VW-Abgas-Skandal Ein Jahr Dieselgate – und nun?

Seite 3/3

Wann werden die Dieselgate-Prozesse beendet sein?

Das ist noch nicht abzusehen – alleine schon, weil die Zahl an zivil- und strafrechtlichen Verfahren noch gar nicht bekannt ist. Rund um den Globus laufen Verfahren geschädigter Kunden, die je nach nationalem Recht mit mehr oder weniger großen Chancen um eine Entschädigungszahlung oder die Rücknahme ihres Wagens kämpfen.

Auch die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt noch – und wird wohl frühestens 2017 entscheiden, ob und wann die Ermittlungsverfahren in einer Anklage münden. Sollte es aber etwa in dem Verfahren um die kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht zu einem Gerichtsprozess kommen, dürfte der nicht schnell ausgestanden sein. Der Porsche-Prozess in Stuttgart hat zuletzt gezeigt, wie schwer solche internen Vorgänge hieb- und stichfest nachzuweisen sind.

Was ist schon von dem angekündigten Kulturwandel zu spüren?

Hier kann es nur schwer eine eindeutige Antwort geben. Eine Unternehmenskultur ist kaum messbar – und genauso schwer umzusetzen. Erste Auswirkungen der von Matthias Müller angestoßenen Reformen werden aber bereits sichtbar: Anders als sein Vorgänger Martin Winterkorn hält sich Müller aus einzelnen Produktfragen raus.

Wo Daimler im Abgas-Sumpf steckt
Daimler-CEO Dieter Zetsche Quelle: REUTERS
Daimler Quelle: REUTERS
Daimler-Chef Zetsche vor einer Mercedes V-Klasse Quelle: dpa
Mercedes C-Klasse Quelle: PR
Daimler Quelle: dpa
Dieter Zetsche Quelle: dpa

Das geht sogar so weit, dass die Entwickler des kommenden Midsize-SUVs, das im November vorgestellt werden soll, ungeahnte Freiheiten bekommen haben. Damit konnten sie – Baukasten-Strategie hin oder her – den Wagen auf die Wünsche und Gewohnheiten der US-Kunden anpassen. Ein Beispiel wäre das Navigationssystem, das US-Kunden anders nutzen als Europäer – eine leicht andere Programmierung und Bedienlogik schafft hier Abhilfe. Klingt nach einer Kleinigkeit, war aber früher in Wolfsburg undenkbar.

Es gibt aber auch andere Eindrücke: Als Volkswagen Anfang Juni diesen Jahres den Einstieg bei dem Fahrtenvermittler Gett bekannt gab – und quasi zum ersten Mal seit Monaten etwas Positives zu vermelden hatte – war gleich wieder das alte VW-Selbstbewusstsein zurück. Jetzt, da Volkswagen in den Mobilitätsmarkt einsteige, hätten sich massenhaft Fachkräfte anderer Autobauer in Wolfsburg beworben, war zu hören. Frei nach dem Motto: „Seht her, wir sind wieder wer!“ Die Demut war wie weggeblasen – und der alte Geist zurück.

Wer hat noch alles gemogelt?

Gegenfrage: Was ist mogeln? Wenn es darum geht, den zumindest in der EU gültigen Rechtsrahmen so zu biegen und zu verzerren, dass vollkommen unrealistische, aber rechtlich gerade noch vertretbare Abgas- und Verbrauchswerte auf dem Prüfstand gemessen werden, dann mogeln wohl fast alle Autobauer. In Nachtests in verschiedenen Ländern waren diverse Autos auffällig – zum Beispiel von Daimler, Opel und Renault. Ein „Defeat Device“ à la VW wurde aber bei keinem der auffälligen Autos nachgewiesen.

