Volkswagen Was betroffene Kunden von VW erwarten

Auf der Hauptversammlung werden die Aktionäre des VW-Konzerns ihre Meinung zum Skandal und dem massiven Unternehmensverlust sagen. Die WirtschaftsWoche hat derweil betroffene Kunden nach ihren Erwartungen befragt.

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VW: Wenn ein Kuchen Kunden besänftigt. Quelle: Fotolia, Montage

Der Abgas-Skandal hat dem Volkswagen-Konzern die wohl schwerste Krise der Unternehmensgeschichte beschert. Massive Kursverluste, anhaltend negative Presse, dazu der Vorwurf, die eigenen Kunden betrogen zu haben – das ist eine Kombination, die für eine Marke potenziell vernichtend sein kann. Insbesondere dann, wenn sie sich zuvor stets kundennah, verlässlich und vertrauenswürdig positioniert hat. Nicht zuletzt durch diese "große Fallhöhe" hat der Abgasskandal für Empörung gesorgt, und umso gefährlicher ist die Situation für die Marke. WirtschaftsWoche hat gemeinsam mit dem Hamburger Marktforschungsinstitut Appinio betroffene Kunden befragt.

Die Umfrage – das sei vorausgeschickt – ist nicht repräsentativ. Das hat einen einfachen Grund: Es gibt zu wenig Informationen über die rund zwei Millionen VW-Kunden, die in Deutschland vom Rückruf betroffen sind. Wie viele Männer, wie viele Frauen sind darunter? Wie verteilt sich die Kundschaft auf die verschiedenen Bundesländer? Wie jung oder alt sind sie? Das weiß allein VW.

"Ohne genaue Daten über die Struktur der Grundgesamtheit der Betroffenen können wir keine repräsentative Stichprobe ziehen", erklärt Appinio-Gründer Flemming Kühl. Dennoch sind die Daten aussagekräftig. Appinio hat bundesweit Kunden befragt, Männer wie Frauen und Betroffene verschiedenster Altersgruppen. "Wir können aus den Antworten also eine Tendenz ablesen, wie die Stimmung unter den VW-Kunden ist, auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist", so Kühl.

Wie VW im ersten Quartal abgeschnitten hat

Was erwarten sie vom Konzern? Welche Wiedergutmachen muss VW leisten? Würden sie wieder ein Auto aus dem VW-Konzern kaufen?

Die Hälfte wünscht sich finanzielle Entschädigung

Die Befragten haben ein klare Vorstellung davon, was sie von Volkswagen im Bezug auf ihr vom Skandal betroffenes Diesel-Fahrzeug erwarten:

  • 64 Prozent erwarten die kostenfreie Umrüstung,
  • 48 Prozent halten darüber hinaus eine finanzielle Entschädigung für angebracht,
  • 19 Prozent wünschen sich sehr attraktive Konditionen beim Kauf eines Neuwagens,
  • 15 Prozent möchten die Möglichkeit haben, das Fahrzeug zurückzugeben.

Knapp die Hälfte also sieht es mit der Umrüstung alleine nicht getan. Diese Bild verfestigt sich beim Blick in die Wünsche, die die Befragten in einem Testfeld ergänzen konnten. Dort fanden sich Vorschläge wie: Finanzielle Entschädigungen wie in den USA bis hin zum kostenfreien Neuwagen, kostenloser Mietwagen für die Zeit der Umrüstung, kostenfreie Inspektionen, Tankgutscheine, Garantieverlängerungen, Prämien, ein Satz Reifen – oder auch einfach: Kuchen.

"Eine gute Gelegenheit, einen neuen Audi zu kaufen"

Neben diversen Formen der Entschädigung erwarten viele Kunden auch eine ideelle Wiedergutmachung wie Verzicht auf Boni aller Manager, transparente Kommunikation, Spenden an Umweltschutzverbände, mehr Ehrlichkeit und mehr Demut. Einzelne Befragte stellen sich explizit auf die Seite des Konzerns: "Meine Familie fährt seit Jahrzehnten ausschließlich Fahrzeuge aus dem Volkswagen Konzern, ein kleines Problemchen, welches die Amerikaner nutzen um unseren Fortschritt zu ruinieren wird nichts daran ändern. Im Gegenteil! Eine gute Gelegenheit einen neuen Audi zu kaufen :)"

Der folgende Kunde findet sogar, dass VW nichts außer der Umrüstung seines Fahrzeugs tun muss: "Es ist ja nicht so, dass nur VW betroffen ist. Ursachen liegen eher in der Festlegung von Verbrauchsmessverfahren, Normen und gesetzlichen Vorschriften. Kein Mensch mit Verstanden hat je geglaubt, dass ein Auto Werksangabe verbraucht."

Von diesen beiden abgesehen ist die Tendenz der Masse klar: Die Kunden wollen ein deutliches Zeichen der Reue. Einige hoffen, gleichzeitig die Situation für ein Schnäppchen nutzen zu können. Ernsthafte Zweifel an der Qualität der Fahrzeuge aus dem VW-Konzern haben die Betroffenen wohl nicht. 72 Prozent würden wieder ein Auto aus der Volkswagen-Welt kaufen. 13 Prozent sagen "nein", der Rest ist unschlüssig.

Bereit, zu verzeihen

Hans Meier-Kortwig, Partner bei der GMK Markenberatung in Köln: "Gerade die deutschen Autokäufer sind bereit zu verzeihen – zwar ist man, darauf deuten die Ergebnisse der Befragung hin, enttäuscht und verlangt Wiedergutmachung, aber die wenigsten sind wirklich verbittert. Hier spielen aus meiner Sicht zwei Dinge eine Rolle: zum einen hat VW als eine gerade auch in Deutschland sehr beliebte Marke ein gewisses Guthaben, von dem die Marke zehren konnte – und zum anderen scheinen gerade die Forderungen nach Schadenersatz aus den USA zu einem stärkeren Rückhalt in der eigenen Bevölkerung zu führen. Wichtig ist nun, die Marke konsequent neu aufzuladen und echte Einsicht zu zeigen."

So ist es für den Markenexperten auch nur ein vermeintlicher Widerspruch, dass sich die betroffenen Kunden wieder für einen VW entscheiden würden, obwohl sie Entschuldigungen und Entschädigungen fordern. "Wann verlangt man eine Entschuldigung?", fragt Meier-Kortwig. "Wenn es weh getan hat. Und wann tut es weh? Wenn einem der Verursacher wichtig ist. Ähnlich sehe ich es hier: VW ist eine Marke, die tief in der deutschen Gesellschaft verankert ist – dafür muss man nicht einmal die vielzitierte Generation Golf heranziehen. Mit dem Abgasskandal hat VW viele seiner Kunden enttäuscht – trotzdem werden bei vielen von ihnen die positiven Erfahrungen mit VW weiter überwiegen."

Nach den ersten Anlaufschwierigkeiten im Umgang mit der Krise, sieht Meier-Kortwig VW jetzt wieder in der Spur. Der neue Claim "Partner fürs Leben" setze an der richtigen Stelle an, weil er die "besondere Rolle" von VW im Leben vieler Menschen berücksichtige.

"Entscheidend wird am Ende aber nicht die Kommunikation, sondern die Konsequenz sein, mit der die gezeigte Einsicht und die "neue Vertrauenswürdigkeit" auch in Taten umgesetzt wird – in großen Projekten ebenso wie in kleinen Verhaltensweisen durch jeden einzelnen Mitarbeiter", sagt Meier-Kortwig. Erst daran werde sich zeigen, ob die Marke gestärkt aus dieser Krise hervorgehen kann.

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