Umfrage unter 1800 Autohändlern Dramatischer Preisverfall bei gebrauchten Diesel-Pkw

Der Preis von Diesel-Autos fällt. Quelle: dpa

Nur ein Prozent der deutschen Autohändler sieht keine Einschränkungen beim Verkauf von gebrauchten Euro-5-Dieseln. Sie werden sie nur mit hohen Rabatten los. Doch auch bei neuen Euro-6-Motoren sehen die Händler Probleme.

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Die Preise für gebrauchte Diesel sind im deutschen Autohandel um bis zu 50 Prozent eingebrochen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) mit der WirtschaftsWoche durchführte. An der Umfrage beteiligten sich in der vergangenen Woche 1817 Autohandelsbetriebe. Der ZDK vertritt 38.000 Kfz-Werkstätten und Autohändler, die mit Neu- und Gebrauchtwagen sämtlicher Automarken handeln.

Das Bild, das die Umfrage zeichnet, ist desaströs: Rund ein Drittel der befragten Händler (32 Prozent) hält Diesel der Schadstoffnorm Euro 5 für nicht oder nur mit Hardwarenachrüstung für verkäuflich. Solche Nachrüstlösungen für einen geringeren Stickoxidausstoß sind aber noch nicht mal in der Entwicklung. Sollten sie überhaupt angeboten werden, dann wären sie frühestens in ein bis zwei Jahren marktreif. Ein weiteres Drittel (34 Prozent) der Händler muss gebrauchte Euro-5-Diesel mit 30 bis 50 Prozent Rabatt losschlagen. 32 Prozent der Befragten geben Nachlässe von 10 bis 30 Prozent an. Nur ein Prozent der Betriebe sieht keine Einschränkungen beim Verkauf.

Selbst mit dem Vertrieb von Fahrzeugen der aktuellen Schadstoffnorm Euro 6 tun sich die Handelsbetriebe extrem schwer. 76 Prozent der Händler halten einen Verkauf derzeit für kaum oder gar nicht möglich. Jeder zweite von ihnen hofft nun auf Fahrzeuge der modernsten Schadstoffnormen Euro 6d und Euro 6d-TEMP. Sie haben einen niedrigen Stickoxidausstoß und wären von Dieselfahrverboten nicht betroffen. Allerdings bieten die Hersteller bislang kaum Fahrzeuge dieser Schadstoffklasse an. 24 Prozent der Befragten hoffen darauf, dass sich das Geschäft mit den Euro-6-Dieseln wieder normalisieren wird.



Die Ergebnisse der Umfrage scheinen im krassen Widerspruch zu den Angaben der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) mit ihrer Schwacke-Liste zu stehen. DAT ist der führende Gebrauchtfahrzeug-Bewerter in Deutschland. Gesellschafter sind der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) und der ZDK. Laut DAT Diesel-Barometer betrugen im Januar die Restwerte gebrauchter Benziner 58 Prozent des Listenneupreises, die gebrauchten Diesel lagen bei 54 Prozent. Die vergleichsweise geringen Abweichungen ergeben sich aus der Erhebungsmethode. So liegen etwa den DAT-Werten Befragungen zugrunde, die vor rund einem halben Jahr durchgeführt wurden. Den Preisverfall nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über Dieselfahrverbote, das Ende Februar verkündet wurde, können die DAT-Werte damit noch nicht abbilden.

Experte rechnet mit Wertminderung in Milliardenhöhe

Auf Basis der ZDK-Umfrage hat Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, den Schaden des Preisverfalls für die Handelsbetriebe der Autohersteller (Markenhandel) errechnet. Laut Dudenhöffer wurden 2017 rund eine Million Diesel-Pkws mit einem Durchschnittspreis von 16.800 Euro über den Markenhandel vertrieben. „Bei konservativer Annahme von zehn Prozent Wertminderung inklusive erhöhte Lagerkosten hat der Markenhandel im letzten Jahr 1,7 Milliarden Euro Verluste durch Dieselgate geschrieben“, sagt Dudenhöffer. Für die Jahre 2018 und 2019 prognostiziert Dudenhöffer weitere Verluste von 2 und 1,5 Milliarden Euro. Dabei handle es sich um eine vorsichtige Prognose. „Geht man von den Einschätzungen der befragten Händler aus, wird sich der Verlust auf rund zehn Milliarden Euro verdoppeln.“

