Volkswagen VW verabschiedet sich von der PS-Protzerei

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Elektro-Offensive kommt zu spät

Auch deshalb ist der reale Spritverbrauch auf deutschen Straßen seit 2008 um fünf Prozent gestiegen. Um den Verbrauch der gesamten Flotte unter Kontrolle zu halten, müssen die Hersteller rechnerisch für jeden SUV einen Kleinwagen absetzen.

Die alte VW-Führung um Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch an der Spitze des Aufsichtsrats hat das offenbar anders gesehen. Vor ihrem Abgang haben beide noch ein regelrechtes Feuerwerk neuer SUV-Modelle angestoßen. Heute gibt es bei der Marke VW zwei SUV-Modelle, 2020 werden es 19 sein. Erst danach ist die erste große Welle von Elektroautos auf der neuen E-Plattform namens MEB (Modularer Elektrobaukasten) vorgesehen. „Doch um Strafzahlungen zu vermeiden, kommt diese Elektro-Offensive zu spät“, sagt ein Berater des Konzerns.

Mehr Reichweite, aber nicht genug
VW E-Golf Quelle: Volkswagen
VW E-Golf Quelle: Volkswagen
VW E-Golf Quelle: Volkswagen
VW E-Golf Quelle: Volkswagen
VW E-Golf Quelle: Volkswagen
VW E-Golf Quelle: Volkswagen
VW E-Golf Quelle: Volkswagen

Bei den anderen Herstellern ist es ähnlich: In Deutschland liegt der Anteil der E-Autos aktuell bei 0,6 Prozent – trotz staatlicher Prämie. Seit Frühjahr 2016 wurden nur 8600 Elektroautos gefördert.

„Niemand hat damit gerechnet, dass es so schlecht laufen würde“, sagt ein Projektverantwortlicher eines großen Autokonzerns. Nun aber verdirbt die schleppende Nachfrage die Statistik. Der CO2-Ausstoß von Elektroautos wird von der EU mit null angesetzt, E-Autos können den Flottendurchschnitt so gehörig nach unten drücken – wenn sie denn irgendwann jemand haben will.

Dieselskandal belastet zusätzlich

Zu den mauen E-Auto-Verkäufen und dem SUV-Problem gesellte sich zu allem Überfluss 2015 der Dieselskandal. Er kann die CO2-Bilanzen der Autobauer gleich doppelt belasten.

Weil seither weniger Diesel und mehr Benziner gekauft werden, steigt der CO2-Flottenausstoß. Denn: Obwohl der Abstand zunehmend schrumpft, sind Diesel etwas klimafreundlicher als herkömmliche Benziner. Der Anteil der Diesel am Gesamtabsatz sank von 50 Prozent im Herbst 2015 auf 43 Prozent im Februar 2017. „Der Diesel wird viel schneller verschwinden, als wir es uns vorstellen können“, sagt EU-Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska.

Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen warnt vor allem vor einem schnellen Rückzug der Firmenkunden vom Diesel. Unternehmen kaufen gut 37 Prozent aller Diesel in Deutschland. Sollten sie sich wegen drohender Fahrverbote in Innenstädten, Angst vor Wertverlust und aus Imagegründen vom Diesel abwenden, könnte das den Diesel und damit den Flottenverbrauch der Autobauer noch schneller „in größere Bedrängnis bringen“, so Dudenhöffer. Die Folge: Zusätzliche CO2-Strafzahlungen „in dreistelliger Millionenhöhe“.

Die zweite neue Baustelle, die durch den Skandal für die Hersteller entstanden ist, sind die Zulassungsverfahren für neue Autos. Durch die Betrügereien von VW schauen die Behörden nun genauer hin, Gesetzgeber verschärfen die Zulassungsregeln – so geschehen zuletzt in der vergangenen Woche, als das EU-Parlament für härtere Regularien stimmte. Für die Autohersteller wird es immer schwieriger, mithilfe von Schummelsoftware oder Ausnahmeregelungen geltendes Recht zu umgehen. Stattdessen müssen sie durch wirklich geringe Emissionen überzeugen.

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