VW-Abgas-Skandal Was wusste Winterkorn?

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So argumentiert der VW-Konzern

Wie argumentiert Volkswagen?

Volkswagen hält die anhängigen Aktionärs-Klagen für unbegründet, da aus Sicht des Unternehmens und der Kanzlei Göhmann, die die Klageerwiderung für VW verfasst hat, jede Ad-hoc-Pflicht voraussetzt, dass "die für die Erfüllung dieser Pflicht verantwortlichen Personen Kenntnis eines kursrelevanten Sachverhalts erlangen und die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Information abschätzen können".

"Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik ergab sich eine Kursrelevanz erst am 18. September 2015, als die Verletzung US-amerikanischer Umweltschutzrichtlinien bekannt gemacht wurde", schreibt VW. "Bis dahin gab es keinerlei Anzeichen für börsenkursrelevante Informationen, denn bis zu diesem Zeitpunkt war von einer überschaubaren Fahrzeug-Anzahl (etwa 500.000) und Bußgeldern in einem zweistelligen oder unteren dreistelligen Millionen-Bereich auszugehen, wie in der Vergangenheit in den USA in vergleichbaren Fällen im Zusammenhang mit Personenkraftfahrzeugen verhängt. Die Diesel-Thematik schien nach bestem Kenntnisstand durch übliche und damit kursneutrale Maßnahmen einschließlich wirksamer technischer Lösungskonzepte beherrschbar." Nachdem im Anschluss an die "Notice of Violation" eine erste belastbare Zahlenbasis über die weltweiten Risiken ermittelt worden war, sei diese vorläufige Abschätzung am 22. September 2015 unverzüglich ad-hoc gemeldet worden.

Ist diese Argumentation haltbar?

Die Kanzlei Tilp, die am 1. Oktober 2015 die erste Aktionärsklage gegen VW wegen der unterlassenen rechtzeitigen Ad-hoc-Mitteilung eingereicht hat, hält die Pressemitteilung von VW für "irreführend und falsch". Die Kanzlei beruft sich dabei auf ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2000, wonach die Ad-hoc-Pflicht das börsennotierte Unternehmen als solches und nicht den Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder trifft. "Die Zurechnung steht der Geltendmachung von Unkenntnis entgegen, ohne dass sie eine tatsächlich fehlende Kenntnis ersetzt", heißt es in dem Urteil – sprich: Die Ad-hoc-Pflicht für ein Unternehmen gilt auch, wenn das Wissen Mitarbeitern unterhalb der Organebene zugerechnet wird.

"Selbst auf Grundlage der – unzutreffenden – Auffassung von Volkswagen ist allerdings nicht nachvollziehbar, was noch gegen eine Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden Winterkorn spätestens ab dem 23. Mai 2014 sprechen soll, nachdem Volkswagen bereits öffentlich einräumen musste, dass Martin Winterkorn zu diesem Zeitpunkt über die behördlichen Ermittlungen zu den dramatisch erhöhten NOx-Emissionen informiert wurde, sowie darüber, dass davon auszugehen sei, dass die Behörden die VW-Systeme daraufhin untersuchen werden, ob Volkswagen eine Testerkennung in die Motorsteuergeräte-Software implementiert hat“, sagte Rechtsanwalt Axel Wegner.

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