Neben der VW-Verwaltung und der Entwicklung werden damit Fahrzeugbau und Komponenten-Produktion – zum Teil Zulieferaufgaben – durchgeführt. Dies geschieht alles im Hochlohn- und Kostenstandort West-Deutschland. Damit ist wird etwa im Vergleich mit Continental deutlich, wo es bei VW hapert. Conti hat 26 Prozent seiner Beschäftigten in Deutschland und trotz hoher Forschungs- und Entwicklungsausgaben – also Ingenieursaufgaben – "nur" 3.417 Euro im Schnitt an Personalausgaben pro Mitarbeiter und Monat. Auch hier zeigt der Vergleich mit Skoda deutlich, wo VW-Pkw seine Probleme hat.
Was bei Volkswagen im April wichtig wird
VW ist seit Monaten auf der Suche nach einer technischen Umbaulösung für die manipulierten Dieselautos in den USA, die die US-Umweltbehörde EPA zufriedenstellt. Teil einer Einigung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Rückkäufe. Die Frage ist: Wie viele der 580.000 manipulierten US-Diesel muss der Konzern zurücknehmen?
Müller sagte Anfang des Jahres in Detroit, der Rückkauf von 100.000 Autos wäre eine denkbare Option – es ist aber nicht ausgeschlossen, dass VW alle betroffenen Diesel in den USA zurückkaufen muss, weil es keine technische Lösung gibt, um die Abgasvorgaben einzuhalten. Setzt man in diesem Szenario zum Beispiel einen durchschnittlichen Wert von 20.000 Dollar an, ergäben sich Kosten von 11,6 Milliarden Dollar.
Die nächste hohe Zahlung droht VW durch eine Zivilklage, die das US-Justizministerium einreichte. Hier wäre eine Maximalstrafe von 45 Milliarden Dollar möglich – plus eine Summe, die das Gericht festlegt. In dieser Klage wird wohl auch die anfänglich genannte Maximalstrafe von 18 Milliarden Dollar aufgehen. Beides sind theoretische Werte, es gibt keine verlässlichen Schätzungen für die tatsächlichen Kosten. VW dürfte einen Vergleich anstreben.
Beim US-Bezirksrichter Breyer sind die Milliardenklage und auch alle anderen US-Zivilklagen von der Finanzaufsicht FTC, Bundesstaaten, VW-Besitzern und Autohäusern gebündelt. Er ist deshalb ein sehr wichtiger Mann in der Frage, wie teuer der Abgas-Skandal für VW wird. Breyer hat dem Konzern und den Behörden ein Ultimatum bis zum 21. April gesetzt, eine Lösung für die manipulierten Dieselautos zu finden. Ansonsten will er bereits im Sommer mit dem Prozess beginnen.
Spätestens bis zur Bilanz-Pressekonferenz am 28. April sollte VW Klarheit haben, wie viel Geld für drohende Strafen zurückgelegt werden muss. Davon hängt wiederum indirekt ab, wie hart die Wolfsburger sparen müssen und wie viele Stellen dies womöglich kostet. Auch die Dividende für Großaktionäre wie die Porsche SE, den Staatsfonds aus Katar und das Land Niedersachsen ist in Gefahr.
Anleger dürften diesmal neben Umsatz und Gewinn vor allem die Kapitalstärke im Auge haben. Wie viel Bargeld hat der Konzern, wie viel Cash fließt aus dem laufenden Geschäft nach Wolfsburg? Bei der Netto-Liquidität – also dem Bargeldbestand abzüglich Schulden – gelten 20 Milliarden Euro bei VW als magische Grenze, die nicht unterschritten werden sollte. Ansonsten könnte das Folgen für die Kreditwürdigkeit haben. Geld zu leihen, wäre für VW dann noch teurer.
Im April soll der Zwischenbericht zu den internen Ermittlungen im Abgas-Skandal vorgestellt werden. Die Kanzlei Jones Day hat bei VW Schriftstücke, Mails und Telefondaten ausgewertet sowie Mitarbeiter verhört. Die Frage, wer von den Manipulationen wusste, ist auch entscheidend für die Klagen gegen VW und für strafrechtliche Ermittlungen gegen Einzelpersonen.
