Auch von 2017 an sei „nach bisheriger Erkenntnislage von weiter sinkenden Gewerbesteuererträgen auszugehen“. Daher spart Wolfsburg, denn im Haushalt gilt es, ein Loch von 45 Millionen Euro zu stopfen.
Auch weitere VW-Städte leiden. Die Netto-Gewerbesteuern 2015 sanken in Salzgitter um ein Drittel, in Osnabrück um 22 Prozent und in Braunschweig um 13 Prozent. Und das sind nur Beispiele aus Niedersachsen.
Das bleibt nicht ohne Folgen. Großzügige Subventionen, die Weissach den Bürgern früher gewähren konnte, entfallen: Das Baukindergeld für Familien wurde gestrichen – 5000 Euro je Kind gab es einmal. Eine Urnenbestattung in der Erde kostet statt bisher 145 nun 420 Euro.
Der Diesel-Skandal bedeutet auch für die Audi-Stadt Ingolstadt das Ende der fetten Jahre. „Wir gehen davon aus, dass wir bis 2020 weniger Gewerbesteuer bekommen“, sagte der Leiter der Kämmerei, Franz Fleckinger. In den nächsten Jahren rechne er nur noch mit 60 Prozent des langjährigen Schnitts. „Aber wir kommen mit 60, 70 Millionen Euro nicht hin.“ Deshalb werde die fast schuldenfreie Stadt wohl bald ihr inzwischen fast 300 Millionen Euro dickes Finanzpolster angreifen.
Das Abgas-Drama trifft auch einige kommunale Haushalte in Sachsen: So mussten in Chemnitz, einem der drei sächsischen VW-Standorte, die geplanten 109,2 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen für 2015 im Nachhinein deutlich nach unten korrigiert werden – auf 99,2 Millionen Euro. Auch für 2016 rechnet die Stadt mit 6 Millionen Euro weniger Einnahmen als eigentlich geplant. Für 2016 kalkuliert Stadtkämmerer Sven Schulze mit einem Fehlbetrag von rund 11,8 Millionen Euro.
Zumindest bei größeren Städten mit vielen wichtigen Unternehmen gibt es meist eine Balance. Hannover ist ein Beispiel. Die Fabrik für die leichten VW-Nutzfahrzeuge ist zwar größter industrieller Arbeitgeber in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Aber mit Unternehmen wie dem Dax-Konzern Continental oder dem Versicherungsriesen Talanx gibt es dort etliche Adressen für einen Ausgleich der Steuerwaage.
Emden streicht Stellen in der Stadtverwaltung
Auch weitere Faktoren beeinflussen die Lage: Der unerwartet große Flüchtlingszuzug fordert die Gemeinden heraus. Für VW-Standorte kann sich damit durchaus eine Doppelbelastung ergeben.
Beispiel Emden: Die ostfriesische Hafenstadt mit dem VW-Passat-Werk fahre einen „straffen Konsolidierungsplan“, berichtet Pressesprecher Eduard Dinkela. Bis 2019 müsse die Stadt mit 51.000 Einwohnern „absolut sparen“. Knapp 19 Millionen Euro soll das freilegen. 25 Stellen in der Verwaltung sollen abgebaut werden, allerdings sozialverträglich. Die Eltern werden zu 25 Prozent an den Kita-Beiträgen beteiligt, nach zuvor 15 Prozent. Die Parkgebühren steigen, beim Unterhalt der städtischen Gebäude wird gespart, die Reinigungsstandards etwa an Schulen werden heruntergefahren. Auch das Landesmuseum muss den Gürtel enger schnallen, die Stadt baut ihr Controlling aus, auch die Jugendförderung wird es treffen. Und teilweise gehen auch die Lichter aus: Emden spart sich die Straßenbeleuchtung in Gewerbegebieten.
Ein Ende solcher Zusatzbelastungen für die Bürger ist ungewiss. Denn Experten beobachten seit Jahren, dass Städte und Kommunen erst einmal verabschiedete Gebührenerhöhungen später kaum wieder zurücknehmen.
Dieses Bild ist nur eine Momentaufnahme, auch wenn sich die Probleme in den VW-Städten noch auf Jahre abzeichnen. Zur Wahrheit gehört auch: Jahre zuvor ging es vielen Standorten des Autokonzerns blendend. In Braunschweig etwa war die Kinderbetreuung kostenlos. Und auch in Emden, wo die Kita-Gebühren nun anziehen, „haben wir zuvor zig Jahre nicht erhöht“, gibt Pressesprecher Dinkela zu bedenken.
Zudem zahlt VW gute Löhne. Der Haustarifvertrag für die 120.000 Beschäftigten in den sechs westdeutschen VW-Werken liegt leicht über dem örtlichen IG-Metall-Flächentarif, der für die übrigen Standorte ohne Haustarif gilt. Auch der Bonus für die VW-Haustarifmitarbeiter wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm. 3950 Euro pro Kopf flossen im Frühsommer, wegen der Abgas-Affäre war das zwar vergleichsweise wenig. Aber auf die 120.000 Menschen hochgerechnet ist es fast eine halbe Milliarde Euro. Davon profitieren auch lokale Geschäfte.