
Der in den USA wegen des Dieselskandals festgenommene VW-Manager bleibt vorerst im Gefängnis. Er wurde am Montag des Betrugs angeklagt, weil er die Betrugssoftware bei Diesel-Fahrzeugen von Volkswagen nicht offengelegt habe. Richter William C. Turnoff setzte für Donnerstag eine Anhörung an. Bis dahin bleibt der frühere Leiter einer Abteilung, die bei VW in den USA für die Einhaltung von Umweltvorschriften verantwortlich war, in Haft. Nach Justizangaben wurde er am Samstag vom FBI festgenommen, als er nach einem Urlaub in Florida nach Hause reisen wollte.
FBI nimmt deutschen Manager fest
Es handelt sich um einen VW-Mitarbeiter, der nach Angaben der US-Behörden seit 1997 für den Konzern tätig ist. Von 2012 bis März 2015 soll er als führender Angestellter in den USA mit Umweltfragen betraut gewesen sein. Das US-Justizministerium wirft ihm eine Beteiligung beim massenhaften Abgasbetrug vor. VW hatte im September 2015 nach Vorwürfen der US-Umweltbehörden zugegeben, bei Hunderttausenden Dieselautos mit einer speziellen Software die Emissionswerte gefälscht zu haben.
Der VW-Manager war laut FBI-Angaben im Urlaub in Florida - was sich seit der Festnahme ereignete, gleicht einem Krimi: Der Beschuldigte landete bereits am Montag erstmals in Miami vor Gericht - er wurde dort laut US-Medien filmreif in Handschellen und Gefängnisuniform vorgeführt. Der Richter ordnete an, dass der Mann in Gewahrsam bleibt. Die in dem Verfahren zuständige Bundesanwaltschaft in Detroit drängt auf eine rasche Auslieferung - am Donnerstag schon soll der VW-Mitarbeiter in Michigan vor den Richter kommen.
In den Gerichtsdokumenten zur Strafanzeige werden heftige Vorwürfe gegen das Management erhoben. Demnach war die Konzernspitze nicht nur seit Juli 2015 in die Manipulationen eingeweiht, sie soll die zuständigen US-Mitarbeiter sogar autorisiert haben, den Betrug gegenüber den US-Behörden weiter zu leugnen. Solche Anschuldigungen sind zwar nicht gänzlich neu, doch diesmal stützt sich die US-Justiz auf die eidesstattliche Erklärung eines FBI-Agenten und Aussagen gleich mehrerer Konzern-Insider. Einer der Zeugen behauptet, er habe sich über die Vorgaben seiner Vorgesetzten hinweggesetzt, als er die Tricksereien letztlich gegenüber den US-Behörden einräumte.
Im September hatte sich bereits ein langjähriger VW-Ingenieur im Zuge einer ersten Strafanzeige schuldig im Abgas-Skandal erklärt und den Behörden im Rahmen eines Kronzeugen-Deals Kooperation zugesichert. In den USA können Beklagte ihr Strafmaß in Kriminalfällen deutlich senken, wenn mit ihren Aussagen zur Aufklärung beitragen. Laut Gerichtsdokumenten gibt es zwei weitere VW-Insider, die als Zeugen mit den Ermittlern zusammenarbeiten. Ihnen sei zugesichert worden, im Gegenzug nicht in den USA angeklagt zu werden. Möglicherweise hat die US-Justiz noch zusätzliche VW-Manager im Visier - bei Strafanzeigen ist es in den USA durchaus üblich, dass sie erst mit deutlichem Zeitverzug öffentlich gemacht werden.
Die Strafanzeige platzt mitten in die Verhandlungen zwischen VW und dem US-Justizministerium um einen Vergleich zur Beilegung strafrechtlicher Ermittlungen. Hierbei geht es allerdings um die Konzernebene und nicht um Anschuldigungen gegen in die Affäre verwickelte Personen. Laut US-Medien könnten VW und die US-Justiz bereits in dieser Woche einen Milliarden-Vergleich schließen, der auch noch weitere zivilrechtliche Bußgelder umfasst. Mit zahlreichen Dieselbesitzern, Autohändlern und US-Behörden hat der Konzern sich in einem zivilrechtlichen Mammut-Verfahren bereits auf außergerichtliche Kompromisse geeinigt, die über 17 Milliarden Dollar kosten könnten.
Abseits der milliardenschweren Kosten in den USA droht den Wolfsburgern auch in Europa weiter Ungemach. Angesichts der hohen Entschädigungszahlungen für Dieselbesitzer in den USA werden die Rufe der Verbraucherschützer nach Wiedergutmachung für europäische Kunden immer lauter. Hunderte Einzelklagen von Autobesitzern gegen VW oder Händler laufen allein in Deutschland - die Kläger könnten davon profitieren, dass die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet hat. Volkswagen stellt sich bei der Frage nach Entschädigungen nach wie vor quer und argumentiert, die Betrugssoftware sei in Europa nicht gesetzeswidrig.
Strafrechtlich ermittelt wird aber in Deutschland gegen VW-Angestellte und Manager, unter anderem wegen der Software-Manipulationen. Anklage wurde aber noch nicht erhoben. Weltweit sind rund elf Millionen Wagen von der „Dieselgate“-Affäre betroffen. Die Ermittler gehen daneben dem Verdacht nach, dass unter anderem Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und der jetzige Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch den Finanzmarkt zu spät über den aufgeflogenen Skandal ins Bild gesetzt haben.
Bei dem Gerichtstermin am Montag erschien er in Handschellen und in Gefängniskleidung. Sein Anwalt erklärte, der VW-Manager habe im vergangenen Jahr von den Ermittlungen gegen ihn erfahren und dem FBI seine Kooperation angeboten. Ende 2016 habe er sich in London mit FBI-Beamten getroffen.
Nach der Klageschrift wurde die Betrugssoftware bei Dieselfahrzeugen in den USA von 2006 bis 2015 eingesetzt. Sie sorgt dafür, dass die Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand die Grenzwerte für Stickoxide einhalten. Im Straßenverkehr sind die Emissionen zigfach höher als erlaubt. Der verhaftete Manager soll eine Schlüsselrolle bei der Verschleierung des Dieselskandals gespielt haben. Auch die Führungsebene von VW in Wolfsburg habe die Vertuschung mitgetragen. Das leitende Management in der Zentrale sei am 27. Juli 2015 über Existenz und Ziel der Betrugssoftware (Defeat Device) informiert worden. "Statt für eine Offenlegung des Defeat Devices gegenüber der US-Aufsicht einzutreten, genehmigte das VW-Management die weitere Verschleierung", hieß es in der Klageschrift. Volkswagen hatte erst im September 2015 öffentlich zugegeben, bei elf Millionen Pkw weltweit die Abgasreinigung manipuliert zu haben.
In den USA, wo der Skandal knapp eine halbe Million Autos betrifft und aufgedeckt wurde, zieht das harte rechtliche Konsequenzen nach sich. Für außergerichtliche Vergleiche mit Schadensersatzklägern und Behörden fallen mehr als 17 Milliarden Dollar an. Mit der Entscheidung über eine milliardenhohe Geldstrafe wegen des Verstoßes gegen das US-Luftreinhaltegesetz wird Insidern zufolge am Mittwoch gerechnet.