
Das Ziel ist fix, nur der Weg dahin ist noch unklar: 95 Gramm CO2 pro Kilometer soll ein durchschnittlicher Neuwagen im Jahr 2021 noch ausstoßen dürfen. Das hat die EU-Kommission so festgesetzt. Wie diese 95 Gramm gemessen werden – nach dem heute gültigen Fahrzyklus NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) oder dem WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure), der ab 2017 schrittweise den NEFZ ablösen soll - ist noch nicht geklärt.
Klingt banal, hat aber große Auswirkungen. Denn den Autobauern droht damit ein fundamentales Problem: Der WLTP sorgt für einen realistischeren Normverbrauch, da sein Profil deutlich dynamischer ist und mehr Beschleunigungsphasen enthält als der NEFZ. Zudem sollen im NEFZ erlaubte Schlupflöcher, mit denen die Messung beeinflusst werden konnte, ausgeschlossen werden.
Die mit dem neuen Verfahren ermittelten durchschnittlichen Verbrauchswerte der Fahrzeuge könnten bis zu 25 Prozent höher als beim bisherigen NEFZ-Messzyklus liegen. Sprich: Der WLTP wird für höhere, realitätsnähere Verbrauchswerte und damit auch für höhere CO2-Emissionen sorgen – und kommt damit de facto einer Verschärfung der Grenzwerte gleich.
Wie der neue Messzyklus realistischere Werte liefert
Getestet werden im aktuellen Verfahren NEFZ jeweils die Basismodelle eines Fahrzeugtyps – ohne gefragte Extras wie Sitzheizungen, Navis oder Klimaanlagen, die Gewicht und Verbrauch erhöhen. Der kommende Messzyklus WLTP fordert dagegen, durchschnittlich ausgestattete Fahrzeuge zu testen.
Bisher schicken die Hersteller ihre Fahrzeuge mit voll geladener Batterie in den Test und vermeiden, dass die Lichtmaschine diese im Verlauf der Testfahrt wieder auflädt und dabei Motorleistung frisst. Durch den Trick würde der Wagen im Alltag nach wenigen Kilometern mit leerer Batterie liegen bleiben; er soll künftig nicht mehr möglich sein.
Der Testzyklus NEFZ lässt Autos 26 Sekunden Zeit, um im Kriechgang von null auf 60 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Ein moderner durchschnittlicher Golf von Volkswagen ist in weniger als zehn Sekunden 100 Kilometer pro Stunde schnell. Die simulierte Autobahnfahrt dauert derzeit nur 400 Sekunden lang und endet bei 120 Kilometern pro Stunde. Dies entspricht zwar der Höchstgeschwindigkeit vieler Länder in Europa, es blendet aber aus, dass Ottomotoren bei höherem Tempo mit zusätzlichem Kraftstoff im Zylinder gekühlt werden müssen, um Motorschäden zu verhindern. Das treibt den Verbrauch bei schnelleren Autobahnpassagen steil nach oben. Der neue WLTP-Zyklus erhöht das Durchschnittstempo um 38 Prozent und die Spitzengeschwindigkeit auf 131 km/h.
Bisher steht das Messfahrzeug rund 20 Prozent des Normzyklus still – dadurch haben Spritspartechniken wie das Start-Stopp-System auf dem Prüfstand einen überproportionalen Effekt. Umso mehr, weil der städtische Fahrmodus mit viel Stop-and-go-Verkehr gegenüber anderen Fahrsituationen übergewichtet ist. In Zukunft geht der Verbrauch bei Fahrten auf Land- und Schnellstraßen sowie Autobahn gleichberechtigt in die Messung ein.
Heute begünstigt das Messverfahren Hybridfahrzeuge doppelt. Zum einen, weil sie einen kürzeren Messzyklus durchlaufen müssen – eine gut elf Kilometer lange Kombination aus Stadt- und Überlandfahrt, die sie je einmal mit Elektro- und dann mit Verbrennerantrieb durchfahren. Zum anderen, weil die elektrische Runde, in der kein Sprit verbraucht wird, mit einem Verbrauch von null Liter in die Formel eingeht. Und das, obwohl für die Produktion jeder Kilowattstunde Strom, die in der Batterie gespeichert ist, Energie aufgewandt und CO2 produziert wird. Aufgrund solcher Messmethoden schafft etwa BMWs Sportwagen i8 einen Normverbrauch von nur 2,7 Liter auf 100 Kilometer – bei 354 PS Leistung. Noch ringen Hersteller und Experten darum, wie ein realistischerer WLTP-Fahrzyklus für Hybride aussehen könnte.
Derzeit ist der Einsatz spezieller, sehr teurer Öle erlaubt, welche die Reibung und damit den Verbrauch senken. Die Hersteller nutzen sie wegen der hohen Kosten meist nicht in den Serienwagen. Auch ein besonders hoher, aber im Alltag unrealistischer Reifendruck sowie schmale Leichtlaufreifen, die den Verbrauch senken, sind zugelassen. Der WLTP-Zyklus schreibt künftig vor, den Messzyklus mit den zweitbreitesten für den Autotyp zugelassenen Reifen zu durchfahren.
Im bisherigen Testzyklus sind Temperaturen von bis zu 30 Grad auf dem Rollenprüfstand möglich. Die haben zwar wenig mit der europäischen Durchschnittstemperatur von unter zehn Grad zu tun, lassen aber die Motoren viel schneller warm werden und so weniger verbrauchen. Das für niedrige Normverbräuche günstige Hochsommerklima wird im neuen Zyklus zumindest auf maximal 23 Grad begrenzt.
