Valeo-Deutschland-Chef "Wir gehen unseren eigenen Weg"

Der Deutschland-Chef des französischen Zulieferers Valeo über die jüngsten Zukäufe Peiker und Spheros, die "Sahnestückchen" im deutschen Mittelstand und die immer stärker werdende chinesische Konkurrenz. Ein Interview.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ein Prototyp eines selbstfahrenden Autos von Valeo. Quelle: REUTERS

In Frankreich ist Valeo ein Industrieriese, so bekannt wie hierzulande Bosch. In Deutschland sind die Franzosen, obwohl seit vielen Jahren mit den deutschen Autoherstellern dick im Geschäft, noch weniger bekannt. Das ändert sich allerdings nach und nach. Denn immer öfter taucht der Name in Zusammenhang mit Neuheiten bei Oberklasse-Fahrzeugen wie etwa LED-Matrixscheinwerfern oder Fahrassistenzsystemen auf.

Kurz vor Weihnachten gab Valeo bekannt, sowohl den hessischen Mittelständler Peiker (310 Millionen Euro Umsatz, 1000 Mitarbeiter im In- und Ausland), als auch den bayerischen Weltmarktführer Spheros (250 Millionen Euro Umsatz, 1100 Mitarbeiter) übernehmen zu wollen. Mit Peiker baut Valeo seine Angebotspalette im Bereich Konnektivität aus. Die Hessen gelten als führend im Bereich Bord-Telematiksysteme. Mit Spheros ergänzt Valeo seine Klimatechniksparte. Der Betrieb aus Gilching bei München ist Weltmarktführer im Bereich Klima- und Lüftungssysteme für Omnibusse.

zur Person

WirtschaftsWoche: Herr Ziems, mit der Übernahme von Peiker und Spheros ist die Zahl der Valeo-Mitarbeiter in Deutschland auf einen Schlag um knapp 900 auf 5400 gestiegen. Wie viele sollen in diesem Jahr noch dazu kommen?
Alexander Ziems: Wenn die Übernahmen von den Behörden abgesegnet wurden – wir rechnen damit im zweiten Quartal – steht die Integration dieser Mitarbeiter im Fokus. Spheros wie Peiker stärken und ergänzen uns, sind strategisch wichtig. Weitere Akquisitionen sehe ich derzeit nicht. Wir wollen qualitativ wachsen, das hängt nicht von der Anzahl der Mitarbeiter ab. Aber wir stellen kontinuierlich etwa 150 Ingenieure pro Jahr in Deutschland ein.

Valeo unterhält fünf Werke und sechs Forschungseinrichtungen in Deutschland. Bleibt es dabei oder brauchen Sie bald mehr?
Wenn wir alle Standorte – also Montage, Produktion, Forschung und Entwicklung sowie Vertriebsstützpunkte und so weiter dazuzählen – unterhalten wir sogar einige mehr. 2015 haben wir mit der Montage für Frontendträger an zwei deutschen Standorten begonnen. Dazu kommen Forschungs- und Entwicklungsstandorte sowie Verwaltung und Vertriebsstützpunkte. Wir haben einen Kälte- und Klimawindkanal in Hockenheim, nicht zu vergessen unsere Kollegen für den Bereich des Ersatzteilgeschäfts in Ratingen  bei Düsseldorf – um nur einige Beispiele zu nennen.

Besonders wichtig ist uns die Forschung und Entwicklung im Bereich autonomen Fahrens. Die Zentrale hierfür ist in Bietigheim-Bissingen. Den dort eben fertiggestellten Neubau müssen wir tatsächlich gleich wieder um drei Stockwerke aufstocken, um alle dann 1000 Ingenieure dort unterzubringen.

Alexander Ziems ist Deutschland-Chef von Valeo. Quelle: Presse

Sie rücken Bosch und Continental auf den Pelz...
Wir gehen unseren eigenen Weg. Natürlich stehen wir beim Thema autonomes Fahren im direkten Wettbewerb. Wir haben einen Know-how-Vorsprung und um den zu halten, müssen wir intensiv weiter daran arbeiten. Der Return wird noch einige Jahre auf  sich warten lassen. Wir gehen hier mit unseren intensiven F&E Aktivitäten ganz schön in Vorleistung.

Das müssen Sie genauer erklären.
Manches Produkt, das wir heute entwickeln, wird erst 2020 in Serie gehen. Meist kommen hochwertige Sensoren zunächst in Oberklassefahrzeugen mit geringeren Verkaufszahlen zum Einsatz. Bis sich die Entwicklung über die Stückzahlen rechnet, dauert es also.

Über Valeo

Ist das bei anderen Technologien anders?
Ja. Bei einer Klimaanlage etwa machen sie nicht diese riesigen Entwicklungssprünge wie bei der Sensorik. Lasertechnologie, Radartechnologie, die Kombination von verschiedenen Sensoren sind hochkomplexe Teile, die es so auf dem Markt noch gar nicht gibt. Sie brauchen Jahre bis sie so etwas entwickelt haben. Sie brauchen eine große Mannschaft, die sich teilweise mit noch nicht vorhanden Technologien überlegen muss, wie sie Sensoren für das autonome Fahren entwickeln kann, die unter allen Umstände zuverlässig funktionieren. Diese Aufwendungen sind sehr viel höher als für ein klassisches Produkt wie einen Scheibenwischer zum Beispiel.

