
Mit einem dramatischen Kursverfall hat die Volkswagen-Aktie am Mittwoch auf die neue Dimension im Abgas-Skandal reagiert. Das Papier sackte an der Frankfurter Börse zeitweise um mehr als 10 Prozent ab. Am Mittag stand es mit 8,5 Prozent im Minus. Dabei hatten sich die Titel gerade erst wieder etwas von der Mitte September ausgelösten Schockwelle erholt. Die Ungereimtheiten rund um die CO2-Werte und den Spritverbrauch könnten einen weitaus stärkeren Einfluss auf die Absatzzahlen von VW haben, schrieb Analyst Sascha Gommel von der Commerzbank: „Er betrifft die Autobesitzer mehr als der Diesel-Skandal.“
Dem Dax machte der neuerlich Kursrutsch der VW-Papiere zu schaffen. Der deutsche Leitindex kam bis zum Nachmittag anders als seine europäischen Pendants kaum vom Fleck und notierte knapp unter seinem Vortagesschluss von 10.951 Zählern. "Die Aktie von Volkswagen erweist sich heute erneut als Bremsklotz für den deutschen Aktienmarkt", erklärte Andreas Paciorek vom Online-Broker CMC Markets. Der EuroStoxx50 stieg dagegen um 0,8 Prozent. Auch für die Wall Street signalisierten die US-Futures eine freundliche Eröffnung.
VW hatte am Dienstagabend mitgeteilt, auch bei Werten zum Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gebe es „Unregelmäßigkeiten“. Damit könnte der tatsächliche Spritverbrauch von Hunderttausenden Autos höher liegen, als deren Besitzer annahmen. Bisher ging es in der Abgas-Affäre, die Mitte September bekanntwurde, ausschließlich um Manipulationen bei Stickoxid-Werten. Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dürfen die falschen CO2-Angaben keine Steuer-Nachzahlungen für die Kunden nach sich ziehen.
Die neuen Fälle betreffen VW zufolge hauptsächlich Dieselautos, aber auch eine geringe Anzahl von Benzinern. Es gehe um den Polo, Golf und Passat, sagte ein Sprecher. Bei Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia, bei Seat um Leon und Ibiza. Auch bei einem Benzinmotor mit Zylinderabschaltung gebe es Auffälligkeiten. Es handele sich aber um eine geringe Stückzahl. Bei den Dieselmotoren seien 1,4-, 1,6- und 2,0-Liter-Varianten betroffen.
Dobrindt sieht VW in der Pflicht
„Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800.000 Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns betroffen sein“, hieß es mit Blick au die CO2-Werte. Europas größter Autobauer taxierte die wirtschaftlichen Risiken in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro.
CO2 ist zwar unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Treibhausgas und wesentlich für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Die CO2-Grenzwerte sind in der EU in den vergangenen Jahren nach schwierigen Verhandlungen verschärft worden.
Dobrindt sagte, VW müsse nun unter Aufsicht des Kraftfahrt-Bundesamts neue Prüfwerte für Fahrzeuge erstellen. Außerdem seien Untersuchungen der laufenden Serien aller aktuellen VW-Autos angeordnet worden. Erst dann ließen sich auch mögliche Auswirkungen auf das Erreichen von Klimazielen einschätzen. „Ich gehe davon aus, dass man eine Lösung findet, die den VW-Kunden nicht belastet“, sagte Dobrindt in Berlin. Er sehe VW in der Pflicht, „dafür zu sorgen, dass bei diesen Fragen weder Mehrkosten noch Arbeitsaufwand auf die Kunden zukommen“.
Der VW-Abgas-Skandal im Überblick
Die US-Umweltbehörde EPA teilt in Washington mit, Volkswagen habe eine spezielle Software eingesetzt, um die Messung des Schadstoffausstoßes bei Abgastests zu manipulieren. In den Tagen darauf wird klar, dass weltweit Fahrzeuge von VW und der Töchter betroffen sind – darunter auch Audi und Porsche. Die VW-Aktie bricht ein.
VW-Chef Martin Winterkorn tritt nach einer Krisensitzung der obersten Aufseher zurück. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen VW. Anlass dafür seien auch eingegangene Strafanzeigen von Bürgern, heißt es.
Der VW-Aufsichtsrat tagt. Nach langer Sitzung beruft das Gremium Porsche-Chef Matthias Müller zum neuen Konzernchef und trifft einige weitere Personal- und Strukturentscheidungen. Verantwortliche Motorenentwickler werden beurlaubt.
Nach mehreren Strafanzeigen startet die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen. Entgegen einer ersten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Braunschweig gibt es keine Ermittlungen gegen Ex-Chef Martin Winterkorn persönlich.
Das Aufsichtsrats-Präsidium beschließt, Hans Dieter Pötsch per registergerichtlichen Anordnung in den Aufsichtsrat zu berufen. Das ist möglich, weil mehr als 25 Prozent der Aktionäre Pötsch favorisiert haben. Die Familien Porsche und Piëch, die Pötsch gegen die Bedenken des Landes Niedersachsens und der Arbeitnehmer durchgesetzt haben, halten über die Porsche SE rund 52 Prozent der VW-Anteile. Julia Kuhn-Piëch, die erst dieses Jahr nach dem Rücktritt von Ferdinand und Ursula Piëch in das Kontrollgremium aufgerückt war, verlässt den Aufsichtsrat wieder.
