ ist weltweit ein Qualitätsbegriff.“ Deshalb müsse schnell aufgeklärt werden: „Aber ich glaube nicht, dass das ein dauerhafter und prinzipieller Schaden für die deutsche Industrie ist.“ Gabriel sprach sich dafür aus, Messfehler oder Manipulationen vielleicht einmal insgesamt zu überprüfen.
Die Bundesregierung fordert von den Autoherstellern „belastbare Informationen“, um mögliche Manipulationen bei Abgastests auch in Deutschland prüfen zu können. Diese Überprüfung müsse durch das Kraftfahrtbundesamt vorgenommen werden, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums. Er forderte zudem die Hersteller auf, eng mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten, um eine „lückenlose Aufklärung“ zu ermöglichen. Der Sprecher sagte, seinem Haus lägen „keine weiteren Kenntnisse über mögliche Schummeleien deutscher Automobilproduzenten vor“.
CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat Volkswagen aufgefordert, Kunden "vollumfänglich aufzuklären", um dadurch Vertrauen zurückzugewinnen. Er betonte, die Regierung wolle selbst aktiv dafür sorgen, dass derartige Manipulationen in Zukunft nicht wieder vorkämen.
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn kann nach Meinung von Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer angesichts des Abgas-Skandals in den USA nicht im Amt bleiben. Winterkorn, in dessen Verantwortung auch die konzernweite Forschung und Entwicklung falle, habe entweder von den Manipulationen gewusst oder aber er sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff, sagte der Direktor des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen der „Frankfurter Rundschau“. „In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspitze nicht mehr tragbar ist.“ Der „Westdeutschen Allgemeinen“ sagte er: „Jeder Politiker könnte bei einer solchen Angelegenheit nicht in seinem Amt bleiben.“
In Europa werden die Auto-Abgaswerte nach Angaben des TÜV Süd bereits während der Produktion streng überwacht. „Da gibt es klare Regeln“, sagte ein Sprecher. Für alle Fahrzeuge, die in der EU zugelassen werden sollen, müssten die Hersteller externe Kontrollen sicherstellen. „Die Fahrzeuge werden nach dem Zufallsprinzip vom Band genommen und kontrolliert“, sagte er. Allein der TÜV Süd nehme pro Jahr mehr als tausend dieser Kontrollen vor.
BMW ist nach eigenen Angaben von dem Skandal nicht betroffen. Bei Überprüfungen eines Dieselfahrzeugs habe es keine auffälligen Abweichungen der Werte gegeben, erklärte das Unternehmen. Bei BMW habe sich die EPA nicht gemeldet, hieß es in München. Wie sich der Skandal auf den Absatz von Diesel-Fahrzeugen in den USA auswirken werde, lässt sich nach Einschätzung von BMW noch nicht beurteilen. Für BMW machen diese Fahrzeuge bislang erst einen kleinen Anteil aus: In den letzten Jahren habe der Absatz von Dieselwagen in den USA drei bis sechs Prozent des gesamten Absatzes ausgemacht - höchstens rund 20.000 Fahrzeuge jährlich.
Daimler ist nach eigenen Angaben nicht von den Ermittlungen der US-Umweltschutzbehörde EPA wegen Abgas-Manipulationen betroffen. "Es gibt nach unseren Erkenntnissen keine Untersuchungen zu Mercedes-Benz", teilte der Stuttgarter Konzern am Montag mit.
Nach Meinung von Experten des DIW wird der VW-Abgasskandal im schlimmsten Fall auch die deutsche Konjunktur belasten. "Die Autoindustrie ist technologisch eine der Schlüsselbranchen, es ist die Leitindustrie schlechthin in Deutschland", sagt Industrieexperte Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Wenn es zu Absatzeinbußen kommt, könnte es auch Zulieferer treffen und damit die gesamte Wirtschaft."
Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, hat von VW eine schnelle Aufklärung des Abgasskandals gefordert. "Wir kritisieren jegliche Manipulation scharf", sagte er. "Jedes Unternehmen muss sich an die geltenden Regeln halten." Er begrüße aber, dass VW die Vorwürfe von unabhängigen Fachleuten prüfen lassen wolle. "Jedes Fehlverhalten muss lückenlos aufgeklärt werden. Jetzt helfen nur Transparenz, Offenheit und Tempo."
Trotz Dieselgate wird VW den Experten von IHS Automotive zufolge 9,96 Millionen Fahrzeuge bis sechs Tonnen absetzen. Da bei Konkurrent Toyota das Minus mit 2,7 Prozent aber größer ausfällt, kommen die Japaner demnach nur auf 9,86 Millionen Fahrzeuge. Nach den ersten neun Monaten hatte Toyota Volkswagen wieder knapp überholt. Doch das wird VW durch seine erfolgreichen Konzernmarken wieder wettmachen, so IHS.