Das neue Who is Who im VW-Konzern
Stefan Knirsch Quelle: Audi
Hinrich Woebcken Quelle: dpa
Neuer Generalbevollmächtigter für die Aggregate-Entwicklung: Ulrich EichhornVolkswagen hat einen neuen Koordinator für die Aggregate-Entwicklung auf Konzernebene. Der WirtschaftsWoche bestätigte Ulrich Eichhorn, dass er im Frühjahr zu VW zurückkehrt. Der 54-Jährige kommt vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wo er die Verantwortung für die Bereiche Technik und Umwelt inne hatte. Zuvor war Eichhorn neun Jahre lang Entwicklungsvorstand bei der VW-Tochter Bentley. Eichhorn wird nicht Mitglied des Vorstands, sondern berichtet als Generalbevollmächtigter direkt an VW-Chef Matthias Müller – ähnlich wie der neue Chef-Stratege Thomas Sedran. Quelle: Presse
Der neue Generalbevollmächtigte für Außen- und Regierungsbeziehungen: Thomas StegEs ist kein Wechsel der Funktion, sondern der Zuordnung: Thomas Steg ist seit 2012 Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Bislang war dieser Bereich Bestandteil der Konzernkommunikation. Jetzt ist das Team um Steg als eigenständiger Bereich in das Ressort von VW-Chef Matthias Müller zugeordnet, an den Steg persönlich berichtet. Der diplomierte Sozialwissenschaftler wird zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit verantworten. „Mit der Bündelung der Konzernzuständigkeiten und der neuen Zuordnung des Themas Nachhaltigkeit trägt Volkswagen dessen wachsendem Gewicht Rechnung“, teilte der Konzern mit. Steg begann seine berufliche Laufbahn 1986 als Redakteur der Braunschweiger Zeitung. Danach war er Pressesprecher zunächst des DGB Niedersachsen/Bremen, ab 1991 des Niedersächsischen Sozialministeriums und ab 1995 der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen. 1998 übernahm er im Bundeskanzleramt die stellvertretende Leitung des Büros von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ab 2002 war er stellvertretender Regierungssprecher, ab 2009 selbstständiger Kommunikationsberater. Quelle: Presse
Der neue VW-Entwicklungsvorstand: Frank WelschKurz nach dem Bekanntwerden von Dieselgate wurde der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, beurlaubt. Bei der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember ernannte das Kontrollgremium Frank Welsch zu seinem Nachfolger. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist seit 1994 im Konzern. Über verschiedene Stationen in der Karosserie-Entwicklung, als Entwicklungsleiter in Shanghai und Leiter der Entwicklung Karosserie, Ausstattung und Sicherheit der Marke Volkswagen arbeitete er sich zum Entwicklungsvorstand von Skoda hoch. Diesen Posten hatte Welsch seit 2012 inne.Sein Vorgänger Neußer verlässt den Konzern allerdings nicht, sondern steht laut VW-Mitteilung "dem Unternehmen für eine andere Aufgabe zur Verfügung". Quelle: Volkswagen
Der neue VW-Beschaffungsvorstand: Ralf BrandstätterRalf Brandstätter wird Vorstand für Beschaffung der Marke Volkswagen. Der 47-Jährige folgt in seiner neuen Funktion auf Francisco Javier Garcia Sanz, der die Aufgabe als Markenvorstand in Personalunion zusätzlich zu seiner Funktion als Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung wahrgenommen hatte. In Zukunft wird Garcia Sanz zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernvorstand Beschaffung die Aufarbeitung der Diesel-Thematik betreuen. Brandstätter kam 1993 in den Konzern. Seit dem ist der Wirtschaftsingenieur in verschiedensten Posten für die Beschaffung verantwortlich gewesen, zuletzt als Leiter Beschaffung neue Produktanläufe. Zwischenzeitlich war er auch Mitglied des Seat-Vorstands. Seit Oktober 2015 ist Brandstätter auch Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Brandstätter berichtet wie der ebenfalls neu berufene Entwicklungschef Frank Welsch direkt an VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: Volkswagen
Neuer VW-Personalvorstand: Karlheinz BlessingMitten in der größten Krise der Konzerngeschichte bekommt Volkswagen mit dem Stahlmanager Karlheinz Blessing einen neuen Personalvorstand. Der Aufsichtsrat stimmte am 9. Dezember bei seiner Sitzung dem Vorschlag der Arbeitnehmerseite für den vakanten Spitzenposten bei Europas größtem Autobauer zu. Blessing folgt damit auf den bisherigen Personalvorstand Horst Neumann, dieser war Ende November in den Ruhestand gegangen. Der Ernennung war eine lange Suche nach einem geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Blessing (58) ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Stahlherstellers Dillinger Hütte. Zuvor war er Büroleiter des damaligen IG Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Anfang der 1990er Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. 1993 ersetzte er als Arbeitsdirektor bei der Dillinger Hütte Peter Hartz, der damals zu VW nach Wolfsburg ging. Blessing sei gut in der IG Metall vernetzt, habe aber auch unternehmerische Erfahrung, hieß es in den Konzernkreisen. Quelle: dpa

Wenn es beim Mogeln darum geht, auch eine illegale Abschaltvorrichtung zu verwenden, dann muss Fiat erwähnt werden. In einem auf Ende August datierten Brief an die EU-Kommission schreibt das Bundesverkehrsministerium, dass der „Nachweis des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung erbracht“ sei. Die Untersuchungen führte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Auftrag des Ministeriums durch.

Konkret kritisiert das Ministerium bei mehreren getesteten Fahrzeugen sowohl eine „Abschaltung der Abgasrückführung“ als auch einen speziellen Stickoxid-Katalysator, der nach wenigen Reinigungszyklen abgestellt wird. „Die Ansicht der italienischen Typgenehmigungsbehörde, die Abschalteinrichtung werde aus Gründen des Motorschutzes verwendet, kann Deutschland nicht teilen“, heißt es in dem Brief.

Noch ist der Vorwurf aus Berlin für Fiat ohne Folgen geblieben – Ausgang offen.

Einzig in Japan gab es noch einen vergleichbaren Vorgang: Mitsubishi hat zugegeben, über Jahre CO2- und Verbrauchstests manipuliert zu haben. Allerdings waren fast nur in Japan verkaufte Modelle betroffen – die Dimension des VW-Betrugs hat Mitsubishi nicht erreicht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%