Es ist klar, dass die betroffenen VW-Fahrzeuge in die Werkstatt müssen, damit die Schummel-Software verschwindet. Bei einigen Motorenwerden die Techniker selbst Hand anlegen müssen. Eine Rückruf-Aktion, so wird es am nächsten Tag bekannt werden, soll 2016 starten. Die geschäftlichen und finanziellen Folgender Krise sind nicht absehbar. Die Kosten der Abgas-Affäre werden jedoch enorm sein. Der neue Chef muss sparen: "Deshalbstellen wir jetzt alle geplantenInvestitionen nochmal auf denPrüfstand", kündigt Müller an.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnet einen verpflichtenden Rückruf aller VW-Dieselautos mit der Betrugssoftware an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,4 Millionen Wagen in die Werkstatt. VW hatte eine freiwillige Lösung angestrebt.
Der Skandal beschert dem Konzern im dritten Quartal einen Milliardenverlust. Vor Zinsen und Steuern beläuft sich das Minus auf rund 3,5 Milliarden Euro.
Der Skandal erreicht eine neue Dimension. VW muss - nach weiteren Ermittlungen der US-Behörden - einräumen, dass es auch Unregelmäßigkeiten beim Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) gibt. Rund 800.000 Fahrzeuge könnten betroffen sein. Die VW-Aktie geht erneut auf Talfahrt.
Der Diesel-Skandal in den USA weitet sich aus. Erneut. Es seien mehr Drei-Liter-Diesel der Marken Volkswagen und Audi betroffen, als bislang angenommen, erklärt die US-Umweltbehörde EPA. Die Autobauer bestreiten dies zunächst. Wenige Tage später, am 24. November, müssen sie allerdings einräumen, ein sogenanntes „Defeat Device“ nicht offengelegt zu haben. Die Software gilt in den USA als illegal.
Die Auswirkungen des Skandal zwingen VW zudem zum Sparen: VW fährt die Investitionen für das kommende Jahr runter. 2016 sollen die Sachinvestitionen um eine Milliarde Euro verringert werden. „Wir fahren in den kommenden Monaten auf Sicht“, sagt VW-Chef Müller. Weitere Ausgaben bleiben auf dem Prüfstand.
Neuer Ärger für Volkswagen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nun auch wegen mögliche Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit falschen CO2-Angaben. Die könnten dazu geführt haben, dass zu wenig Kfz-Steuer gezahlt wurde.
Zumindest etwas Positives für die Wolfsburger: Zur Nachrüstung der millionenfach manipulierten Dieselmotoren mit 1,6 Litern Hubraum in Europa reicht nach Angaben von Volkswagen ein zusätzliches, wenige Euro teures Bauteil aus. Bei den 2,0-Liter-Motoren genügt ein Software-Update. Das Kraftfahrtbundesamt genehmigt die Maßnahmen. Auch wenn VW keine Angaben zu den Kosten macht – es hätte schlimmer kommen können.
Wie hoch der gemessene Ausstoß über den offiziellen Werten liegt, sagte ein VW-Sprecher zunächst nicht. Auch andere Fragen blieben offen - etwa, in welchen Ländern wie viele Fahrzeuge betroffen sind.
Die Bundesregierung verlangte umfassende Aufklärung vom Konzern. „Man muss erwarten, dass Aussagen, die Verbrauchern gemacht werden, auch eingehalten werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe bereits Strukturänderungen angemahnt, damit solche Vorfälle künftig vermieden würden. Seibert hob hervor, dass die neuen Unregelmäßigkeiten von VW selbst bekanntgemacht worden seien.
Bisher ging es in dem Skandal ausschließlich um Stickoxide (NOx). Im September hatte VW eingestanden, bei Abgastests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel-Motoren manipuliert zu haben - aber erst, nachdem die US-Umweltbehörde EPA dies ans Licht brachte. Das Programm schaltet in Testsituationen in einen Sparmodus. In dem Zusammenhang musste VW bereits 6,7 Milliarden Euro zurückstellen.
Porsche stoppte den Verkauf des Geländewagens Cayenne mit Dieselmotor in den USA. Man habe die Auslieferung der entsprechenden Modelle dort vorerst eingestellt, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. Man prüfe die Vorwürfe der EPA noch.
Auto
Daimler schloss Unregelmäßigkeiten bei den CO2-Werten seiner Fahrzeuge aus, wie ein Sprecher sagte. Vorstandschef Dieter Zetsche sagte am Mittwoch: „Bei uns gibt es keinen Handlungsbedarf.“
Für VW könnte die neue Dimension auch finanziell gravierende Folgen haben. So hängt in Deutschland die Höhe der Kfz-Steuer für jüngere Pkw mit Erstzulassungsdatum ab 1. Juli 2009 auch am CO2-Ausstoß. Damit steht das Risiko im Raum, dass durch Manipulationen Kfz-Steuern für Autos aus dem VW-Konzern zu niedrig festgesetzt worden sind.
Dobrindt geriet angesichts der VW-Krise auch selbst unter Druck. Es reiche nicht mehr aus, „Aufklärung als Show zu simulieren“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. Der Minister müsse klare politische Regeln und Kontrollen durchsetzen. Greenpeace-Verkehrsexperte Daniel Moser sagte, Dobrindt überlasse es noch immer anderen, das wahre Ausmaß zu enthüllen.