VW-Abgas-Skandal Tag zwei der Entscheidungen

Nach dem Kompromiss in den USA kann VW erst einmal durchatmen, aber nur kurz: Tag zwei der Entscheidungen steht an: Am Freitag fällt der Aufsichtsrat richtungsweisende Entscheidungen – und die werden teuer.

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VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller: Tag zwei der Entscheidungen. Quelle: AP

Nach ersten Fortschritten für eine Lösung im Abgas-Skandal muss der VW-Vorstand Farbe zu den milliardenschweren finanziellen Folgen bekennen. Der Aufsichtsrat des Autobauers trifft sich am Freitag in Wolfsburg, um die Konzern-Bilanz abzusegnen.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird der Konzern für die Folgen des Diesel-Skandals seine Rückstellungen um fast 10 Milliarden Euro auf 16,4 Milliarden Euro aufblähen. Es wird erwartet, dass Volkswagen im Laufe des Tages vorläufige Eckzahlen zur Bilanz für das abgelaufene Jahr bekanntgibt.

Mit den Rückstellungen in zweistelliger Milliardenhöhe steuert Europas größter Autobauer auf den größten Verlust in der Geschichte des Konzerns zu. Im Jahr 1993 hatte es zuletzt einen Jahresfehlbetrag gegeben: 1,94 Milliarden D-Mark, also rund eine Milliarde Euro. Weitere Verluste in den 1980er und 1970er Jahren waren weit geringer.

Im Jahr 2014 hatte der Konzern unter dem Strich rund 11 Milliarden Euro verdient. Details für das Jahr 2015 sind zu diesem Posten, der sich nach dem Finanzergebnis und Steuern ergibt, noch unbekannt. Gleiches gilt für die mit Spannung von den Aktionären erwartete Höhe der Dividenden.

Rekordverlust droht

Der Konzern hatte zuletzt bereits erklärt, dass sein operatives Geschäft – also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) – in etwa auf dem Vorjahresniveau von 2014 liege, wenn man die Sondereffekte der Diesel-Krise mit ihren Rückstellungen außen vor lasse. Damit ist zumindest rein rechnerisch absehbar, dass ein Rekordverlust droht.

Im dritten Quartal hatte Volkswagen in einem ersten Schritt bereits 6,7 Milliarden Euro Puffer für die Rückrufe der manipulierten Wagen zurückgestellt. Wie teuer die Software-Manipulationen bei den weltweit mehr als elf Millionen Autos VW am Ende zu stehen kommen, ist indes auch mit den jüngsten Rückstellungen allenfalls ein Stück besser, aber noch lange nicht endgültig absehbar.

Weitere Schritte, mit denen Risiken besser als heute einzuschätzen sind, könnten neue Rückstellungen nach sich ziehen. Volkswagen sieht sich entlang des ganzen Erdballs mit Ermittlungen, Klagen, Strafen, oder etwa Forderungen nach Subventionsrückzahlungen konfrontiert.

Was bei Volkswagen im April wichtig wird

Am Vortag hatten sich die Wolfsburger mit den US-Behörden auf die Grundzüge einer Lösung im Abgas-Skandal verständigt. Damit ist die größte Gefahr für den Konzern in den USA vorerst gebannt: VW hat nun die Chance, mit Behörden und Sammelklägern Vergleiche auszuhandeln. Dabei können noch immer Milliardenzahlungen auf VW zukommen.

Die Gesamtkosten sind kaum absehbar

Die Eckpunkte solcher Einigungen stehen den Angaben zufolge bereits. Doch viele Fragen – vor allem zu den Gesamtkosten für den Konzern – sind offen. Die Wolfsburger werteten den Schritt aber als wichtigen Meilenstein: „Diese Vereinbarung wird in den kommenden Wochen in einen umfassenden Vergleich überführt werden“, sagte ein Sprecher.

Wie VW die „Dieselgate“-Drahtzieher finden will

Der zuständige US-Richter Charles Breyer, der die Grundsatzeinigung zwischen VW und den Klägern billigte, hatte am Donnerstag gesagt: „Ich bin sehr angetan, mitteilen zu können, dass die Parteien einen konkreten Plan vorgelegt haben.“ Es gehe zunächst um die rund 480.000 in den USA von der Affäre um manipulierte Emissionswerte betroffenen VW-Diesel mit 2,0-Liter-Motoren. Eine Einigung für alle der fast 600.000 Dieselwagen – dazu zählen auch noch etliche Fahrzeuge mit größeren 3,0-Liter-Motoren und sechs Zylindern – stehe noch aus.

Die Lösung umfasse die Option, dass VW einen Großteil der Autos zurückkaufe oder durch Umrüstung in einen erlaubten Zustand versetze. Leasingnehmern werde das Recht eingeräumt, ihre Verträge zu beenden und ihre Wagen zurückzugeben. Zudem werde der Hersteller „substanziellen Schadenersatz“ an die Besitzer zahlen. Konkrete Zahlen hierzu wurden aber zunächst nicht genannt. Nach einem unbestätigten Bericht der Zeitung „Die Welt“ sollen die Besitzer in den USA 5000 Dollar (gut 4400 Euro) als Wiedergutmachung erhalten.

Ob davon auch Kunden im Ausland profitieren, ist ungewiss. VW stellte klar: „Die sich nun abzeichnenden Regelungen in den USA werden in Verfahren außerhalb der USA keine rechtlichen Wirkungen entfalten.“

Hierzulande mehren sich aber kritische Stimmen aus Politik und Autoclubs, die Klarheit für die Kunden verlangen. Auch die laufenden strafrechtliche Ermittlungen der US-Justiz und Verfahren von US-Staatsanwälten sind von der Einigung nicht betroffen.

Zumindest Richter Breyer zeigte sich aber fürs Erste zufrieden. Er habe VW und den Behörden „aggressive Ultimaten“ gesetzt: „Meiner Auffassung nach wurden diese Fristen eingehalten.“

Bei Breyers Gericht in Nordkalifornien sind mehr als 600 Zivilklagen zumeist von geschädigten Autobesitzern, aber auch vom US-Justizministerium und anderen US-Behörden gebündelt. VW zufolge wurde auch mit diesen Klägern eine grundsätzliche Einigung erzielt.

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