Selbst Skoda verdient mehr pro Auto
In Sachen Absatz ist die Marke VW der mit Abstand stärkste Vertreter des Konzerns. Nicht nur hierzulande verkaufen sich Golf, Passat, Tiguan und Co. blendend. Die Verkäufe florieren zwar, doch an einer entscheidenden Stelle hakt das Geschäft: An den Autos mit dem VW-Logo verdient der Konzern kaum noch Geld. Bei Umsatz und Absatz liegt die Marke VW konzernintern deutlich vorne. Die größten Beiträge zum operativen Ergebnis kommen aber von Audi und Porsche. Sogar bei der einstigen Billig-Tochter Skoda ist die Rendite höher.
Das Rendite-Problem hatte auch Winterkorn bereits erkannt und dem Konzern 2014 ein Milliarden-Sparprogramm auferlegt. Die technische Komplexität war – nicht zuletzt wegen Winterkorns Detailversessenheit und Neigung zu kostspieligen Änderungen kurz vor Produktionsbeginn – dramatisch gestiegen, ohne dass dies in höhere Preise umgesetzt werden konnte.
Die Grundlagen für Müller hat Winterkorn selbst gelegt. Er hat nicht nur das Sparprogramm auf den Weg gebracht, sondern auch zusammen mit dem damaligen Aufsichtsratsboss Ferdinand Piëch Herbert Diess von BMW zu Volkswagen geholt. Der VW-Markenchef gilt als harter Kostensenker. Mit dem teuren Prestige-Modell Phaeton aus den Piëch-Zeiten hat der seit Juli aktive Diess den ersten Kandidaten ausgemacht. Ein Nachfolger kommt, wenn überhaupt, als Elektroauto. Unrentable Modelle wie der dreitürige Polo und das Cabrio Eos wurden schon zuvor gestrichen. Weitere Entscheidungen werden folgen.
Auch der von Winterkorn erdachte und während des Skandals vorgezogene Konzernumbau spielt der neuen VW-Spitze in die Karten. Wichtige Entscheidungen in Sachen Vertrieb und Entwicklung sollen nicht mehr zentral in Wolfsburg, sondern in den jeweils zuständigen Markengruppen gefällt werden. Die viel zitierten Strukturen sollen flexibler, das Gesprächsklima offener und die Entscheidungswege einfacher werden.
Für Bratzel ein überfälliger Schritt. „Ein organisatorisch-kultureller Wandel mit flexiblen Strukturen und schnellen Reaktionsmustern ist ohnehin eine Voraussetzung, um im künftigen Wettbewerb zu bestehen“, so der Professor. „Dabei sollte trotz der aktuellen Krise nicht in Vergessenheit geraten, dass der Volkswagen-Konzern auch enorme Stärken besitzt, die für den anstehenden Wandel genutzt werden können: ein breites Produkt- und Markenportfolio, eine hohe Innovationsstärke in wichtigen Technologiefeldern und viele hochqualifizierte Beschäftigte.“
Das fehlende Billigauto
Über Jahre war es in der Diskussion, doch aus zahlreichen Prototypen ist nie ein Serienauto geworden. Die Rede ist von einem echten Volks-Wagen, der vor allem in Schwellenländern neue Kundengruppen erschließen soll. Mal waren es offenbar die Winterkorn’schen Ansprüche, mal die Kosten, mal ein unrentables Geschäftsmodell.
„Es wurden Jahre verschenkt, um ein Billigauto für die Schwellenländer – und hier insbesondere Indien – zu entwickeln“, sagt Schwope. „Vor allem für Wachstum in Asien ist die Entwicklung eines Low-Budget-Cars unerlässlich.“ Eine Lösung sollte die Zusammenarbeit mit Suzuki sein. Doch das Projekt scheiterte früh, ein gemeinsames Auto wurde nie gebaut. Erst in diesem Sommer hat sich Volkswagen von seinen letzten Suzuki-Anteilen getrennt.
Die wichtigsten Antworten zum Rechtsstreit zwischen VW und Suzuki
Im Kern ging es um zwei befreundete Unternehmen, die dann zu Rivalen wurden: 2009 hatten VW und Suzuki eine Zusammenarbeit vereinbart. VW kaufte Aktien des Suzuki-Konzerns und umgekehrt - die Konzerne wollten sich so stärker aneinander binden. Als die Kooperation scheiterte, wollte Suzuki die VW-Aktien wieder loswerden, die Wolfsburger sollten die Suzuki-Anteile hingegen behalten - gegen den Willen von Suzuki. Die Japaner wollten ihre Papiere zurück und forderten Schadenersatz. Die Sache ging vor ein Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer.
Im Prinzip beide. Nach VW-Angaben bescheinigte das Gericht einerseits den Wolfsburgern vertragstreues Verhalten, andererseits auch Suzuki ein ordentliches Kündigungsrecht. Damit muss VW die gehaltenen Suzuki-Aktien abgeben.
