VW-Abgas-Affäre Was Volkswagen in den Werkstätten tun muss

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Entweder sauber oder stark

Generell müssen die Autobauer also immer einen Kompromiss aus vielen Anforderungen eingehen. Zusammengefasst sind es genau vier: der Verbrauch (und proportional dazu die CO2-Emission), die Schadstoffemissionen (wie etwa Stickoxide), die Leistung (insbesondere das Beschleunigungsverhalten) und die Kosten. „Man kann die Schadstoffemission vermindern, indem man den Verbrauch steigert“, erklärt Friedrich Dinkelacker, Leiter des Instituts für Technische Verbrennung an der Leibniz-Universität Hannover. „Beispielsweise kann bei einem kalten Motor etwas mehr Kraftstoff so spät eingespritzt werden, dass das Abgasnachbehandlungssystem schneller auf seine Betriebstemperatur kommt und schneller wirksam wird.“ Das heißt mit mehr Kraftstoffaufwand, also erhöhtem Verbrauch, kann die Kaltstartphase des Motors und damit die Schadstoffemission etwas reduziert werden – für den Preis eines erhöhten Verbrauchs.

Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa

Auch der Faktor Leistung wird von den Stickoxid-Anteilen beeinflusst. Fährt ein Auto besonders „spritzig“ und beschleunigt es schnell, könnte das durch eine Korrektur bei VW reduziert werden. Denn während sich der Verbrauch erhöht, verändert sich auch die Leistung. Insbesondere das Beschleunigungsverhalten könnte so ausgebremst werden.

USA und EU achten auf unterschiedliche Schadstoffe

Für die Autobauer – und in diesem Fall zunächst aktuell besonders für VW – ist das im Grunde das entscheidende Dilemma: Sinkende Schadstoffemissionen heißen steigender Verbrauch – und das bedeutet schließlich steigende CO2-Emissionen. Genau hier kreuzen sich EU- und US-Gesetze zu Grenzwerten von Emissionen. Denn während in den USA stärker auf die Schadstoffemissionen wie Stickoxide geachtet wird, setzt Europa auf möglichst niedrigen Verbrauch und damit auch auf niedrige CO2-Emissionen. Der Umweltsünder ist in den beiden Fällen also jeweils ein anderer.

Weil die USA sich auf die Stickoxide fokussieren, liegt dort der Grenzwert mit etwa 43 Milligramm pro Kilometer (70 Milligramm pro Meile) deutlich unter dem europäischen Grenzwert, der bei 80 Milligramm pro Kilometer liegt. Bei den in den USA beliebten V8-Saugmotoren mit großem Hubraum entsteht zwar weniger Stickoxid, dafür verbrauchen sie mehr und stoßen entsprechend viel CO2 aus. Europäische Benziner und Diesel hingegen fahren mit weniger Hubraum und großen Turbos, sind effizienter (weniger Verbrauch/CO2), aber eben wegen der hohen Einspritzdrücke anfälliger für höhere Sickoxidwerte.

Was in den Volkswagen-Werkstätten passiert, wenn die betroffenen Autos zurückgerufen sind, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. Je nachdem, wie stark diese Einflüsse auf die manipulierten Motoren zutreffen, muss Volkswagen einiges angehen, um die Abgasqualität der betroffenen Autos zu verbessern, aber trotzdem den Leistungsstandard seiner Fahrzeuge nicht zu ruinieren.

Klar ist, dass es wahrscheinlich am Ende nicht nur bedeutet, den „Schalter umzulegen“. Noch im Oktober müssen die betroffen Marken des VW-Konzerns den zuständigen Behörden Lösungen und Maßnahmen präsentieren, die nachweisen, dass die Autos nach einem Update gesetzeskonform auf der Straße unterwegs sein werden. Das könnte sowohl Software- als auch Hardwaremaßnahmen bedeuten.

Vermintes Gelände – Volkswagen und die USA

Die manipulierte Software dürfte zunächst durch ein Update gelöscht werden - dadurch wird dann auch auf dem Prüfstand deutlich, wie stark die Autos eigentlich die Werte überschreiten. Das könnte dann auch in Europa problematisch werden. Da die US-Umweltbehörde EPA von einer 40-fachen Erhöhung der Stickoxidwerte spricht, würde das bedeuten, dass VW auch die europäischen, lascheren Grenzwerte überschreiten wird.

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