




Es war eines der aufregendsten Jahre der Firmengeschichte - und das nächste wird wohl noch spannender werden. Der Zulieferer vom Bodensee brachte die größte Übernahme seit Bestehen auf den Weg. Für umgerechnet 9,5 Milliarden Euro bemächtigten sich die Getriebespezialisten des amerikanischen Hersteller TRW Automotive.
Ende November stimmten dessen Aktionäre dem Kauf zu. Sie erhalten eine Abfindung von umgerechnet rund 84 Euro pro Aktie. Mit dem Zukauf rückt ZF Friedrichshafen unter die größten Zulieferer weltweit auf und spielt künftig in einer Liga mit Bosch und Continental. ZF und TRW kommen gemeinsam auf rund 30 Milliarden Euro Jahresumsatz und 138.000 Mitarbeiter weltweit.
So lief 2014 für ZF
ZF Friedrichshafen rechnet für das Gesamtjahr mit einem Umsatzanstieg von 16,8 Milliarden im Jahr 2013 auf mehr als 18 Milliarden Euro in 2014.
Südamerika: Rückgang um ca. 20 Prozent auf 550 Millionen Euro
Nordamerika und Asien-Pazifik: Steigerung um ca. 20 Prozent auf 3,7 und 3,6 Milliarden Euro
Europa: Umsatzplus von fünf Prozent auf 10,3 Milliarden Euro
Die Aktionäre des amerikanischen Zulieferers haben dem Kauf am 19. November 2014 zugestimmt. Derzeit laufen kartellrechtliche Prüfungen. Der Abschluss des Kaufs wird im ersten Halbjahr 2015 erwartet. ZF hat für TRW 9,5 Milliarden Euro bezahlt.
Für das nächste Jahr rechnet ZF-Chef Sommer mit einem Umsatzwachstum auf einem ähnlichen Niveau, bei einem moderaten Wachstum der Märkte. Sommer geht zudem von einer Stabilisierung der für ZF ebenfalls wichtigen Märkte der Bau- und Landmaschinen aus.
Bei der heutigen Präsentation der vorläufigen Jahresergebnisse ist die Übernahme daher auch das bestimmende Thema für den Ausblick auf 2015. Derzeit prüfen die Kartellämter noch die Aktion. Bis zum Abschluss des Kaufs, der im ersten Halbjahr 2015 erwartet wird, „wird ein Team mit Spezialisten beider Unternehmen die Integration vorbereiten“, erklärte ZF-Chef Stefan Sommer.
Geleitet werde das Team von einem automotive- und integrationserfahrenen Manager. Auch die Unternehmensberatung McKinsey ist an Bord. Sommer will „das Beste aus beiden Welten“ zusammenführen, „um diese einmalige strategische Chance optimal zu nutzen.“
Mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede
TRW stellt in erster Linie Sicherheitsprodukte wie Airbags, Gurte, Brems- oder Fahrerassistenzsysteme her und ist außerdem im Bereich der Elektrolenkung aktiv. ZF Friedrichshafen ist auf Antriebe und Fahrwerke spezialisiert. Gemeinsam habe man ein modernes und umfassendes Gesamtportfolio, so Sommer.
Die weltweit größten Autozulieferer
Faurecia (Frankreich)
Umsatz 2016: 18,711 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 18,770 Milliarden Euro
Veränderung: -0,3 Prozent
Hauptprodukte: Sitze und Innenausstattung
Quelle: Berylls Strategy Advisors, Stand: Juni 2017
Michelin (Frankreich)
Umsatz 2016: 20,907 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 21,199 Milliarden Euro
Veränderung: -1,4 Prozent
Hauptprodukte: Reifen
Bridgestone-Firestone (Japan)
Umsatz 2016: 22,485 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 24,094 Milliarden Euro
Veränderung: -6,7 Prozent
Hauptprodukte: Reifen
Aisin (Japan)
Umsatz 2016: 27,977 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 24,133 Milliarden Euro
Veränderung: +15,9 Prozent
Hauptprodukte: Getriebe, Bremssysteme, Karosserie- und Motorenteile
Hyundai Mobis (Südkorea)
Umsatz 2016: 30,227 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 28,096 Milliarden Euro
Veränderung: +7,6 Prozent
Hauptprodukte: Cockpit-, Frontend- und Chassismodule
ZF Friedrichshafen (Deutschland)
Umsatz 2016: 32,353 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 27,113 Milliarden Euro
Veränderung: +19,3 Prozent
Hauptprodukte: Fahrwerks- und Antriebssysteme, Elektronik/Software
Magna (Kanada)
Umsatz 2016: 34,587 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 29,408 Milliarden Euro
Veränderung: +17,6 Prozent
Hauptprodukte: Karosserie & Fahrwerksysteme, Exterieur-Ausstattungen
Denso (Japan)
Umsatz 2016: 36,301 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 34,299 Milliarden Euro
Veränderung: +5,8 Prozent
Hauptprodukte: Klimasysteme, Motorsteuerung, Human-Machine-Interface
Continental (Deutschland)
Umsatz 2016: 40,550 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 39,232 Milliarden Euro
Veränderung: +3,4 Prozent
Hauptprodukte: Brems-, Fahrwerk- und Sicherheitssysteme, Reifen
Bosch (Deutschland)
Umsatz 2016: 43.936 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 41,657 Milliarden Euro
Veränderung: +5,5 Prozent
Hauptprodukte: Antriebs-, Sicherheits- und Komfortsysteme
Im Zug der Übernahme soll nun auch der Vorstand wachsen. Vertriebschefs Peter Lake wird ab 1. Oktober 2015 Markt-Vorstand, Franz Kleiner, bisher Leiter der ZF-Division Industrietechnik wird bereits zum Jahresbeginn 2015 als Vorstand das Nordamerika-Geschäft verantworten.