Wenn die Ermittler keine Verantwortlichen auf der Ebene des Konzernvorstands finden, wäre das gut für VW. Andernfalls wäre es mit Blick auf alle möglichen Zivilklagen sehr ungünstig, weil das Handeln des Vorstands von Gerichten oft als Handeln des Unternehmens ausgelegt wird – und dann kann es teuer werden.
Die Klagen von Anlegern, die ihre Aktienkursverluste von VW ersetzt haben wollen, liegen beim Landgericht Braunschweig. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird bald eine Musterklage zugelassen, deren Urteil auf andere Fälle übertragen werden könnte. Anfang April lagen dem Landgericht zufolge über 80 einzelne Klagen vor.
3. Zulieferaktivitäten zu VW-Haustarifen in Deutschland
Während in den letzten 30 Jahren immer mehr Autobauer schlanke Strukturen gebildet haben und etwa die Herstellung von Sitzen, Interior oder Getrieben nach außen verlagert haben, hat Volkswagen entgegengesetzt gearbeitet. So wurde die Sitech Sitztechnik GmbH im Jahre 2001 als 100-prozentige Tochter der VW AG gegründet. Die Sitech beschäftigt an deutschen westdeutschen Produktions-Standorten Wolfsburg, Emden und Hannover 2.400 Mitarbeiter. Dabei ist gerade das Sitz- und Interiorgeschäft margenschwach und kostenwettbewerbsintensiv. Auch aus diesem Grunde hat der US-Konzern JohnsonControls große Teile seines Sitz- und Interiorgeschäfts verkauft, etwa den chinesischen Zuliefererkonzern Yangfeng.
4. Prestige-Projekte und politische Gefälligkeiten
Weitere Verschlechterungen der Kostenposition bei VW-Pkw ergeben sich durch Prestigeprojekte, wie etwa die Gläserne Manufaktur in Dresden, die 500 Mitarbeiter beschäftigt, und das Projekt Phaeton. Während der Phaeton als Einmalexperiment eingestellt werden kann, wird es schwer sein, eine sinnvolle – sprich rentable – Verwendung für Dresden zu finden, nachdem der letzte Phaeton vorerst vom Band lief.
Im Jahre 2009 hat die VW AG aus der Insolvenz den mittelständischen Betrieb Karmann in Osnabrück übernommen. Osnabrück ist Heimatstadt des früherer niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulf, der seinerzeit als Vertreter des Landes im VW-Aufsichtsrat saß. "Für Osnabrück war das freilich ein Rettungsanker, für VW eine vermutlich bleibende Belastung mit 2.300 Beschäftigten", urteilt Dudenhöffer.
Die Beispiele zeigen, warum VW-Pkw eine schlechte Kostenposition hat und es wird deutlich, dass VW in dieser schlechten Kostenposition gefangen ist. Dudenhöffer: "Die Töchter sind profitabel, aber das Kerngeschäft steckt quasi „einbetoniert“ in einer Produktivitäts-Falle."
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
Piëch habe immer versucht, sich aus der Produktivitäts-Falle durch noch mehr Verkäufe heraus zu retten. Je mehr Fahrzeuge verkauft werden, umso eher gelingt es durch ausländische Werke die Verkrustungen auszubalancieren, so die Theorie. Dabei sollte VW in Richtung Premium positioniert werden und der Konzern gleichzeitig das Einstiegssegment durch Skoda – die mit deutlich niedrigen Produktionskosten in Ost-Europa produzieren – aufgefangen werden. Doch auch diese Strategie, so Dudenhöffer, läuft schief: "Skoda unterscheidet sich in Qualität und Design nicht mehr von VW. Da VW höhere Preise hat, kannibalisiert Skoda Kunden." Zum Kostenproblem bei VW-Pkw kommt damit ein schleichendes Positionierungsproblem.
Dudenhöffers Fazit: "Der Diesel-Skandal ist mit viel Geld lösbar. Es ist eine Zeitfrage, bis außergerichtliche oder gerichtliche Lösungen gefunden werden. Wenn sie auch teuer sind, ist das Risiko für den Konzern bei diesem „Einmalproblem“ deutlich geringer als bei seinem „chronischen Problem“."