Umstellung der Werke Mercedes führt den Industrie-Baukasten ein

Volkswagen hat mit dem Modularen Querbaukasten das Lego-Prinzip in der Autoproduktion eingeführt. Mercedes geht einen Schritt weiter - und vereinheitlicht mit Industrie-Baukästen seine Werke weltweit.

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Daimler investiert in deutsche Mercedes-Werke Quelle: dpa

Jedes Mercedes-Benz-Werk rund um den Globus soll künftig zwischen 300.000 und 400.000 Einheiten produzieren. "Das ist eine beherrschbare Größe, bei der der Werksleiter auch noch die Chance hat, die Leute am Band persönlich zu kennen." Was Mercedes-Benz-Produktionsvorstand Markus Schäfer an diesem Morgen in Sindelfingen präsentiert – nur knapp 12 Stunden nach der Vorstellung des neuen Sportwagens AMG GT – soll zusammenbringen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört.

Vereinheitlichung, Standardisierung, Effizienz heben und Produktionsabläufe beschleunigen: Das soll durch sogenannte Industriebaukästen geschehen. Alle Mercedes-Benz-Werke sollen mit einheitlichen Maschinen und Anlagen bestückt werden. Das bedeute auch, dass die Fertigungstiefe überall gleich sein müsse. Was Volkswagen mit dem Modularen Querbaukasten begonnen hat – die großangelegte Standardisierung der Automobilproduktion, um Millionen an Kosten zu sparen und die Produktion zu flexibilisieren –, hebt Mercedes mit diesem Lego-Prinzip der standardisierten Industrieanlage auf eine neue Stufe.

Das Ziel bleibt das gleiche: Kostenersparnisse durch Skaleneffekte, Flexibilisierung der Produktion, um möglichst viele unterschiedliche der bald schon an die 40 Baureihen vom selben Band laufen lassen zu können. Gleichzeitig will Schäfer die Werke wieder menschlicher machen. "Wir haben den Zenit der Automatisierung überschritten."

Mehr Menschen als Maschinen

An der einen oder anderen Stelle, an der man heute Maschinen einsetze, werde man in Zukunft wieder Mitarbeiter aus Fleisch und Blut sehen. Es seien schließlich die Menschen und ihr Input, der einen Hersteller vom anderen unterscheide und nicht die Maschinen, die jeder einkaufen könne. "Die Industrie dachte, mit mehr Automatisierung rette ich den Standort Deutschland. Das stimmt nur zum Teil. Anlagen sind eher dumm. Menschen sind intelligent. So können wir unser Flexibilisierung aufrecht erhalten." Das habe man in den USA bereits gemacht.

Das bedeute auch, dass die Führungskräfte wieder besser ansprechbar für die Mitarbeiter sein sollen, um ihre Ideen und Anregungen für Verbesserungen aufzunehmen. "Die Führungskräfte müssen wieder näher an die Produktionslinie", forderte Schäfer.

Sparprogramme der deutschen Autobauer

In Deutschland investiert Mercedes drei Milliarden Euro in seine deutschen Werke. Allein im Werk Sindelfingen wird über eine Milliarde Euro für zukünftige Fahrzeuge investiert. Eine weitere Milliarde fließt in das Stammwerk Untertürkheim, unter anderem um die Motorenproduktion zu erweitern. 750 Millionen Euro gehen an das Werk Bremen, wo unter anderem die C-Klasse gebaut wird. Auch ins Kompaktwagenwerk Rastatt investiert Daimler. Dort wird die B-Klasse Electric Drive in die Serienfertigung integriert.

Man komme aus einer Welt, in der einzelne Werke weitgehend autonom agiert hätten. "Nun ordnen wir die Fertigung nach Produktarchitekturen – unabhängig vom Standort", erklärt Schäfer. Jedes Fahrzeug einer Architektur greift demnach auf denselben Baukasten für Module und Komponenten zurück.

