„Einige fragten mich, ob es VW so schlecht gehe, dass man nun eine Gewerkschaft brauche“, berichtet Jacobs einigermaßen frustriert von seinen Bemühungen, die deutsche und speziell die Volkswagen-Gewerkschaftskultur ins ferne Amerika zu exportieren. „Wir bedauern das Ergebnis der Abstimmung in Chattanooga natürlich. Aber jeder ist seines Glückes Schmied“, sagt Jacobs.
Katerstimmung herrscht auch beim Konzernbetriebsrat. Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh hätte gerne auch die Amerikaner – wie die Chinesen, Spanier oder Brasilianer – im Weltbetriebsrat, dem World Works Council, willkommen geheißen und bei allen mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen ihre Interessen vertreten. „Die Dinge kollektiv zu regeln“, findet er, „ist immer von Vorteil.“
Aus Sicht der deutschen Betriebsräte ist Mitbestimmung nicht nur vorteilhaft für die Mitarbeiter, sondern auch für das Unternehmen. Sie könne die hohe Fluktuation verringern, unter der viele Autobauer in den USA leiden. Bislang kämpft hier jeder Arbeiter allein für sich. Arbeitsverträge nach deutschem Muster sind in der US-Autoindustrie eher unüblich. Basis der Zusammenarbeit ist in der Regel eine Absichtserklärung, in der die Arbeit beschrieben und ein Lohn fixiert wird. Kündbar ist diese Vereinbarung von beiden Seiten zum Monatsende.
Entsprechend hoch ist die Fluktuation etwa bei VW: „Wenn die einen besser bezahlten Job finden oder mit der Arbeit unzufrieden sind, sind sie schnell weg“, beklagt ein VW-Manager, der den Aufbau des VW-Werks Chattanooga in den vergangenen Jahren eng begleitet hat. Volkswagen habe sich bemüht, seinen Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen und berufliche Perspektiven zu bieten, um die teuer angelernten Fachkräfte zu halten. „Das ist uns gut gelungen“ – VW habe sich in den zwei Jahren seit der Eröffnung der Fabrik im einen Ruf als guter und fairer Arbeitgeber erworben.“
Trotzdem sei ein Betriebsrat in Chattanooga nötig, heißt es bei VW unisono. Das amerikanische VW-Management sucht fieberhaft nach Wegen, wie sich trotz der Abstimmungsniederlage ein Betriebsrat installieren lässt. Dabei werden drei mögliche Szenarien durchgespielt:
- Die UAW unternimmt in etwa zwei Jahren einen zweiten Anlauf.
- Eine neu zu gründende, spezielle Chattanooga-Gewerkschaft versucht, die VW-Arbeiter hinter sich zu scharen.
- Im Werk Tennessee werden Komitees gegründet, die die Arbeiter gegenüber der Unternehmensleitung vertreten.
Diese Mitarbeiterkomitees werden im Management favorisiert. Die Arbeiterräte könnten sich Themen wie Lohnzuschlägen oder der Schichtplanung annehmen. Jedes Komitee würde einen Vertreter in einen Kreis von Delegierten entsenden. Diese Runde hätte eine ähnliche Funktion wie ein Betriebsrat in Deutschland, würde nur nicht so genannt.
Noch gibt es eine – wenn auch sehr geringe – Chance, dass die von VW ersonnenen Alternativen gar nicht gebraucht werden. Sollte sich die UAW beim National Labor Relations Board mit ihrem Antrag durchsetzen, eine Wiederholung der Wahl erreichen und diese dann für sich entscheiden, würde die Gewerkschaft umgehend einen Betriebsrat in Chattanooga gründen. Dann wäre es nur eine Frage von Wochen, bis die UAW auch die gewerkschaftsfreien US-Werke von BMW oder Mercedes in Angriff nehmen würde.