Das oberste Ziel der Zusammenarbeit zwischen VW und Suzuki lautete: Sparen. Nicht nur durch gemeinsame Produktion und gemeinsamen Einkauf, sondern auch bei der Entwicklung. Suzuki war interessiert an deutscher Ingenieurskunst, VW wollte Suzukis Knowhow bei billigen Kleinwagen. Die Kooperation zielte vor allem auf den indischen Markt, wo Suzuki über eine lokale Partnerschaft Marktführer ist.
Es lief von Anfang an nicht rund. VW warf Suzuki vor, Motoren beim Konkurrenten Fiat zu bestellen. Suzuki klagte seinerseits über Geheimniskrämerei der Wolfsburger Entwickler. Es folgten Sticheleien und Streit. Im VW-Geschäftsbericht wurde Suzuki als assoziiertes Unternehmen aufgeführt - das stieß den Japanern sauer auf. Der betagte japanische Patriarch Osamu Suzuki nannte VW am Ende gar einen "Klotz am Bein".
Zum einen, weil es ein ordentliches Investment darstellt: Der Wert der Papiere hat sich seit Ende 2009 fast verdoppelt. Zum anderen verhinderte die Beteiligung auch den möglichen Einstieg anderer Partner bei den Japanern. Außerdem ist VW nach wie vor von der Sinnhaftigkeit einer Zusammenarbeit überzeugt.
Nein. Für 2018 haben die Wolfsburger ein Familienauto für 8000 bis 11.000 Euro angekündigt. Es ist aber speziell auf den chinesischen Markt zugeschnitten. Denn die sogenannten Budget Cars sind von Schwellenland zu Schwellenland verschieden. Chinesen bevorzugen voluminösere Autos, Indien dagegen ist ein anderer Markt mit sehr kompakten Fahrzeugen. Da wäre Suzuki nach wie vor ein geeigneter Türöffner.
Die Schiedsgerichtbarkeit der Internationalen Handelskammer ist auf solche Fälle spezialisiert. Gegründet wurde sie 1923, seitdem haben die Schiedsrichter in gut 20.000 Fällen unter Beteiligung von 180 Ländern entschieden. Der Vorteil dieser Einrichtung ist, dass sie eingestellt ist auf Akteure aus verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen und mit einem unterschiedlichen Rechtsverständnis. Eine Partei kann sich schnell benachteiligt fühlen, wenn Verhandlungen in der Heimat der Gegenpartei stattfinden. Auf London als Ort haben sich VW und Suzuki geeinigt, einen festen Sitz wie bei normalen Gerichten gibt es nicht.
Nein. Die Schiedssprüche sind bindend, endgültig und können überall auf der Welt durchgesetzt werden. Nur in vereinzelten Fällen ist ein Einspruch möglich. Da dem Schiedsgericht Vertraulichkeit sehr wichtig ist, gibt es keine Informationen zum Fall Suzuki-Volkswagen heraus.
Eine Baustelle weniger für Müller – aber auch kein Fortschritt in Sachen Billigauto. In Anbetracht der Milliarden-Einsparungen ist ein zeitnaher Vorstoß beim Budget Car unwahrscheinlich.
Die Dauerbaustelle mit den Lkw
Mit MAN und Scania besitzt der Konzern neben der eigenen auf Transporter spezialisierten Nutzfahrzeug-Sparte über zwei namhafte Lkw-Marken – beide wurden für mehrere Milliarden Euro gekauft. Doch im Geschäft mit den schweren Brummis zählt ein prestigeträchtiger Name nur bedingt. Die Technik und vor allem die Kosten müssen überzeugen. Und die geforderten und erhofften Synergien sind bislang kaum zu sehen.
Schon vor der eiligst im September vollzogenen Konzern-Neuordnung hatte VW die beiden Lkw-Marken unter einer neuen Dachgesellschaft – der Truck & Bus GmbH – zusammengefasst. „Die Bündelung der Nutzfahrzeugmarken unter einem Dach erlaubt eine stärkere Konzentration auf Lkw- und Bus-Belange und damit schnellere Entscheidungen“, hatte Lkw-Chef Andreas Renschler den Schritt im Mai begründet. Was er nicht sagte: Bis die komplett unterschiedlichen Kulturen verschmolzen und die Elefantenhochzeit vollzogen ist, dürften noch Jahre vergehen.
Renschlers Aufgabe ist es, aus MAN und Scania eine schlagkräftige Allianz zu formen – ohne den Kern der Marken auszuhöhlen. Mit der Lkw-Holding ist der unlängst von Daimler zu VW gewechselte Renschler erst einmal beschäftigt – und schafft so zumindest vorerst keine neuen Baustellen für den Konzernchef. Wenigstens eine gute Nachricht für Matthias Müller.