Volkswagens E-Auto Was VW mit dem Pre-Booking des ID.3 erreichen will

ID.3: Volkswagen hat das Pre-Booking für seinen ersten CO2-neutralen Wagen gestartet. Quelle: Volkswagen

Seit Mittwoch bietet VW in Europa eine Vorbestellung des ID.3 an, eines CO2-neutral produzierten Autos. Bereits am ersten Tag gab es Tausende Bestellungen. Damit scheint der unkonventionelle Plan von VW aufgegangen.

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Ein umweltfreundliches E-Auto zu einem erschwinglichen Preis: So charakterisiert Volkswagen seinen ersten ID – die Speerspitze der neuen Elektroreihe des Autobauers. Der wird ID.3 heißen. ID steht für „Intelligent Design“, die 3 für die Kompaktklasse – oder um es in VW-Sprache zu sagen: die Golfklasse. Für Mittwochmittag hat VW einen Pressetermin in Berlin angesetzt. Denn der ID.3 kann ab seit Mittwoch für einen Betrag von 1000 Euro reserviert werden, obwohl noch sehr wenig über das Auto bekannt ist. Dennoch bestellten gleich am ersten Tag Tausende Kunden das noch weitestgehend unbekannte Modell.

Das sogenannte Pre-Booking beginnt nämlich Monate bevor das Modell der Öffentlichkeit präsentiert wird, und ein ganzes Jahr, bevor der erste Kunde ein Fahrzeug sein Eigen nennen kann. Kunden können sich registrieren und für ein Auto der ersten Edition vormerken lassen. In Deutschland wird diese Bestellung im April 2020 verbindlich. Bis dahin kann kostenlos storniert werden. Wer sich vor allem für einen Blick auf das serienreife Modell der Wolfsburger interessiert, der muss sich noch bis September gedulden. Dann soll der Serien-ID.3 auf der IAA in Frankfurt der Weltöffentlichkeit gezeigt werden. Und kurz danach startet auf den meisten Märkten dann die richtige Bestellphase.

Nur wenige Einzelheiten verriet Jürgen Stackmann, VW-Markenvorstand für Vertrieb, Marketing & After Sales, bei der Pressekonferenz in Berlin. Er stand auf großer Bühne vor einem digitalen Screen, der, mit großen Grafiken garniert, die Keywords an die Wand warf. Quasi als kleine Appetithäppchen, damit mögliche Käufer auf den Geschmack kommen:

Der ID.3 ist, wie bereits bekannt war, das erste Auto, das auf der Volkswagen MEB-Form gebaut wird. Kunden werden beim ID.3 zwischen drei Leistungsstärken wählen können: einem Akku mit einer Leistung von 45kWh, 58kWh oder 77kWh. VW stellt eine Reichweite von 330 bis zu 550 Kilometern in Aussicht. Alle Preisklassen werden serienmäßig mit einer Schnellladefunktion ausgestattet. Der Platz im Innenraum des ID.3 entspricht einem Golf, verspricht VW. „Damit ist der ID.3 das erste Elektro-Familienauto“, kündigte Stackmann. „Es ist ein Volkswagen, aber ein Auto der neuen Generation“. VW schießt damit in Richtung des Konkurrenten BMW, dessen Elektro-Kleinwagen BMW i3 sich den Vorwurf gefallen lassen muss, besonders durch das ungewöhnliche gegenläufige Öffnen der Vorder- und Hintertüren, nicht für Familien geeignet zu sein.

Zu sehen war das Auto noch nicht so richtig. Mit Folie beklebt stand er bei gedämpftem Licht hinter einer gestreiften Scheibe. Einen ersten Eindruck konnten die Gäste gewinnen, auf optische Details müssen sie weiter warten.