Ausgerechnet im Jubiläumsjahr – ZF begeht 2015 seinen 100. Geburtstag und hat eine große Party geplant – beginnt nun die schwierige Integration des amerikanischen Unternehmens. Kritiker verweisen auf die gescheiterte Fusion von Daimler und Chrysler.
Doch ZF-Chef Sommer lässt sich nicht schrecken. In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte er: „Die Gemeinsamkeiten zwischen ZF und TRW sind deutlich stärker als die Unterschiede.“ Wo es solche gebe, sei dies auch eine Chance von einander zu lernen. Personalabbau sei nicht geplant.
„Im Gegenteil. Unsere Kapazitäten sind ausgelastet. Wir brauchen sogar mehr Mitarbeiter, aber wir müssen besonders in der Fahrwerkstechnik mit schlankeren Strukturen produktiver werden, um unseres gewaltiges Wachstum zu schaffen“, sagte Sommer.
Unsicherheit am Standort Ahrweiler
Wie stark das gemeinsame Wachstum sein soll, dazu nannte Sommer keine Details. Sicher ist, dass der Plan, den Umsatz bis 2025 auf 40 Millionen Euro zu steigern, nach dem abgeschlossenen Kauf von TRW deutlich nach oben korrigiert werden soll.
Womit die Zulieferer zu kämpfen haben
Immer mehr Innovationen müssen von den Zulieferern selbst kommen. Die Forschungs- und Entwicklungsausgaben steigen dadurch stark an. Die Zulieferer müssen stärker in Vorleistung gehen und tragen damit ein höheres unternehmerisches Risiko.
Die Autokonzerne bauen immer mehr Werke in Asien oder Mexiko. Damit steigt der Druck auf die Zulieferer, ebenfalls in neue Standorte zu investieren.
Global agierende Autokonzerne schreiben ihre Aufträge immer öfter für die weltweite Produktion aus. Viele mittelständische Zulieferer können weder die geforderten Stückzahlen herstellen noch den Konzernen einfach ins Ausland nachfolgen.
Autokonzerne wie PSA und GM bilden immer öfter Einkaufsgemeinschaften, gleichzeitig steigt die Zahl von Modulbaukästen für die identische Teile in sehr hoher Stückzahl benötigt werden. Beides führt dazu, dass der Preisdruck steigt. Die Zahl der Zulieferer, die das leisten kann, sinkt.
Doch bevor Sommer den Blick so weit in die Zukunft richten kann, gibt es aktuelle Probleme zu lösen. In der Belegschaft der ZF Friedrichshafen am Standort Ahrweiler geht die Angst um.
Vor zwei Jahren noch produzierten dort 360 Mitarbeiter fünf Millionen Stoßdämpfer, jetzt sind es nur noch 321 und 3,6 Millionen. Bis 2016 soll die Zahl auf 220 Mitarbeiter und nur noch 2,8 Millionen Federbeine sinken.
Der Betriebsratsvorsitzende Carsten Delord ist besorgt: „Von Seiten des Arbeitgebers gibt es bis heute kein nachhaltiges Zukunftskonzept für den Standort Ahrweiler.“ Bis 23. Januar will der Vorstand ein Zukunftskonzept vorlegen. Die Friedenspflicht endet am 28. Januar.
Bis dahin soll auch schon geklärt sein, wie es im Getriebebau in Friedrichshafen weitergeht. Der Lastwagenbauer MAN hat angekündigt, seine Getriebe künftig selbst zu fertigen. ZF entgehen dadurch riesige Stückzahlen.
Zu Spitzenzeiten verließen 230.000 Getriebe jedes Jahr die Montage in Friedrichshafen. Nach den Angaben des Betriebsratssoll die Zahl auf 175.000 nach unten korrigiert werden. In Friedrichshafen arbeiten rund 3000 von insgesamt 9500 Mitarbeitern in der Getriebeproduktion. Bis zur Betriebsversammlung am 2. März 2015 müsse es eine Perspektive für den Standort geben, so Betriebsratschef Achim Dietrich-Stephan.
Es gibt also viel zu tun für Chef Sommer. Zu den angenehmeren Pflichten wird der Festakt am 9. September zum 100-jährigen Firmenjubiläum und die Einweihung des ZF Forum, der neuen Hauptverwaltung am gehören. Die neue Konzernzentrale liegt mitten in Friedrichshafen und hat 80 Millionen Euro gekostet.
Beim Anblick der riesigen Baustelle wird klar: Hier residiert ein zukünftiger Weltkonzern: Sechs Stockwerke bieten Platz für 600 Büroarbeitsplätze, einen Hörsaal mit 300 Sitzplätzen, Kantine und Cafeteria. Insgesamt wurden schon 26.000 Kubikmeter Beton und 7.000 Tonnen Stahl verbaut.
Bleibt zu hoffen, dass in der mächtigen neuen Repräsentanz die richtigen Entscheidungen fallen, damit die Eingliederung von TRW gelingt. Die will Sommer nämlich in nur drei Jahren durchziehen. Die Eingliederung der letzten Großakquisition, Mannesmann Sachs, hatte mehr als doppelt so lange gedauert.