VW-Abgas-Skandal Wie eng wird es für Winterkorn?

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Winterkorn-Vertraute wussten 2012 Bescheid

Einer dieser Beschuldigten ist Heinz-Jakob Neußer. Im Jahr 2012, als Neußer zum ersten Mal in den US-Dokumenten auftaucht, war er Leiter der Motorenentwicklung der Marke Volkswagen. Er unterstand zu diesem Zeitpunkt dem Entwicklungschef und Mitglied des Markenvorstands Ulrich Hackenberg – beide Techniker gelten als enge Vertraute Martin Winterkorns. Und beide sind seit Beginn des Skandals beurlaubt oder inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Schenkt man dem „Statement of Facts“ und der Strafanzeige Glauben, war Neußer 2012 über die Funktionsweise der Abschalteinrichtung und deren Auswirkungen genau informiert. Im Laufe des Jahres 2013 wurde Neußer gar zum Entwicklungschef berufen, nachdem Hackenberg zurück zu Audi beordert worden war. Damit unterstand der über die Manipulationen in den USA informierte Neußer im VW-Markenvorstand Winterkorn direkt. Ob die beiden je über die Vorgänge gesprochen haben, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen.

Zumindest nicht bis zu dem erwähnten 27. Juni 2015. Bei einer regelmäßigen Produkt- und Qualitätsbesprechung – im VW-Jargon „Schadenstisch“ genannt – hat einer der in den USA beschuldigten Manager detailliert über das „Defeat Device“ und die immer präziser werdenden Ermittlungen der US-Behörden berichtet. Neußer war anwesend, ebenso Winterkorn und der neue VW-Markenvorstand Herbert Diess.

„Weder der konkrete Inhalt dieser informellen Besprechung noch die konkreten Zeitpunkte, zu denen die betreffenden Vorstandsmitglieder teilnahmen, lassen sich im Detail rekonstruieren“, sagt Volkswagen.

„Wir haben darüber gesprochen, dass etwas Illegales in unsere Autos installiert wurde“, sagte einer der Anwesenden inzwischen der „Bild am Sonntag“. Die Runde wog sogar angeblich das Für und Wider eines Einräumens der Manipulationen ab. Zugeben, blamiert dastehen, aber vielleicht mit einer milderen Strafe davonkommen. Oder weiter verschweigen, darauf hoffen, dass es geheim bleibt und falls nicht eine ungleich höhere Strafe in Kauf nehmen.

Eine Entscheidung Winterkorns ist nicht überliefert oder lässt sich nicht belegen. Klar ist aber: VW hat auch nach diesem Tag im Juni den Betrug verschwiegen. Laut den US-Dokumenten soll Neußer noch im August ein Schriftstück abgesegnet haben, das die Abschalteinrichtung gegenüber der kalifornischen Umweltbehörde CARB weiter verschwieg, obwohl die Behörde den Konzern mit immer genaueren Messergebnissen konfrontierte. Ob er dies mit dem Segen Winterkorns oder gar auf dessen direktes Geheiß tat, könnte die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss interessieren.

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