
Mehr Elektroautos, mehr digitale Dienste, die Transformation vom reinen Autobauer zum Mobilitätsanbieter – und das alles mit weniger Geld. Das sind, stark verkürzt, die Eckpunkte der Strategie 2025, die VW-Chef Matthias Müller im Juni vorgestellt hat.
Eine Passage aus seiner Rede, die er wenige Tage später bei der Hauptversammlung fast wortgleich wiederholte, ist jedoch seltener aufgegriffen worden, obwohl sie einen radikalen Kurswechsel bedeutet: Die Komponentenwerke des Konzerns sollen strategisch neu ausgerichtet und gebündelt werden. Das bedeutet nicht weniger, als dass Volkswagen sich seinen eigenen Zulieferer schafft.
Bislang waren die Werke, in denen 67.000 Mitarbeiter an 26 Standorten nicht Autos, sondern Bauteile fertigen, an die jeweiligen Marken angebunden oder sogar eigenständig unterwegs. Absprachen und Synergien waren die Ausnahme, oft wurde parallel gearbeitet – von einer gemeinsamen Bilanzführung einmal abgesehen.
Die Komponentenwerke in Deutschland
Beschäftigte: 60.452 Mitarbeiter (Anteil der Komponentenwerke nicht gesondert ausgewiesen)
Komponenten: Presswerk, Fahrwerk, Kunststofftechnik
Modelle: Golf, Golf Sportsvan, e-Golf, Tiguan, Touran
Quelle: Volkswagen
Beschäftigte: 7.031 Mitarbeiter
Komponenten: Lenkung, Hinter-/Vorderachse, Feder/Dämpfer, Hilfsrahnem/Schwenklager, Batteriesysteme
Beschäftigte: 16.536 Mitarbeiter
Komponenten: Getriebe, Gießerei, Presswerk, Abgasanlagen
Beschäftigte: 6.906 Mitarbeiter
Komponenten: Motoren
Beschäftigte: 1.837 Mitarbeiter
Komponenten: Motoren
Beschäftigte: 43.192 Mitarbeiter (Anteil der Komponentenwerke nicht gesondert ausgewiesen)
Komponenten: Karosserie- Fahrwerk- und Motorkomponenten; Fahrzeug-, Press- und Alugusskomponenten
Modelle: A3, A4, A5, Q5
Beschäftigte: 2.497 Mitarbeiter
Komponenten: Sitztechnik
Standorte: Wolfsburg, Emden und Hannover
Beschäftigte: 15.743 Mitarbeiter (Anteil der Komponentenwerke nicht gesondert ausgewiesen)
Komponenten: Fahrerhäuser, angetriebene Achsen, Kurbelwellen, Achsen,
Standorte: München, Nürnberg und Salzgitter
Beschäftigte: 7.679 Mitarbeiter (Anteil der Komponentenwerke nicht gesondert ausgewiesen)
Komponenten: Turbolader, Kompressoren, Reaktoren, Hochdruck- und Spezialapparate, Dampf- und Gasturbinen
Standorte: Augsburg, Berlin, Deggendorf, Hamburg und Oberhausen
Beschäftigte: 1.913 Mitarbeiter (Anteil der Komponentenwerke nicht gesondert ausgewiesen)
Komponenten: Getriebe, Gleitlager und Kupplungen
Standorte: Augsburg, Hannover und Rheine
Von der Neuaufstellung der Werke verspricht sich Müller mehr Transparenz und Wettbewerb. „Wir sind davon überzeugt: Wir haben in der Komponente noch viel ungenutztes Potenzial, und dieses Potenzial wollen wir heben!“
Wie groß dieses Potenzial ist und in welchen Bereichen der Konzern Luft nach oben sieht, hat Müller noch nicht verkündet. Selbst über grundlegende Entscheidungen – etwa ob auch an Dritte geliefert werden soll – und den Zeitplan der Zusammenlegung will VW frühestens im Herbst sprechen.





Gemessen an der Mitarbeiterzahl könnte es ein hauseigener VW-Zulieferer gleich mit etablierten Branchengrößen wie etwa Mahle aufnehmen. Doch welche Auswirkungen hat es auf den bereits hart umkämpften Zulieferer-Markt, wenn mit den gebündelten VW-Komponenten ein neuer Konkurrent mitspielt?
1. Können die Komponentenwerke zu wettbewerbsfähigen Konditionen produzieren?
Ob noch Platz für einen weiteren Groß-Zulieferer ist, hängt nicht zuletzt vom weltweiten Absatz ab. Und da hakt es: „Das Wachstum der globalen Auto-Nachfrage geht mit großer Wahrscheinlichkeit zurück“, prognostiziert Thomas Gronemeier. „Wir hatten fünf, sechs gute Jahre, der Trend wird sich aber umkehren“, glaubt der Commerzbank-Analyst und Co-Autor der Studie „Branchenbericht Autozulieferer“. „Wir reden von keinem Weltuntergangs-Szenario, da die Industrie sich auf einem sehr hohen Ertragsniveau befindet. Aber der Wettbewerb wird ab 2017 noch intensiver und damit der Kostendruck.“
Die Komponentenwerke in Europa
Unternehmen: Volkswagen Sarajevo, d.o.o.
Komponenten: Zahnkränze, Achszapfen, Radnaben
Quelle: Volkswagen
Unternehmen: Volkswagen Poznan Sp. z o.o.
Komponenten: Gießerei für Caddy- und T6-Fertigung
Unternehmen: Volkswagen Motor Polska Sp. z o.o.
Komponenten: Motoren
Unternehmen: Volkswagen Slovakia a.s.
Komponenten: Getriebe (Bratislava, nur Montage), Getriebe- und Fahrwerkkomponenten (Martin)
Unternehmen: Seat
Komponenten: Presswerk (Barcelona)
Unternehmen: Seat Componentes
Komponenten: Getriebe, Gießerei (El Prat)
Unternehmen: Skoda Auto
Komponenten: Gießerei, Schmiede (Mlada Boleslav), Getriebe (Vrchlabi)
Unternehmen: Audi Hungaria Motor Kft.
Komponenten: Motoren
Unternehmen: Bentley Motors Ltd.
Komponenten: Motoren
Dazu kommt: VW will nicht nur bei den eigenen Komponentenwerken „Potenziale heben“, sondern auch im Einkauf. Den externen Zulieferern droht also eine weitere Sparrunde, sie müssen noch knapper kalkulieren und günstiger produzieren.
Hier fangen die unangenehmen Fragen für VW an: Können die Komponentenwerke, wenn sie eigenständig auf dem Markt aktiv sind, im Preiskampf bestehen? Da der Beschluss laut Müller im Einvernehmen mit der Arbeitnehmerseite getroffen wurde, ist eine Bezahlung der Angestellten nach VW-Haustarif wahrscheinlich. Damit wären die Personalkosten vergleichsweise hoch – und die Margen eher gering.