Ein erster Blick auf Volkswagens ID.3
ID.3: Für sein neues vollelektrisches E-Auto startet Volkswagen erstmals ein Pre-Booking Quelle: Volkswagen
Für den ID.3 verspricht VW Reichweiten von 330 bis zu 550 Kilometern (WLTP) und Startpreis in Deutschland unter 30.000 Euro Quelle: Volkswagen
Den ID.3 soll es in drei Leistungsstärken geben: 45kWh, 58kWh oder 77kWh. Quelle: Volkswagen
Die ID.-Modelle sollen über ihre gesamte Lebensdauer hinweg bilanziell CO2-neutral sein können. Den Grundstein legt VW, indem die Modelle CO2-neutral produziert werden. Quelle: Volkswagen
Volkswagen ID.3 Quelle: Volkswagen
Volkswagen ID.3 Quelle: Volkswagen
Nach der IAA im September soll die Bestellphase für den ID.3 beginnen und zum Jahresende die ersten ID.3s im VW-Werk in Zwickau vom Band laufen. Quelle: Volkswagen

Auch bei den Preisen zeigte sich der Autobauer noch sehr bedeckt. Der Einstiegspreis soll perspektivisch unter 30.000 Euro liegen. Branchenmagazine sprechen von voraussichtlich 29.990 Euro für einen ID.3, der mit einem 48-kWh-Akku unterwegs ist. Damit wäre der neue VW-Stromer um einiges teurer als beispielsweise der eGo Life 20 aus der Start-up-Schmiede eGo in Aachen. Deren Modelle gibt es schon zu einem Einstiegspreis von 15.900 und 19.900 Euro. Allerdings ist er dennoch günstiger als Teslas Modelle. Das günstigste Model 3 liegt hierzulande schon bei 44.500 Euro. BMW liegt bei seinem i3 bei einem Listenpreis von 38.000 Euro. „Elektromobilität ist heute noch relativ kostenintensiv. Wirtschaftlich tragfähig sind E-Autos daher bislang lediglich im Premiumsegment“, sagt Fabian Brandt, Leiter des globalen Autoteams der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Ein Angebot unterhalb der Preisschwelle von 30.000 Euro sei aber ein sehr wichtiges Signal an den Markt: „Es liegt deutlich unter dem aktuell günstigsten Tesla 3 und unter dem aktuellen Durchschnittspreis für Neuwagen in Deutschland. Die Hersteller dringen damit in Dimensionen vor, in denen Elektromobilität mit der Zeit für breitere Käuferschichten erschwinglich wird und das ist ein guter Ausgangspunkt.“

Der ID.3, den Kunden aktuell vorbestellen können, soll unter 40.000 Euro liegen. Wer diesen Wagen heute schon über das Pre-Booking den ID.3 vorbestellt, bekommt den ID.3 1st (gesprochen: Ei-Die-drei-First) – „eine besondere Pre-Edition“, pries Stackmann an. Vier Farben und drei Versionen sind darüber verfügbar. Außerdem verspricht Volkswagen allen Pre-Bookern einen elitären Club – besondere Details zum Auto vor Veröffentlichung, Veranstaltungen, ein Jahr kostenloses Laden (bis maximal 2000 kWh) an öffentlichen Ladesäulen und natürlich als erster das Auto zu bekommen. „Sie sollten schnell sein“, wirbt Stackmann. Das Pre-Booking ist auf 30.000 Exemplare begrenzt. Die Botschaft des Pre-Booking-Launces unter dem Titel „Now You Can“: Greif zu! Werde Teil des Clubs!

Es ist ungewöhnlich, dass VW so frühzeitig vor der Markteinführung schon so viel Kraft in Marketingmaßnahmen für ein neues Auto steckt. Doch was unkonventionell wirkt, folgt einer ausgeklügelten Marketingstrategie. Denn nichts anderes ist das Pre-Booking: ein Startschuss für eine „breite international angelegte Marketingkampagne zur E-Mobilität“, wie VW seine Pläne beschreibt. Das Budget soll sich auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag belaufen. „Für einen so tiefgreifenden Wandel, den Volkswagen derzeit in Richtung E-Mobilität vollzieht, benötigen wir einen neuen Ansatz im Marketing“, beschrieb es Jochen Sengpiehl, Chief Marketing Officer der Marke Volkswagen, vor Kurzem. „Deshalb fahren wir für unseren ID. keine konventionelle Markteinführungsstrategie“.

