Volkswagen in den USA „VW muss aufpassen, nicht zwischen die Fronten zu geraten“

In den USA hat Volkswagen nach dem Dieselskandal gebüßt und gilt als rehabilitiert. Quelle: REUTERS

Kalifornien will keine Dienstfahrzeuge mehr von GM, Toyota oder Fiat Chrysler, da sie die Abgaswerte nicht einhalten. Ausgerechnet Abgassünder VW könnte so das US-Comeback gelingen, sagt Automobil-Experte Stefan Bratzel.

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„Autohersteller, die sich entschieden haben, auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen, werden die kalifornische Kaufkraft verlieren.“ Die Drohung des kalifornischen Gouverneursamtes dürfte bei den Herstellern, die auf der Seite von Donald Trump stehen, angekommen sein. Seit er an der Macht ist, streitet sich Washington mit Kalifornien um die Abgasregeln für Autos.

Trump will die von Obama eingeführten Verschärfungen am liebsten zurückdrehen, Kalifornien sieht sich als Vorreiter beim Klimaschutz. Nun will der US-Bundesstaat ab dem kommenden Jahr für die Verwaltung nur noch Autos von Herstellern kaufen, die sich an die strengen kalifornischen Vorschriften halten. Dazu gehört auch Volkswagen. Gilt ausgerechnet der größte Abgassünder im Dieselskandal als Öko-Vorreiter in den USA?

Stefan Bratzel ist Dozent an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach und dort verantwortlich für den Master-Studiengang Automotive Management. Außerdem ist er Leiter des Center of Automotive Management (CAM).

WirtschaftsWoche: Wie kommt es, dass Volkswagen in den Augen vieler Amerikaner als rehabilitiert gilt?
Stefan Bratzel: In den USA herrscht eine andere Kultur als in Deutschland. Wenn man dort für ein wirtschaftliches Vergehen gebüßt hat, darf man auch wieder neu anfangen. Das Comeback ist in Amerika möglich, wenn man seine Fehler beseitigt hat. In Deutschland wirkt das etwas erstaunlich, in den USA ist das aber nichts Ungewöhnliches. Der Dieselskandal ist dort mehr oder weniger vergessen.

Wie hat VW denn in den USA gebüßt?
Der Dieselskandal hat Volkswagen in den USA viel Geld gekostet. Da waren etwa Kundenkompensationen von durchschnittlich 21.500 US-Dollar pro Fahrzeug dabei. Dazu gab es entsprechende Auflagen, dass VW auch in die Infrastruktur von Elektro-Ladesäulen Milliarden investiert. Das passt natürlich jetzt sehr gut zu der Neu-Positionierung von VW hin zur Elektromobilität.

Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM). Quelle: dpa

Also versucht VW in den USA das Image eines „grünen“ Autoherstellers zu etablieren?
Allzu grün könnte auch ironisch verstanden werden. Das hat VW ja schon einmal probiert mit der entsprechenden Werbung, wie sauber der Diesel sei. Da muss VW sehr sensibel und vorsichtig sein. Das Thema nachhaltige und saubere Mobilität, das weiß der Konzern, muss hinterlegt sein. Da dürfen sie jetzt nicht mehr nur so tun, als ob. Die kalifornische Regierung nimmt das VW wohl ab. Ich glaube auch, zu Recht. Denn da steht jetzt wirklich etwas dahinter.

Gelingt es VW denn auch in Deutschland sein Image zu ändern?
In Deutschland ist man sehr viel nachtragender, wenn ein Unternehmen einen Fehler gemacht hat. Es ist hier schwerer, nochmal von vorne anzufangen. Ich glaube aber, dass Volkswagen in Deutschland umso mehr darauf hinweist, dass diese Wende jetzt stattfindet. Es setzt sich durch, dass VW das Thema E-Mobilität nachhaltig anschiebt. Die Politik hat schon anerkannt, dass VW den Weg hin zur Elektromobilität unter den deutschen Herstellern am stärksten betreibt.

War der konkrete Fall in Kalifornien denn geplant oder wurde VW selbst von der Ankündigung überrascht?
Das kam schon überraschend. Mit dem Dieselskandal hat das nichts mehr zu tun, sondern mit der Abkehr Donald Trumps von den Themen Umwelt und Klima. Die Kalifornier wollen dem etwas entgegensetzen. Der Fall zeigt auch, dass es langfristig nicht die beste Strategie ist, wenn die Autohersteller auf den Trump-Kurs einschwenken. Langfristig kann sich das als Hypothek für die globalen Hersteller in Amerika entpuppen. Kalifornien war schon immer ein Bundesstaat, der neue Regeln hat, bevor sie weltweit gelten.

Kann die Entscheidung von VW, sich an die kalifornischen Vorschriften zu halten, in gewisser Weise auch als ein Statement gegen Trumps Umweltpolitik verstanden werden?
Kalifornien will das genau so verstanden wissen. Die Automobilhersteller dürfen es aber nicht so aussehen lassen, dass sie sich gegen Trump stellen. Dann könnten sie Probleme bekommen. VW muss aufpassen, in Kalifornien nicht zwischen die Fronten zu geraten.



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