US-Abgasskandal Ermittler nehmen Audi in den Fokus

Am Mittwochmorgen haben Staatsanwälte mehrere Büros bei Audi durchsucht, während nebenan Audi-Chef Stadler die Jahresbilanz vorstellte. Ermittler wollen wichtige Unterlagen im Fall des US-Abgasskandals sichern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Audi-Chef Rupert Stadler auf der Jahreskonferenz am Tag der Razzien. Quelle: REUTERS

Audi-Chef Rupert Stadler verzieht keine Miene. Auf seiner Stirn glänzt kein Tropfen Schweiß. Souverän gibt er mehreren TV-Teams Interviews - und tut so, als ob er alle Fragen beantwortet. Allein: Das macht er nicht. „Wir kooperieren vollumfänglich“, wiederholt er gebetsmühlenartig. Doch dieses „Business as usual“, das Stadler vorspielt, gibt es nicht mehr in der Audi-Welt.

Gegen sieben Uhr sind an diesem Morgen die Ermittler der Staatsanwaltschaft München II vorgefahren. Um viertel nach sieben dann, erzählt Stadler am Rande der Jahrespressekonferenz in kleiner Runde, sei er dann informiert worden. Da saß er noch im Auto, auf dem Weg ins Büro. Auch am Mittag weiß Stadler immer noch nichts Genaues. „Ich bin zwar multitaskingfähig, aber ich habe mich jetzt auf unsere Jahrespressekonferenz konzentriert“, sagt er. „Ich versuche mit diesen Dingen sehr, sehr rational umzugehen.“

Und obwohl auch private Wohnungen durchsucht worden sein sollen, habe er bis zu seiner Abfahrt keine Ermittler bei sich zuhause gesehen, sagt Stadler. Seine Frau habe ihn bislang auch noch nicht angerufen.

Die wichtigsten Eckdaten aus der VW-Konzernbilanz 2016

Und so ist es kein Wunder, dass Stadler seine Jahrespressekonferenz am Mittwoch professionell über die Bühne gebracht hat. „Trotz der Tagesaktualität würde ich mir wünschen, dass wir auf das vergangene Geschäftsjahr schauen“, sagt Stadler zur Eröffnung der Bilanzpressekonferenz. Die Tagesaktualität, damit meint er die Razzien der Staatsanwaltschaften München und Stuttgart in den Audi-Standorten Ingolstadt und Neckarsulm und sieben weiteren Orten. In Ingolstadt wurde auch das Vorstandsgebäude von den Ermittlern durchsucht, auch in Wolfsburg gab es eine Durchsuchung.

Man „kooperiere vollumfänglich“ mit den Behörden, sagte ein Audi-Sprecher noch, „da wir selbst großes Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts haben“. Danach versuchten sich die Ingolstädter im „Business as usual“ – und den Blick auf andere Themen zu lenken. „Das vergangenen Jahr war zweifelsfrei eines der herausforderndsten in der Geschichte von Audi“, begann Stadler seine Rede. „Denken Sie an das Thema Diesel, zum Teil turbulente Märkte und Währungen und die globalen politischen Rahmenbedingungen.“

Die unglückliche Terminkollision von Razzia und Jahrespressekonferenz soll von Seiten der Behörden nicht mehr vermeidbar gewesen sein, weil die Ermittler erst Anfang dieser Woche von dem Termin der Pressekonferenz erfahren haben sollen – die Planungen waren zu diesem Zeitpunkt schon zu weit fortgeschritten.

Stadler spricht über den Stand der Rückrufe bei Vier- und Sechszylinder-Dieseln, neue Compliance-Strukturen und Änderungen in der technischen Entwicklung. „Der Weg des Aufarbeitens ist noch lange nicht abgeschlossen“, so der Audi-Chef. „Wir bleiben dran, bis diese Arbeiten erledigt sind – mit der Hartnäckigkeit, die unser Unternehmen auszeichnet.“

Neue Dimension im Abgasskandal

Den Staatsanwälten ist das aber offenbar nicht genug. Die Staatsanwaltschaft München II hatte bereits vor einigen Wochen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Betrugs und strafbare Werbung eingeleitet. Die Ermittlungen im Fall Audi richten sich aber noch gegen Unbekannt und nicht gegen einzelne Manager oder Ingenieure.

Im Kern lautet der Vorwurf, dass Audi eine ähnliche Manipulationssoftware bei den von den Ingolstädtern entwickelten 3.0-TDI-Motors installiert und in den USA verkauft hätten. Die Geschäfte in Europa sind nicht betroffen. Ähnlich hatten auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig bei Volkswagen begonnen, doch inzwischen gibt es mehrere Beschuldigte, es wird sogar gegen Vorstandsmitglieder ermittelt.

So weit ist es bei Audi noch nicht. Doch es scheint nur eine Frage von Wochen oder Monaten zu sein, bis die Staatsanwälte konkretere Vorwürfe formulieren. Intern hatte sich Audi bereits von mehreren Managern getrennt, unter anderem der frühere Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg und später auch von seinem Nachfolger Stefan Knirsch – beide waren in der Verantwortung, über konkrete Vorwürfe oder Verfehlungen ist bislang aber wenig bekannt.

Auch Ulrich Weiß, früher Leiter der Dieselmotorenentwicklung bei Audi, wurde im November 2015 nach dem Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe bei den von Audi entwickelten 3.0-TDI-Motoren beurlaubt und später entlassen. In dem folgenden Prozess vor dem Arbeitsgericht Heilbronn belastete Weiß Stadler schwer – so soll der Audi-Chef bereits 2012 informiert gewesen sein und nichts unternommen haben.

Eine vom Audi-Aufsichtsrat beauftragte Anwaltskanzlei hat die Vorwürfe nach eigenen Ermittlungen zwar als unzutreffend bezeichnet – woraufhin der Aufsichtsrat unter Vorsitz von VW-Chef Matthias Müller Stadler das Vertrauen aussprach. Darauf berief sich Stadler auch am Mittwoch, „mehr gebe es dazu nicht zu sagen“. Aus dem Schneider ist Stadler damit aber noch nicht, jetzt übernehmen die Staatsanwälte.

Für den Volkswagen-Konzern erreicht der Abgasskandal damit eine neue Dimension. Die strafrechtlichen Ermittlungen hatten sich bislang auf die Konzernzentrale und die Entwicklung der Marke VW gerichtet. Dabei war es nur eine Frage der Zeit, wann sich der Fokus der Staatsanwälte auch nach Ingolstadt richtet. Die Sechszylinder-Diesel von 83.000 in den USA verkauften Fahrzeuge von VW, Porsche und Audi wurden von den Ingolstädtern entwickelt, gebaut und ausgeliefert.

Dass die Münchner Ermittler nun erst im März 2017 aktiv wurden, liegt offenbar an den Ermittlungen in den USA: Als die dortigen Ermittler zusammen mit VW ein „Statement of Facts“ zum aktuellen Erkenntnisstand veröffentlichten, wurden auch konkrete Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Audi AG erhoben – unter anderem die Entwicklung des „Defeat Device“ für die US-Motoren sowie die Vernichtung von Akten.

„Das Statement of Facts enthält gewichtige und relevante Erkenntnisse zum Gesamtkomplex 'Abgasaffäre-Audi', die derzeit analysiert und einer abschließenden rechtlichen Bewertung zugeführt werden“, erklärte die Staatsanwaltschaft München II kürzlich auf Anfrage der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Rechtshilfegesuchen an die US-Kollegen soll aber ohne Antwort geblieben sein..

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%