VW Abgas-U-Ausschuss ist Chance für die Branche

Die Abgas-Affäre kratzt am VW-Image und kostet den Konzern Milliarden. Jetzt kommt auch noch ein Untersuchungsausschuss dazu. So negativ will es die Opposition im Bundestag aber nicht sehen.

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Was VW-Kunden jetzt wissen müssen
Ein kurzer Tastendruck und es geht los: Millimeter um Millimeter wächst der blaue Balken auf dem Computerbildschirm. In nur knapp zehn Minuten ist der schwarze VW-Amarok fertig, der an der anderen Seite des Kabels steckt. Es ist ein kleiner Schritt für den Techniker, aber ein großer für Volkswagen. Denn das Update markiert den Auftakt der größten Rückrufaktion in der Konzerngeschichte. Aber damit nicht genug: Zugleich stiftete das Update neue Verwirrung rund um den im Diesel-Skandal steckenden Autobauer. Noch vor dem offiziellen Segen des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamtes KBA waren die ersten VW-Amarok am Computer – früher als eigentlich angenommen. Quelle: dpa
Zur Aufklärung sagte am Mittwochabend ein VW-Sprecher: „In den vergangenen Tagen sind im Unternehmen die organisatorischen Vorbereitungen für den Rückruf des Amarok abgeschlossen worden.“ Dazu habe auch das Verschicken von Kundenbriefen gehört. Der Sprecher bestätigte zudem, dass die finale Freigabe vom KBA bei VW an diesem Mittwoch einging - das teilte die Behörde aber erst am frühen Abend mit. Zuvor hatte es von dort stets geheißen, die Freigabe stehe noch aus. Die Freigabe für die weiteren betroffenen Modelle befinden sich derzeit beim Kraftfahrt-Bundesamt noch in der Prüfung, wie es weiter hieß. Der VW-Sprecher erklärte: „Im Zuge einer so komplexen, umfassenden und markenübergreifenden Rückrufaktion kann es dazu gekommen sein, dass einige wenige Fahrzeuge bereits in den Werkstätten waren.“ Quelle: dapd
Das Anschreiben von Volkswagen im WortlautSehr geehrter Herr (), wir bedauern sehr, dass Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen derzeit auf die Probe gestellt wird. Und möchten uns zunächst in aller Form hierfür bei Ihnen entschuldigen. Im Rahmen der aktuellen Berichterstattungen über die Stickoxidproblematik bei Volkswagen müssen wir Ihnen mitteilen, dass auch Ihr Amarok betroffen ist. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergerätesoftware verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Mit diesem Schreiben möchten wir Sie informieren, dass die benötigte Software zur Verfügung steht und Ihr Fahrzeug nun umprogrammiert werden kann. Wir möchten Sie bitten, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird je nach Arbeitsumfang zwischen 30 Minuten und 1 Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. Haben Sie bitte Verständnis, wenn die Maßnahme aus organisatorischen Gründen im betrieblichen Ablauf auch einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann. Wir möchten Sie zudem darauf hinweisen, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. §5 FZV durchgeführt werden kann. Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Sie zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringen. Auch wenn Ihnen dieser außerplanmäßige Werkstattaufenthalt Unannehmlichkeiten bereiten sollte, hoffen wir auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei der Abwicklung dieser vorsorglichen Maßnahme. Wir schätzen Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen und bedanken uns für Ihre Loyalität. Sollten Sie nicht mehr im Besitz dieses Fahrzeuges sein, so geben Sie uns bitte den Namen und die Anschrift des neuen Halters beziehungsweise den Verbleib des Fahrzeugs an. Füllen Sie dazu bitte einfach die beiliegende Antwortkarte aus und senden Sie uns diese Information so schnell wie möglich zurück. Sollten Sie im Zusammenhang mit dieser Überprüfung Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Partner für Volkswagen oder an das Servicetelefon unter der Telefonnummer 05361 83 89 99 60. Mit freundlichen Grüßen Hinweis des Kraftfahrt-Bundesamtes: Ihre Anschrift haben wir für diese Maßnahme gemäß §35 Abs.2 Nr.1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten. Quelle: dpa
In der Werkstatt verlief die Umrüstung ohne Probleme. „Aktion 23R7 durchgeführt - Motorsteuergerät NOx“, stand danach im Serviceheft des Amarok in Hannover, dessen Update ein dpa-Fotojournalist begleitete. Das Auto soll nun nicht mehr erkennen können, ob sich ein Auto bei Abgasprüfungen auf dem Teststand befindet oder im Straßenverkehr. Für VW ist es der Startschuss des größten Rückrufs in der Geschichte. Allein hierzulande geht es um 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge. Die Rückruf-Aktion soll sich monatelang hinziehen. Quelle: dpa
Mitte September hatte Europas größter Autokonzern eingeräumt, mit einer Software Abgas-Tests bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Dies hatte den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Nun beginnt das „Jahr der technischen Umrüstung“, wie es im VW-Aufsichtsrat bereits hieß. Während die Rückruf-Maßnahmen in den USA für die betroffenen Diesel mit zwei und drei Litern Hubraum derzeit noch mit den Behörden abgestimmt werden, steht der Fahrplan in Deutschland bereits fest: Nach dem Amarok sollen die weiteren Varianten mit 2.0-TDI-Motor in die Werkstätten beordert werden, etwa beim Golf und Passat. Später soll dann der Rückruf für den 1.2-TDI-Motor anlaufen, auch hier reicht ein reines Software-Update aus. Quelle: dpa
Komplizierter wird es bei den 1,6-Liter-Modellen des Skandalmotors EA189. Stand am Anfang noch ein aufwändiger und teurer Austausch der Einspritzdüsen im Raum, hat Volkswagen bereits im vergangenen Jahr eine deutlich günstigere Lösung des Abgas-Problems vorgestellt. Nach Angaben von VW soll der zusätzlich eingebaute Strömungsgleichrichter dafür sorgen, dass Luft besser angesaugt und Treibstoff effizienter verbrannt werden kann. So sollen auch Abgaswerte entsprechend den Emissionsnormen verbessert werden. Quelle: dpa
Experten haben aber bereits Zweifel angemeldet, ob das vorgestellte Luftgitter wirklich ausreicht, um die Messwerte und damit die Verbrennung entscheidend zu verbessern. Die Umrüstung ist bei dem 1.6 TDI aufwändiger, weil alle drei Varianten des EA189 unterschiedliche Motorsteuerungen von verschiedenen Zulieferern stammen, die auf den jeweiligen Motor abgestimmt sind, werden bei jeder Variante auch andere Maßnahmen nötig. Quelle: dpa