Also ist die Sensorik beziehungsweise das autonome Fahren wirtschaftlich für Sie ein höheres Risiko?
Wir glauben alle fest daran, dass das autonome Fahren kommen wird. Man muss nur den Atem haben, durchzuhalten bis es sich auszahlt. Manchmal braucht man dazu – siehe Peiker – aber vielleicht einen Partner, der einem dabei hilft.

"Wir sind mit China nicht unzufrieden"

Im Jahr 2014 Jahr trug das Geschäft mit deutschen Kunden etwa 30 Prozent zum Konzernumsatz von rund 13 Milliarden Euro bei. Welches Ziel haben Sie sich für 2016 gesteckt?
Wir waren 2015 einer der am schnellsten wachsenden Zulieferer weltweit. Das wollen wir auch 2016 schaffen. Wir werden mit Sicherheit schneller wachsen als der Markt – organisch, also auch ohne Zukäufe. Vor allem in den Kernbereichen des autonomen Fahrens und der Einsparung von Kohlendioxid, sehen wir uns hervorragend aufgestellt. Wir investieren immerhin zehn Prozent unseres Umsatzes aus dem Geschäft mit den Autoherstellern in Forschung und Entwicklung. Das ist sehr viel und soll unsere Wettbewerbsfähigkeit für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, sicherstellen.

Wie konnten Sie sich 2015 in den einzelnen Regionen behaupten? Kam es zu größeren Verwerfungen?
Größere Verwerfungen kann ich hier nicht erkennen. Brasilien bereitet uns etwas Kopfschmerzen. Das trifft nicht nur auf uns, sondern natürlich auf alle vor Ort produzierende Unternehmen zu. Russland läuft bekanntermaßen schlecht, aber dort sind wir nicht so stark vertreten. Volkswagen hat in China 2015 nicht das erreicht, was sich der Konzern vorgenommen hatte – das trifft uns auch. Unzufrieden sind wir dennoch nicht, weil wir stark auf die chinesischen Hersteller gesetzt haben und die verkaufen derzeit sehr gut. 

Werden die chinesischen Hersteller zur ernsthaften Bedrohungen für Volumenhersteller wie Volkswagen?
VW ist in einem Marktsegment aktiv, das von den chinesischen Herstellern massiv attackiert wird. Ich denke, das liegt weniger an der Modellpalette, sondern viel mehr an den Preisen. Wir sehen einen Trend zu "buy chinese", das wird sich unter Umständen künftig auf die Wirtschaft auswirken.

Die größten deutschen Autozulieferer

Beunruhigt Sie das?
Nein, wir haben keine so große Abhängigkeit von den westlichen Herstellern wie vielleicht mancher unserer Wettbewerber. Wir haben über Jahre gute Beziehungen zu Herstellern wie Gheely oder Great Wall aufgebaut. Das zahlt sich nun aus.  Außerdem behaupten sich beispielsweise die deutschen Hersteller im internationalen Vergleich gesehen weiterhin sehr gut und sind offenkundig im globalen Wettbewerb gut aufgestellt.

Nach den jüngsten Übernahmen, welche Technologien hätten Sie gerne noch unter dem eigenen Dach?
Wenn überhaupt, suchen wir dort nach Verstärkung wo sich optimale Synergien für uns und die aufgekauften Unternehmen ergeben. Aber unser Fokus liegt auf organischem Wachstum. Das gelingt uns sehr erfolgreich, wie wir in den zurückliegenden Jahren bewiesen haben.

Womit die Zulieferer zu kämpfen haben

Auch der kanadisch-österreichische Zulieferer Magna hat sich voriges Jahr mit dem Kauf eines deutschen Mittelständlers, dem Getriebespezialisten Getrag verstärkt. Sind deutsche Betriebe generell interessantere Akquise-Kandidaten?
In Deutschland haben wir eine ganze Menge mittelständischer Unternehmen mit speziellem, sehr wertvollem Know-how. Die kann man durchaus als Sahnestückchen bezeichnen. Und viele der globalen Unternehmen haben genau daran ein ausgeprägtes Interesse.

Zuliefererindustrie – Fakten und Trends

In welchem Land sehen Sie derzeit die größte Expertise für Zukunftstechnologien wie automatisiertes Fahren und vernetzte Dienste im Auto?
Ich sehe Deutschland in einer Vorreiterrolle. Die deutschen Autobauer sind in diesem Bereich aufgrund ihrer Modellpalette und Kundenstruktur die Treiber. Auch durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur sind hier gute Voraussetzungen vorhanden. Ein gutes Beispiel ist Daimler mit der E-Klasse. Valeo ist einer der Weltmarktführer im Bereich Fahrassistenzsysteme. Erst kürzlich haben wir auf der Elektronikmesse CES  in Las Vegas unser Modell 'Cruise4U' vorgestellt. Das ist ein Fahrzeug, das autonom fahren kann, zum Beispiel auf Autobahnen, in Stausituationen oder im Berufsverkehr. Je nach Verkehrslage kann der Fahrer frei wählen, ob er lieber selbst fährt oder sich sicher und bequem fahren lässt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%