Das zeigt sich auch online, wo Kunden schon heute eine ganze Themenwelt zur neuen Modellfamilie finden – Volkswagen nennt sie ID.Hub. Dabei gibt es nur spärliche Informationen über das geplante Auto selbst, stattdessen wird eine ganze Welt rund um die Elektromobilität gezeigt. „Es geht nicht nur darum ein Fahrzeug anzubieten, sondern auch um Informationen, die den Nutzer über die gesamte Elektromobilität informiert und seine Zweifel beseitigt“, beschrieb es Stackmann. Außerdem hat der Autobauer bereits erste Influencer-Kampagnen gestartet. Und nun folgt das Pre-Booking mit der ganz großen Kampagne. Aber warum dieser Aufwand?

Für Autoexperte Brandt ist es neben wirtschaftlichen und politischen Notwendigkeiten vor allem der gesellschaftliche Wandel, der nicht nur VW, sondern alle deutschen Autobauer zu so einem Aufwand treibt. Der Branchenkenner sieht im Pre-Booking vor allem eines: eine Botschaft für die Kundschaft. „Im Endeffekt geht es darum, zu signalisieren: Wir haben ein attraktives Angebot und das ist sehr bald verfügbar“, erklärt der Autoexperte. Anders gesagt: VW ruft all jenen Verbrauchern, die jetzt mit dem Kauf eines Elektroautos liebäugeln, zu, sie sollen doch noch ein halbes Jahr Geduld haben.

Welche Botschaft VW heute schon in der Welt verbreitet sehen will, ist klar: Niemand soll mehr sagen, VW habe den Trend verschlafen und sei nicht in der Lage, E-Mobilität für die Masse zu schaffen.

Mit der Marke ID. will der Wolfsburger Autobauer beweisen, dass er klimaneutrale Auto-Mobilität möglich machen kann. Erklärtes Ziel ist, dass Autos der ID.-Reihe über ihre gesamte Lebensdauer hinweg bilanziell CO2-neutral sein können. Den Grundstein legt VW, indem die Modelle CO2-neutral produziert werden. Dafür baut der Autokonzern extra sein Werk in Zwickau um. Nutzen die Kunden für die Ladung ihres VW-Modells anschließend nur Ökostrom, bleibt die CO2-Freiheit gewährleistet. Dazu bietet VW über seine Strom-Tochter Elli auch direkt ein Paket mit 100 Prozent grünem Strom.

Auf den ID.3 als Kompaktwagen sollen bald weitere folgen: das SUV ID.Crozz, der Bulli ID.Buzz und die Limousine ID.Vizzion. Bis 2023 will der Konzern allein bei der Marke Volkswagen rund 18 Milliarden Euro in das Projekt E-Mobilität investieren. Das Ziel der Wolfsburger ist ambitioniert: Bis 2025 will VW bei E-Autos die weltweite Nummer eins werden. Und bis 2028 sollen bis zu 70 neue VW-Elektromodelle auf den Markt kommen. „Wir werden mehr E-Autos anbieten als jeder andere Autobauer auf der Welt“, sagte Stackmann. Den Startschuss zu alldem macht nun mit viel Marketing der ID.3.

Brandt ist davon überzeugt, dass der Autobauer, ähnlich wie die deutsche Konkurrenz, genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. „Unser Meinung nach sind die etablierten Autohersteller dabei, mit aller Macht im Bereich E-Mobilität aufzuholen und sie werden noch dieses Jahr ein sehr leistungsstarkes Angebot auf den Markt bringen, dass sich sowohl vom Preis als auf von den Leistungscharakteristika mit dem messen kann, was Tesla heute am Markt hat“, sagt Brandt. „Aus unserer Sicht ist es deshalb ein starkes Signal, den Kunden frühzeitig zu signalisieren, dass es bald genau das Produkt geben wird, das man zu kaufen bereit wäre.“

Im Falle des ID.3 geht es um einige Monate. Wenn die Bestellphase nach der IAA im September beginnt, können Käufer auch beim Händler eines der drei exklusiven ID.3 1ST Modelle verbindlich bestellen. Zum Jahresende sollen bereits die ersten ID.3s in Zwickau vom Band laufen und ab Sommer 2020 soll er in der Grundausstattung ausgeliefert werden können. Geht es nach VW, ist er zu diesem Zeitpunkt dank des Millionenmarketings schon in den Köpfen der Menschen verankert – und am besten längst auf der Wunschliste des ein oder anderen E-Auto-Interessenten.

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