Der geplante Untersuchungsausschuss zum Diesel-Skandal ist aus Sicht der Opposition eine Chance für die Industrie. „Wir wollen helfen, dass Arbeitsplätze gesichert werden“, sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch am Donnerstag in Berlin. Die Bundesregierung gefährde die deutsche Autoindustrie, wenn sie ihre Hand schützend über die Konzerne halte, sagte sein Amtskollege Anton Hofreiter von der Grünen-Fraktion. In Zukunft werde auf dem Markt gewinnen, wer die modernsten, innovativsten und umweltfreundlichsten Autos baue. Auf die Optimierung von Verbrennungsmotoren zu setzen, „halten wir von der Grundausrichtung her für fehlerhaft.“

Die zwischen VW und amerikanischen Behörden getroffene Vereinbarung zur Entschädigung von US-Kunden zeige, dass sie einen wirtschaftlichen Nachteil hatten, sagte Linke-Abgeordnete Herbert Behrens, der dem Ausschuss voraussichtlich vorsitzen wird. Er hoffe, eine Schlussfolgerung aus der Untersuchung sei eine Gleichbehandlung der Kunden in Deutschland in Europa. Er betonte, dass kein VW-Untersuchungsausschuss geplant sei, sondern einer, der den Skandal um überhöhte Schadstoff-Werte im Ganzen beleuchte.

VW hatte mit einer Software Abgastests bei Dieselautos manipuliert. Abgas-Nachmessungen des Kraftfahrtbundesamtes infolge des Skandals hatten Autobauer zu einem „freiwilligen Rückruf“ von 630 000 Autos gezwungen. Bei den betroffenen Modellen muss die Technik zur Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen geändert werden.

Wie VW die „Dieselgate“-Drahtzieher finden will

Aufgeklärt werden solle auch, warum etwa ein Vier-Liter-Auto kaum unter fünf oder sechs Litern auf hundert Kilometer zu fahren sei, sagte Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer. „Das hat ganz praktische Auswirkungen für die betroffenen Kundinnen und Kunden.“ Das Verhalten der Bundesregierung in der Diesel-Affäre bezeichnete er als „organisiertes Staatsversagen“.

Der Untersuchungsausschuss wird in der übernächsten Woche im Parlament diskutiert. Linke und Grüne wollen sich noch vor der Sommerpause auf das Programm einigen und „in gebührendem Abstand vor der Bundestagswahl“ Ergebnisse vorlegen. Eine Zeugenliste gibt es noch nicht, es gilt aber als sicher, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befragt wird. Auch die Mitglieder des achtköpfigen Ausschusses nicht noch nicht benannt. Behrens und Krischer gelten aber als gesetzt. Dazu kommen vier Vertreter der CDU/CSU-Fraktion und zwei der SPD.

SDP-Fraktionsvize Sören Bartol warnte vor einem grundsätzlichen „Verdacht der Kungelei“. Verfehlungen der Automobilindustrie müssten lückenlos aufgeklärt werden. Den von Dobrindt vorgelegten Untersuchungsbericht hätte man auch im Verkehrsausschuss des Bundestags behandeln können, die SPD respektiere aber den Wunsch der Opposition.



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