Das sind die leistungsstärksten Autobauer
Platz 16: PSA Peugeot CitroënSeit zehn Jahren erstellt das Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule Bergisch-Gladbach den „Automotive Performance Index“, kurz API. Auf Basis von elf Indikatoren werden die 16 globalen Autobauer in den Bereichen „Finanzen“, „Markt“ und „Innovationskraft“ verglichen. Aus dem daraus erstellten Index lassen sich Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Konzerne ziehen – und das sieht bei PSA derzeit nicht gut aus. Besonders bei der finanziellen Performance und den Markterfolgen muss sich der Verbund von Peugeot und Citroën ganz hinten anstellen. Mut macht aber die Innovationskraft, hier liegen die Franzosen deutlich vor den direkten Wettbewerbern. Positiv: Aus der angelaufenen Kooperation mit Dongfeng (im Bild die chinesische Produktion) und der sich daraus ergebenden Stärkung in Fernost sowie den umfangreichen Restrukturierungen kann PSA allerdings den Anschluss an die Mitbewerber finden. Quelle: dpa
Plätze 15 bis 12Vor PSA drängelt sich ein dichtes Feld der sogenannten „Low Performern“, bestehend aus Suzuki (12), Mazda (13), Renault (14) und Mitsubishi (15). Besonders die kleinen japanischen Hersteller zeichnen sich durch eine gewisse Konstanz aus, wenn auch auf niedrigem Niveau: Bei ihnen sticht keines der drei untersuchten Hauptfeldern besonders hervor. Nur Renault kann, ähnlich wie PSA, eine höhere Innovationskraft aufweisen und so im Vergleich zum Vorjahr einen Platz gutmachen. Quelle: REUTERS
Platz 11: FCAHinter dem Kürzel FCA verbirgt sich nichts anderes als der italienische Fiat-Konzern, allerdings mit den eingegliederten Teilen von Chrysler. Und genau diese Teile des Konzerns sind es, die FCA noch auf dem elften Platz des Auto Performance Index halten. Die gute Marktentwicklung der US-Tochter verhindert ein Abrutschen in die Gruppe der „Low Performer“. Die schlechte finanzielle Leistung lässt nicht nur Übernahmegerüchte wie jüngst durch VW gedeihen, die niedrige Innovationskraft stellt auch keine nachhaltige Besserung der Lage in Aussicht. Wie lange sich Fiat-Chrysler noch unter den „Medium Performern“ halten kann, ist unklar. Quelle: REUTERS
Plätze 10 bis 8Wohin steuert Firmenchef Carlos Ghosn Nissan? Im API aus Konzernsicht in die falsche Richtung: Die CAM-Studie listet die Japaner nur noch auf Rang zehn, ausgerechnet die japanische Konkurrenz Subaru ist vorbeigezogen. Auf Rang 8, der letztes Jahr noch Ford gehörte, ist jetzt noch ein Japaner abgerutscht – Honda. Quelle: dpa
Platz 7: Hyundai-KiaVor einigen Jahren wurden die Koreaner noch als gefährlichster VW-Herausforderer gesehen, doch auch Hyundai-Kia muss den Jahren des Aufschwungs etwas Tribut zollen: Nach zahlreichen neuen Modellen ist die Innovationsstärke zuletzt gesunken, ebenso die Arbeitsproduktivität. Auch kann Hyundai das hohe Absatzwachstum der letzten Jahre nicht halten und entwickelt sich nur mit dem Markt, was aber immer noch ein Plus von sechs Prozent bedeutet. Mit Rang sieben sind die Südkoreaner allerdings auf den schlechtesten API-Rang der letzten Jahre abgerutscht (2011/12= Rang 4; 2012/13: Rang 5). Quelle: REUTERS
Platz 6: General MotorsNoch hat sich das Rückruf-Debakel nicht spürbar auf die Performance von General Motors ausgewirkt, nach wie vor belegt GM Rang sechs. Damit liegen die Amerikaner weiter in der Gruppe der „Medium Performer“ – angesichts der Millionen-Rückrufe nicht schlecht, der Anschluss an Volkswagen und Toyota gerät so aber immer mehr in Gefahr. Quelle: dpa
Platz 5: FordFord gehört zu den größten Gewinnern des API 2014. Der Konzern konnte gleich drei Plätze gutmachen und wird jetzt auf Rang fünf gelistet. Grund für den größten Zuwachs des Rankings ist das Absatz-Plus in China, womit sich Ford an GM und Hyundai vorbeischieben kann. Quelle: dpa

In diesem Zug werden auch die Posten der klassischen Werksleiter abgeschafft. In der neuen Struktur gibt es sogenannte Standortverantwortliche, die an die Leiter der jeweiligen Produktionsarchitektur berichten. Das Produktionsnetzwerk der Modelle mit Heckantrieb (S-, E- und C-Klasse) verantwortet künftig Andreas Kellermann – bisher Werksleiter in Bremen. Für die weltweite Kompaktwagen-Produktion mit Frontantrieb (A, B, CLA, GLA sowie künftig CLA Shooting Brake) ist Michael Göbel zuständig, der zuvor die Roadster-Produktion im Werk Bremen leitete.

Die Produktion der SUV (M, R, GL und G-Klasse) sowie der Sportwagen (SL, SLK) verantwortet Jason Hoff, zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben als Präsident und CEO des US-Werks Tuscaloosa, in dem die SUV-Modelle vom Band laufen. Peter Schabert, der seit 2010 die globale Powertrain-Produktion verantwortet, behält diese Funktion.

Die neue C-Klasse ist das erste Fahrzeug, das in vollem Umfang nach diesem Prinzip produziert wird. Die Fertigung der volumenstärksten Baureihe ist innerhalb von nur sechs Monaten auf vier Kontinenten angelaufen. Bis zum Jahr 2020 wollen die Schwaben zusätzlich zwölf Modelle ohne Vorgänger auf den Markt bringen.

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