Sinkende Restwerte von Dieseln treffen neben Kunden und Autohändlern auch Leasinggesellschaften, Autovermieter, Unternehmen mit großen Autoflotten und Autobanken, die Leasinggeschäfte finanzieren. Leasinggesellschaften und Autobanken wälzen das Restwert-Risiko aber häufig auf den Autohandel ab. Sie vereinbaren mit den Händlern einen festen Rückgabepreis zum Ende des Leasingvertrags. Zu diesem Preis müssen die Händler die Fahrzeuge dann zurücknehmen, auch wenn der Marktpreis längst viel niedriger sein sollte.

Händler sind bei Leasing-Rückläufern im Risiko

Laut ZDK haben die Händler die bei den Restwerten von Leasing-Fahrzeugen „die Hauptlast zu tragen“. Auch Dudenhöffer sagt, dass Leasingfirmen den Wertverlust „häufig zu 100 Prozent an den Handel weitergeben“. Gerade durch die Rückläufer aus Leasingverträgen sei der Autohandel nun massiv bedroht: „Bei üblichen Laufzeiten von drei Jahren kommen jetzt die Diesel aus dem ersten Jahr des Dieselskandals, also 2015, in den Handel zurück. Damals wurden viel höhere Restwerte angesetzt.“ Wenn die Händler nun zu deutlich niedrigeren Preisen weiterverkaufen müssten, könnte das etlichen Betrieben wirtschaftlich das Genick brechen.

In den 2017er-Bilanzen der Autohändler werde sich „ein roter Streifen durchziehen“, sagt Dudenhöffer: „Um mehr als fünf Milliarden Euro wird den Markenhändlernetzen in Deutschland in den nächsten Jahren Eigenkapital und Liquidität entzogen. Man muss davon ausgehen, dass die Sparkassen und Banken ihre Linien für Autohändler glatt stellen. Eine gefährliche Schieflage vieler Autohäuser wird der Effekt sein.“

Der beste Ausweg für den Handel sei die Ausrüstung von schmutzen Dieseln mit einer zusätzlichen Abgasreinigung, die sogenannte Hardware-Nachrüstung, sagt Dudenhöffer. Damit seien die Diesel nicht mehr von Fahrverboten betroffen und es könnten viele Fahrverbote verhindert werden, weil die Luft in den Städten besser wird. „So wird die Dieseldebatte zumindest auf längere Sicht beendet, der Preisverfall der Gebrauchten verlangsamt und wir würden langsam wieder auf normale Verhältnisse zusteuern“, so Dudenhöffer.

Auch der ZDK fordert Politik und Hersteller zu schnellen Handware-Nachrüstungen auf. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer müsse seinen ersten Ankündigungen, ernste Gespräche mit den Herstellern zu führen, jetzt schnell Taten folgen lassen, heißt es beim ZDK. „Wir brauchen dringend eine Nachrüst-Verordnung für ältere Diesel mit bereits erfolgreich erprobten Hardware-Systemen“, so ein Sprecher des Verbandes. Die Autohersteller seien „moralisch in der Pflicht, sich an Finanzierung der Hardware-Nachrüstung zu beteiligen.“

Darüber hinaus sei es unabdingbar, mit den Vertretern der Händlerverbände „sehr schnell tragfähige Lösungen für die extrem hohen Belastungen der Händler zu schaffen, um eine Pleitewelle im Automobilhandel zu verhindern.“ Bereits im Jahr 2017 stieg laut ZDK die Zahl der Insolvenzen im Kfz-Gewerbe um rund zehn Prozent. Die Zahl der markengebundenen Betriebe seit um drei Prozent zurückgegangen. Es sei zu befürchten, dass sich diese Trends fortsetzen und eher noch beschleunigen.

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