Der Ausgang des Machtkampfs zwischen Volkswagen und den beiden Lieferanten aus Sachsen zeigt, dass die Kräfteverhältnisse in der Branche in Bewegung geraten sind. Die Übermacht der Autohersteller gegenüber ihren Lieferanten bröckelt. Große Konzerne wie VW können ihren kleineren Partnern aufgrund der Einkaufsmacht zwar weiterhin vieles diktieren. Der Fall der Prevent-Gruppe zeigt, dass das etablierte und einseitige Machtgefüge zwischen den Autobauern und ihren Zulieferern wackelt.
Im Verband der Automobilindustrie (VDA) sind beide Seiten vertreten. Wie der Verband mit den unterschiedlichen Interessengruppen umgehen will, erklärt Geschäftsführer Klaus Bräunig im Interview.
WirtschaftsWoche: Der VDA vertritt sowohl Autohersteller als auch Autozulieferer. Wie kann der VDA beide Interessengruppen glaubhaft vertreten?
Klaus Bräunig: Wesentliche Grundlage für den Erfolg der deutschen Automobilindustrie ist die enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern, die unter dem Dach des VDA organisiert sind. Der VDA bietet eine Plattform für den Austausch und das offene Wort. Bereits im Jahr 2001 hat der VDA mit seinen Mitgliedsunternehmen „Grundsätze zur Partnerschaft zwischen den Automobilherstellern und ihren Zulieferern“ formuliert. „Gemeinsam zum Erfolg“ heißt der Titel dieser Grundsätze. Diese müssen immer wieder neu mit Leben gefüllt werden. Deshalb entwickeln wir immer wieder neue Initiativen für diesen Dialog.
Wäre es nicht an der Zeit, einen eigenen Interessenverband für die Zulieferer auszugliedern, damit ein echtes Gegengewicht zu den Herstellern entsteht?
Bei allen Auseinandersetzungen zwischen unseren Herstellern und Zulieferern sind sich unsere Mitglieder einig darin, zusammen im VDA die Wertschöpfungskette zu optimieren und die Zusammenarbeit gemeinsam zu verbessern. Gemeinsame Projekte in Logistik, Qualität, Standardisierung und Normung sind Ergebnisse dieser erfolgreichen Zusammenarbeit. Deshalb sind auch die deutschen Töchter internationaler Zulieferer – von Michelin bis Delphi, von Faurecia bis Federal Mogul – mehr denn je im VDA aktiv.
Unsere Nachbarländer diskutieren, wie sie diese – keineswegs immer harmonische – Zusammenarbeit in einem Verband adaptieren könnten. Das Spannungsverhältnis zwischen Herstellern und Zulieferern aufgrund des harten internationalen Wettbewerbs lässt sich eben nicht durch getrennte Organisationen auflösen. Das sehen wir an Organisationen in und außerhalb Deutschlands, die keinen Zugang zu den OEM in ihrer Mitgliedschaft zur Verfügung stellen können. Wir erreichen mehr in einem VDA. Beide, Hersteller und Zulieferer, brauchen einander und den gemeinsamen Dialog. Dazu passt das Dach des VDA sehr gut.
Welche Auswirkungen wird der Vorfall auf die Arbeit und die Organisationsform des VDA haben?
Das Zusammenspiel zwischen Herstellern und Zulieferern bleibt ein Kernthema des VDA. Wir haben mehrere Gremien, die sich um Themen und Trends dieser Zusammenarbeit kümmern. Ich bin sicher, dass wir – im kartellrechtlich zulässigen Rahmen – mit den Mitgliedern über den Vorfall diskutieren werden. Die ungewöhnliche Konstellation dieses Falles lädt aber nicht zu voreiligen Rückschlüssen über eine andere Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern ein. Ungewöhnlicherweise sind diese Zulieferer nicht Mitglied im VDA. In der letzten Dekade ist der VDA durch die Zulieferer in seiner Mitgliederzahl gewachsen.
In der Praxis kommt es immer wieder zu Vorfällen, die sich nicht mit dem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ decken. An wen können sich gerade auch mittelständische Zulieferer im VDA wenden, um sich gegen einen Autobauer zur Wehr zu setzen?
Der Wettbewerb ist hart, die Realität bunt, für viele Verhaltensweisen in dieser weltweit wohl effizientesten Lieferkette finden Sie manche Beispiele. Wir tragen Lob und Tadel von Zulieferern – meist gebündelt – zu den Einkaufschefs, und umgekehrt deren Erwartungen an die Lieferanten. Das findet regelmäßig statt unter Beachtung und im Rahmen der Compliance. Beide Seiten schätzen das. Keine Seite unserer Mitglieder erwartet, dass ein Verband individuelle Vereinbarungen im Geschäftsverkehr regelt. Deswegen hatte eine Schiedsstelle hier nie eine Chance am Markt. Das schließt nicht aus, dass sich Unternehmen im Einzelfall auf eine gemeinsame Vermittlerinstanz verständigen.
Sowohl Hersteller als auch Zulieferer wissen: Ohne Zulieferer geht gar nichts. Und wer mit seinen Forderungen überzieht, zieht am Ende doch den Kürzeren, das zeigt die Erfahrung beider Herstellergruppen. Und vergessen wir nicht: In den letzten Jahren hat die Wertschöpfung sich zugunsten der Zulieferer entwickelt, die heute mehr zum Auto beitragen als früher. Sie konnten ihre Beschäftigung um 25.000 Mitarbeiter erhöhen; die gesamte Branche hat jetzt 805.000 Stammbeschäftigte in Deutschland. Erfolg gibt es nur gemeinsam.