Bisher können die Hersteller die im Test ermittelten CO2-Werte pauschal um vier Prozent Messtoleranz kürzen, bevor sie diese der Zulassungsbehörde melden. Auch das wird sich im neuen Zyklus ändern.
Dagegen wehrt sich die Industrie. „Als die CO2-Zielwerte für 2021 definiert wurden, hatten wir das klare Verständnis, dass eine mögliche Veränderung des Testzyklus nicht zu einer Verschärfung dieser Ziele führen darf. Das ist im Moment nicht ganz so eindeutig“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche dem Fachmagazin „Automobilwoche“. Auch Audi-Chef Rupert Stadler betonte gegenüber dem Blatt: „Wir respektieren die 95 Gramm und arbeiten uns an dieses Ziel heran, unter den damals besprochenen Rahmenbedingungen. Es ist nicht zielführend, diese Bedingungen jetzt wieder ändern zu wollen.“
Bis zu 16 Prozent Mehrverbrauch im WLTP
Das Interesse der Industrie ist klar: Ab 2021 drohen den Herstellern Strafzahlungen von 95 Euro pro Auto für jedes Gramm CO2 über dem Zielwert. Eine Schlüsselrolle kommt auch den derzeit gepushten Plug-In-Hybriden zu: Im NEFZ sind Verbräuche von 2,5 Litern oder 50 Gramm CO2 selbst bei einem großen SUV machbar. Die Grenze von 50 Gramm ist dabei besonders wichtig – sie ist maßgebend für die sogenannten Supercredits. Mit diesen können besonders sparsame Autos mehrfach auf den Flottenverbrauch angerechnet werden. Fallen diese bei einigen Modellen weg, dürften zahlreiche Hersteller das CO2-Ziel bis 2021 nicht erreichen.
Laut einer Studie des britischen Ingenieur-Dienstleisters Ricardo werden Plug-In-Hybride im WLTP je nach Größe des Fahrzeugs zwischen elf und 16 Prozent mehr verbrauchen als im NEFZ – und die gerade erreichte Marke von 50 Gramm wieder überschreiten. „Der alte Zyklus hat dem Plug-In-Hybrid massiv Vorteile verschafft, die er bei einem realsistischen Fahrprofil so nicht hat“, sagt Greg Archer von der europäischen Nichtregierungsorganisation Transport & Environment.
Sieben Spritspartipps
Das Ziel ist, flott zu beschleunigen, möglichst rasch hochzuschalten und dann mit niedrigen Drehzahlen die gewählte Geschwindigkeit beizubehalten. Nach den Erfahrungen des ADAC lassen sich mit den folgenden Tipps bis zu 30 Prozent Treibstoff sparen.
Nach dem Anfahren sofort in den zweiten Gang schalten. Mit Dreiviertelgas zügig beschleunigen und früh hochschalten.
Zurückschalten ist nicht erforderlich, solange der Motor, ohne zu ruckeln, Gas annimmt. Nach jedem Schaltvorgang ist wieder ein Tritt aufs Gaspedal notwendig – das kostet jedes Mal Sprit.
Vorausschauend fahren – jedes Bremsen vergeudet Energie. So lange wie möglich die Motorbremswirkung nutzen. Im Schiebebetrieb, etwa beim Heranrollen an eine Ampel, nicht auskuppeln. Die meisten Autos sind mit einer Schubabschaltung ausgerüstet, welche die Kraftstoffzufuhr in dieser Situation unterbricht.
Die Gangwahl beeinflusst unmittelbar den Kraftstoffverbrauch. Daher sollten Sie stets im höchstmöglichen Gang fahren. Einsparungen bis zu 20 Prozent und mehr sind nach Messreihen des ADAC möglich.
Sitz-, Fensterheizung oder Klimaanlagen ausschalten, wenn Sie sie nicht mehr benötigen. Klimaanlagen erhöhen den Verbrauch um bis zu zwei Liter pro 100 Kilometer.
Nicht mehr benötigte Getränkekisten, Dachboxen oder Fahrradträger sollten Sie aus dem Auto verbannen. Denn 100 Kilogramm Gewicht verursachen bis zu 0,3 Liter Mehrverbrauch pro 100 Kilometer, Dachgepäckträger erhöhen den Luftwiderstand.
Den Motor starten, ohne das Gaspedal zu betätigen, und sofort losfahren. Im Leerlauf verbraucht das Auto bis zu einem Liter Sprit pro Stunde. Das – verbotene – Warmlaufen schadet der Umwelt; zudem erwärmt sich das Auto nach Tests des ADAC auch gar nicht.
Im NEFZ durchlaufen Plug-In-Hybride derzeit den Testzyklus zweimal. Einmal mit randvoller, einmal mit leerer Batterie. Der Normverbrauch wird am Ende aus beiden Werten gemittelt. Da die Prüfstandsfahrt aber keine 20 Minuten dauert und übermäßiges Beschleunigen sowie Geschwindigkeiten von über 120 km/h ausschließt, schaffen einige Modelle den Durchgang mit voller Batterie fast ohne CO2-Ausstoß – was den angegebenen Normwert deutlich verringert.
Die Branche pocht deshalb auf eine Umrechnung der festgelegten Grenzwerte. So fordert VDA-Präsident Matthias Wissmann, dass der neue Zyklus eben nicht zu einer Verschärfung der CO2-Obergrenzen führen dürfe.