Volkswagen-Chef Herbert Diess „Wenn der Green Deal kommt, brauchen wir 40 große Batteriefabriken in Europa“

VW-Chef Herbert Diess. Quelle: AP

Volkswagen-Chef Herbert Diess versucht, deutsche Unternehmen vom Einstieg in die Batteriezellproduktion zu überzeugen. Worum es ihm dabei geht, erklärt er im Interview.

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Das Interview mit Herbert Diess wurde kurz vor den Beschlüssen auf EU-Ebene zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 geführt. Was beschlossen wurde und welche Herausforderungen bleiben, erfahren Sie hier.

WirtschaftsWoche: Herr Diess, warum bauen Chinesen und Amerikaner riesige Batteriefabriken in Deutschland, nicht aber die deutsche Industrie?
Herbert Diess: Eine gute Frage. Ich habe mit allen in Deutschland geredet, aber sie haben abgewunken. Und so wird das schwedische Unternehmen Northvolt zusammen mit Volkswagen eine Batteriefabrik in Deutschland errichten.

Wer hat sie abblitzen lassen, die Autobauer oder die Zulieferer?
Die Autohersteller helfen wenig an dieser Stelle. Die Batterien sind ja typischerweise Zuliefererprodukte. Ich habe mit großen Zulieferern gesprochen.

Glauben Sie, dass sich die Zulieferer noch mal bewegen werden, wenn sie jetzt die Beschleunigung durch den Green Deal sehen und die guten Absatzzahlen der Elektroautos?
Es kann sich lohnen. Ich habe vor etwa zehn Jahren zum ersten Mal mit dem Chef von CATL gesprochen und ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, Batterien für Autos zu machen. Damals produzierte CATL Batterien für Smartphones. Er hat zunächst abgewunken, weil er meinte, so große Batterien könne er nicht bauen. Er hat es aber dann doch gemacht. Heute ist CATL nicht nur der größte, sondern auch der innovativste Batteriehersteller der Welt. Ich bin immer davon ausgegangen, dass bei den Batterien in wenigen Jahren eine Industrie entstehen wird, die so viel Umsatz hat, wie die Zulieferer in Summe haben. Auch die Befürchtung niedriger Margen hat sich nicht bewahrheitet. Die operative Marge liegt bei CATL im zweistelligen Bereich.

Unternehmen Sie noch mal einen Anlauf, um die deutschen Zulieferer vielleicht doch noch zu überzeugen?
Ich bin mit den deutschen Zulieferern immer im Gespräch. Viele Zulieferer sind der Ansicht, es sei zu spät für einen Einstieg. Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Wir stehen noch ganz am Anfang der Entwicklung. Wenn der Green Deal der EU so kommt, wie es sich abzeichnet, dann decken die bislang angekündigten Batteriefabriken in Europa nur etwa fünf bis zehn Prozent des Bedarfs. Wenn der Green Deal kommt, brauchen wir in Europa 40 große Batteriefabriken.

Dennoch bleibt die Frage, ob die deutschen Zulieferer überhaupt in der Lage wären, solche Batteriefabriken zu errichten. Es fehlt ihnen die Erfahrung eines CATL.
Volkswagen baut in Salzgitter eine Batteriefabrik zusammen mit dem schwedischen Unternehmen Northvolt. Das ist ein innovatives, junges und noch verhältnismäßig kleines Unternehmen. Das geplante Werk in Schweden zu bauen und unseres hier in Deutschland ist da eine große Herausforderung. Für die großen deutschen Zulieferer wäre das eine lösbare Aufgabe. Auch für die klassischen Anlagenbauer. Da geht es um Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Chemie. Alles Dinge, die deutsche Unternehmen beherrschen. Stattdessen diskutieren wir lieber über synthetische Kraftstoffe…

von Annina Reimann, Martin Seiwert, Silke Wettach, Malte Fischer, Sonja Álvarez, Max Haerder

…also neue, klimafreundliche Kraftstoffe für Verbrenner. Viele in Deutschland sehen das als Alternative zum E-Auto, auch zum Beispiel Friedrich Merz von der CDU. Liegt er falsch?
Die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen verbraucht große Mengen Strom. Bei gleicher Strecke braucht ein Auto mit synthetischen Kraftstoffen fünf bis sechs Mal mehr Strom als ein E-Auto. Deshalb ist die Technik bestenfalls für Nischenanwendungen geeignet. Wer auch 2030 noch mit seinem Porsche 911 mit Verbrenner fahren möchte, der tankt dann eben für fünf Euro pro Liter einen synthetischen Kraftstoff. Aber für die Masse ist das allein schon aus ökonomischer Sicht undenkbar. Das Thema ist durch. Jeder weiß, dass die Klimaziele in den kommenden Jahren nur mit dem Elektroauto zu erreichen sind.

Mehr zum Thema: Harte Klimaauflagen der EU bedrohen die deutschen Autobauer und ihre Zulieferer – und gefährden die Transformation zur Elektromobilität.

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