Wenn die Nachricht nicht von unseren Kollegen beim „Handelsblatt“ gekommen wäre, dann wäre meine erste Vermutung gewesen: Sie stimmt nicht. Denn was aus dem Verkehrsministerium von Volker Wissing herausgesickert ist, ist wahrlich wahnsinnig. Der FDP-Mann – wir erinnern uns: die FDP ist die Partei, die die Marktwirtschaft angeblich prima findet – dieser FDP-Mann hat Pläne auf dem Tisch liegen, um die staatliche E-Auto-Kaufprämie von derzeit 6000 auf 10.800 Euro erhöhen.
Zusammen mit der verbindlichen Hersteller-Prämie von 3000 Euro bekämen Elektroautokäuferinnen und -käufer fast 14.000 Euro Preisnachlass. Wissing will also mit kostbaren Steuermilliarden einen Markt ankurbeln, der aufgrund der immensen Nachfrage sowieso schon heiß läuft. Irrer geht's kaum.
Konkret bedeuteten Wissings Pläne – von denen er sich am Abend auf Twitter distanzierte – für günstige E-Autos wie zum Beispiel den Dacia Spring, dass es dann Elektroautos zum Preis von Elektrorollern (6000 Euro) geben würde. Und sie bedeuteten auch, dass jemand, der 40.000 Euro für ein neues E-Auto auf den Tisch legen kann – also wahrscheinlich nicht gerade zu den Bedürftigen unseres Landes zählt – vom Staat 10.800 Euro geschenkt bekommt. Wer für 40.000 Euro nichts Standesgemäßes findet und sein Budget auf 60.000 Euro erhöht, dem will Wissing mit immerhin noch 8400 Euro unter die Arme greifen. Schön, dass die FDP immer auch an die Luxuskunden denkt!
Wissings Ideen geben dem Begriff Autoland eine ganz neue Bedeutung: Deutschland ist da, wo dir der Staat das Auto kauft. Nun könnte man vermuten, dass die deutsche Autoindustrie bei diesen Plänen die Feder geführt hat. Tatsächlich aber gehen sogar Autobauern solch obszöne Subventionsorgien zu weit. Vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr schrieben Lobbyisten des VW-Konzerns auf, wie sie sich die E-Auto-Förderung künftig vorstellen. Die derzeitigen Kaufprämien sollten, so Volkswagen, bis 2025 konstant abgeschmolzen und danach ganz abgeschafft werden. Begründung: E-Autos würden in der Herstellung immer günstiger und bräuchten ab 2025 keine staatliche Starthilfe mehr.
Der FDP-Minister dagegen plant statt eines Entzugs von der Subventionsdroge nun die volle Dröhnung. Bis zu 73 Milliarden Euro soll Wissings Elektrokaufrausch den Bund kosten. Und das Resultat? Extrem überschaubar: Ganze vier Millionen Tonnen des Klimagases könnten durch die zusätzlichen E-Autos pro Jahr eingespart werden, also rund ein halbes Prozent der derzeitigen Gesamtemissionen unseres Landes. Teurer geht Klimaschutz fast nicht. Selbst wenn zehn Jahre lang diese Menge eingespart werden würde, dann würde die eingesparte Tonne CO2 gut 1800 Euro kosten. Das ist 80 Mal so viel, wie seriöse Anbieter von CO2-Minderungsmaßnahmen derzeit in Rechnung stellen.
Klimaschutz für den 80-fachen Preis? Nein danke. Dann lieber ein Tempolimit. Es kostet praktisch nichts und kann laut Umweltbundesamt sogar mehr CO2 einsparen als Wissings Milliardenspektakel. Und wenn es dann in ein paar Jahren etliche Millionen E-Autos in Deutschland gibt und die Emissionen des Straßenverkehrs sinken, dann können wir das Tempolimit von mir aus auch gern wieder aufheben.
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