Volkswagen VW verliert gegen Toyota weiter an Boden

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2. Marken-Champion statt Marken-Wirrwar

Toyota verdient pro verkauftes Auto rund 1600 Euro, der VW-Konzern verdiente im ersten Halbjahr 2016, vor Zinsen, Steuern und Sonderbelastungen wie Dieselgate, nur die Hälfte. Ein Grund: VW leistet sich den Luxus von 13 Konzernmarken, die alle gehegt werden wollen, große Verwaltungsapparate haben und sich nicht selten ins Gehege kommen.

So kannibalisiert Škoda, einst als Einstiegsmarke gedacht, die Hauptmarke Volkswagen. Und worin unterscheiden sich Škoda und Seat? Bei der Antwort kommen gestandene VW-Marketingmanager ins Schwitzen. Auch die Hauptmarke Volkswagen hat zu kämpfen. Ihr bescheinigt der Konzern in einem Strategiepapier ein „inkonsistentes Markenimage“ in den Regionen der Welt.

Die Japaner dagegen kommen mit den vier Marken Toyota, Lexus (Premiumautos), Hino (Nutzfahrzeuge) und Daihatsu (Billigautos für Schwellenländer) klar, wobei die Hauptmarke Toyota klar dominiert. Die Konzentration auf einen Marken-Champion zahlt sich aus. Toyota ist die wertvollste Automobilmarke der Welt. Im angesehenen Ranking „Best Global Brands“ von Interbrand rückten die Japaner auf den fünften Platz vor. VW liegt auf Platz 40. Beste Marke des VW-Konzerns ist Audi auf Platz 38.

3. Feintuning statt Abstiegskampf

Toyota-Chef Akio Toyoda wird von einer Angst gequält: Sein Unternehmen könnte zum Dinosaurier werden, der wegen des zu schnellen Wandels seiner Umgebung ausstirbt. Deshalb hat er die Fertigung enorm verschlankt. Nie wieder soll Toyota rote Zahlen schreiben. Toyoda nennt dies „wahre Wettbewerbsfähigkeit“. Für das Tagesgeschäft brauche Toyota „eine beweglichere und autonomere Struktur“. Am liebsten will Toyoda in den Start-up-Modus zurück. Die Entwicklung intelligenter Fahrfunktionen, die im weitgehend selbstfahrenden Auto münden sollen, hat er an ein eigenes Institut in den USA vergeben. Sein Vize Didier Leroy soll den ganzen Konzern schlanker, effizienter, innovativer machen, Bürokratie abbauen und Routine bekämpfen.

VW-Chef Matthias Müller hat Ähnliches vor. Allerdings spielt er mit seiner Strategie 2025+ in einer anderen Liga. Ein VW-Mitarbeiter schafft 350.000 Euro Umsatz pro Jahr, ein Toyota-Mitarbeiter 675.000 Euro. Und alle Bemühungen für mehr Effizienz scheinen vergeblich, zumindest bei Volkswagen: „Der Produktivitätsabstand gegenüber Wettbewerbern vergrößert sich“, heißt es im VW-Strategiepapier vom Januar. Selbst Rendite-Champion Audi, der mit seinen Gewinnen den halben Konzern finanziert, schwächelte zuletzt: Der operative Gewinn (vor Sondereinflüssen wie Dieselgate) schrumpfte 2016 um knapp sechs Prozent.

Was die neuen Abgas-Tests bedeuten
WLTP Quelle: obs
Was ändert sich genau unter diesem WLTP-Zyklus?Viele Details: So dauert der Labortest zehn Minuten länger und kommt nur noch auf 13 Prozent Stillzeit. Die gesamte Zykluslänge simuliert mit 23,25 Kilometern eine mehr als doppelt so lange Strecke wie der NEFZ. Die Maximalgeschwindigkeit liegt bei 131 Stundenkilometern statt bisher 120 Stundenkilometern. Außerdem werden Sonderausstattungen für Gewicht, Aerodynamik und Bordnetzbedarf berücksichtigt. Quelle: dpa
Wie werden denn auf der Straße Emissionen gemessen? Gemessen wird mit Hilfe eines portablen Messsystems namens PEMS („Portable Emission Measurement System“). Es wird an der Rückseite des Autos am Auspuff montiert und kann so ortsungebunden die Abgase einfangen. Quelle: dpa
Wie verlässlich sind diese Messungen? Die Messung am fahrenden Auto bringt gewisse Messungenauigkeiten mit sich. Denen trage aber die Gesetzgebung mit Konformitätsfaktoren Rechnung, heißt es bei Bosch. Zu Beginn dürfen die Emissionen noch das 2,1-Fache des Grenzwerts betragen. Von Januar 2020 ist nur noch die Messtechniktoleranz von 50 Prozent des Grenzwerts vorgesehen. Quelle: dpa
Sind dank RDE Unterschiede zwischen Labor und Realität Vergangenheit? Zumindest nähert man sich an: De facto würden Abweichungen von Abgaswerten zwischen Labor und Straße definitiv ausgeschlossen, heißt es beim VDA. Allerdings, warnt man beim ADAC, könne es auch hier im alltäglichen Betrieb zu Abweichungen kommen, da auch im RDE-Messverfahren nicht jede Fahrweise eines jeden Autofahrers abgedeckt werde. Quelle: dpa
Wie sieht es mit den neuen Labortests aus? Ziel der neuen Testmethoden im Labor ist es, realitätsnähere Kraftstoffverbräuche darzustellen. Erste Studien prognostizieren laut ADAC, dass durch die neuen Methoden die bisherige Lücke zwischen Messungen im Labor und auf der Straße halbiert werden könnte. Das genaue Ausmaß der Verbesserung ist derzeit jedoch schwer einzuschätzen, weil die neuen Vorgaben noch nicht gelten. Allerdings werden die Verbraucher sich auch darauf einstellen müssen, dass die Test zu höheren Normverbrauchswerten führen. Quelle: dpa
Muss ich mein Auto jetzt umrüsten? Nein: Die neuen Tests gelten nur für neue Fahrzeugmodelle. Autos, die bereits im Verkehr sind, sind davon nicht betroffen. Quelle: dpa

Dem Chef der Marke Volkswagen, Herbert Diess, ist die Lage bewusst, er wird jedoch vom VW-Betriebsrat und Großaktionär Niedersachsen ausgebremst. Sie haben vor allem Arbeitsplätze im Blick. Dass sie bei VW so mächtig bleiben, scheint sicher. Ob Diess noch lange VW-Markenchef ist, dagegen nicht. Insider erwarten heftige Machtkämpfe in den kommenden Monaten. Von Machtverhältnissen wie bei Toyota kann Diess nur träumen. Da sagt nur eine Handvoll Manager, wo es langgeht: Auf zwei Chefs und vier Vize-Präsidenten wurde unlängst die Führungsmannschaft geschrumpft.

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