




Der Diesel-Rückruf des VW-Passats infolge der Abgas-Krise droht nun endgültig zum Desaster zu werden. Trotz wochenlanger Nachprüfungen sowie Nachbesserungen an der neuen Software ist es Volkswagen bislang nicht möglich, die vorgegebenen Grenzwerte einzuhalten. Nach Angaben eines VW-Sprechers will der Autobauer nun den bisherigen Rückrufplan ändern und andere Fahrzeuge - darunter den Golf - früher in die Werkstätten rufen.
„Wir werden jetzt mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sprechen und überlegen, wie wir das nächste Cluster konkret vorziehen können“, hieß es am Dienstag aus Wolfsburg auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Wann die ersten Golf-Modelle dann in den Werkstätten auftauchen könnten, sei letztlich aber abhängig von einer Genehmigung der Behörde. Aus Konzernkreisen war zu hören, dass optimistische Stimmen noch auf grünes Licht im April hofften.
Mit Blick auf das Sorgenkind Passat brauchen die Besitzer der rund 160 000 2,0-Liter-Fahrzeuge, die in dieser Welle von der illegalen Software befreit werden sollen, weiter viel Geduld. Parallel zu den Golf-Plänen würden die Nachprüfungen beim Passat weitergehen. „Dies wird aber noch einige Wochen dauern. Zudem müssen wir die Software weiter überarbeiten, um die Fahrzeuge den Vorgaben entsprechend umrüsten zu können“, erklärte der Sprecher.
Zum Zeitkorridor beim Passat wollte sich VW aber nicht äußern. Wie zu hören war, könnte sich der Rückruf noch bis in den Juni verzögern. Eigentlich sollte er schon Anfang März anlaufen. Doch das KBA verweigert seit Wochen die Freigabe. Offizielle Gründe nennen dafür weder VW noch das KBA. Nach dpa-Informationen gab es wiederholt Probleme mit Verbrauchswerten. Demnach soll der Diesel-Verbrauch nach dem Aufspielen der neuen Motorsoftware etwas leicht gestiegen sein. Darüber hinaus soll das Amt von Volkswagen neben den obligatorischen Prüfstandskontrollen auch zeitintensive Straßentests verlangt haben.
Was bei der Rückruf-Aktion auf VW-Besitzer zukommen könnte
Das Kraftfahrtbundesamt hat angeordnet 2,4 Millionen VW-Diesel-Fahrzeuge in die Werkstätten zurückzurufen. Laut Plan sollen im Januar 2016 die ersten Autos in die Werkstätten. Bis zum Ende des kommenden Jahres könnten dann alle betroffenen Autos überholt sein. In einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte VW-Chef Matthias Müller aber zuvor auch nicht ausgeschlossen, manche Autos komplett auszutauschen, anstatt sie umzurüsten: „Das muss man im Einzelfall prüfen.“
Es geht bei den Nachbesserungen nicht nur um die Manipulations-Software. Für die meisten Motoren genüge es zwar, wenn ein neues Programm aufgespielt werde, sagte Müller. Manche Autos könnten aber auch neue Einspritzdüsen und Katalysatoren bekommen. Die Umrüstung ist auch deshalb kompliziert, weil der betroffene Motortyp EA 189 in zahlreichen Kombinationen und Ländervarianten verbaut ist. Motorenexperte Prof. Jörn Getzlaff von der Hochschule Zwickau hält es aber für möglich, dass Volkswagen keine komplett neue Technik entwickeln muss: „Es kann durchaus sein, dass VW auf eine Lösung zurückgreift, die der Konzern schon heute in seine neue Motorengeneration einbaut.“ Diese neuen Aggregate erfüllen die strengeren Umweltauflagen der Euro-6-Norm.
Das ist möglich. Durch die Umrüstung könnten sich die Leistung und der Spritverbrauch ändern, sagt Getzlaff. Es müsse aber nicht unbedingt so sein, dass das Auto dann langsamer wird und mehr verbraucht. VW-Chef Müller sagte, es sei wichtiger, „das CO2-Ziel zu halten und dafür vielleicht auf 3 bis 5 km/h Höchstgeschwindigkeit zu verzichten“.
Autokäufer müssten sich vermutlich zunächst mit dem Verkäufer des Autos streiten - in den meisten Fällen also mit dem Händler, nicht mit dem VW-Konzern, erklärt Thomas Rüfner, Rechtsprofessor an der Universität Trier. Es sei möglich, dass der Händler Autos zurücknehmen müsse. Dafür müssten aber einige Voraussetzungen erfüllt sein: erhebliche Mängel, also dass das Auto nach der Umrüstung zum Beispiel deutlich langsamer fährt oder viel mehr Sprit verbraucht. Der Kauf darf auch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. „Der Autokäufer würde vermutlich den kompletten Kaufpreis zurückbekommen, müsste aber wohl nachträglich für die Nutzung des Autos zahlen“, sagt Rüfner. Wenn sich die Fahreigenschaften des Autos nur in geringem Maße ändern, könne aber der Kaufpreis gemindert werden.
Eine VW-Kundin, die ihr Auto im Jahr 2010 gekauft hat, versucht das bereits. Sie hat eine Klage direkt gegen den VW-Konzern eingereicht, unter anderem wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Frau sehe sich in ihrer Erwartung enttäuscht, ökologisch unterwegs zu sein, teilte ihr Anwalt mit. Ein VW-Sprecher wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, der Vorgang sei ihm nicht bekannt.
Dazu hat sich VW bislang nicht geäußert. Autohersteller sind dazu jedenfalls nicht gesetzlich verpflichtet, sagt Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Andere Autohersteller wie Toyota hatten einen solchen Service bei Rückrufen in der Vergangenheit schon angeboten, allerdings ging es da um weniger Autos als bei Volkswagen. Emmrich zufolge stellen Händler und Hersteller nur in Ausnahmefällen ein Leihauto zur Verfügung.
Mitglieder des Aufsichtsrates äußerten sich enttäuscht. „Das ist eine Katastrophe, schon wegen der Außenwirkung“, sagte einer der Aufseher. Letztlich sei aber eine nachhaltige Umrüstung wichtiger als die Einhaltung von Zeitplänen. Im Konzern sorgen die wochenlangen Verzögerungen dennoch für Sorgenfalten. Der Vorstand soll aber bereits die klare Ansage gemacht haben, dass der Diesel-Rückruf trotzdem wie geplant in diesem Jahr abgeschlossen werden soll.
Der Rückruf infolge der Diesel-Affäre hatte im Januar zunächst mit dem VW-Pickup Amarok begonnen. Von den rund 8500 Autos konnte bereits ein Großteil überarbeitet werden. In der vergangenen Woche hatte das KBA zudem die Freigabe für die ersten Modelle von Audi und Seat gegeben. Die Besitzer von rund 90 000 Audi A4, A5, A6 und Q5 sowie dem Seat Exeo dürften in den kommenden Tagen Post bekommen und dann Werkstatttermine vereinbaren. Weltweit hatte Volkswagen bei mehr als elf Millionen Autos die verbotene Software eingebaut, die bei Tests die Verbrauchswerte nach unten korrigieren. In Deutschland müssen deshalb rund 2,5 Millionen Autos umgerüstet werden.