VW-Abgasaffäre Vertrauter belastet Winterkorn schwer

Der Druck auf Martin Winterkorn wird größer: Ein enger Vertrauter soll dem Ex-VW-Chef gesagt haben, dass man in den USA „beschissen“ habe – und das zwei Monate vor Bekanntwerden des Abgasskandals.

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Ex-VW-Chef Martin Winterkorn Quelle: dpa

Der 27. Juli 2015 ist ein Tag, der die Gerichte dieser Welt wohl noch lange beschäftigen wird. Zumindest, wenn es um Prozesse rund um den Abgasskandal bei Volkswagen geht. Bislang war bekannt, dass der damalige VW-Konzernchef Martin Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess bei einem Treffen in Wolfsburg über „Probleme“ mit den Abgaswerten einiger Dieselautos in den USA informiert worden sein sollen. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ jetzt berichtet, könnte an diesem Tag noch ein ganz anderer Vorgang Winterkorn schwer belasten.

Kurz vor dem Treffen in der Konzernzentrale soll Winterkorn, intern nur Wiko genannt, mit Bernd Gottweis telefoniert haben. Gottweis, ein enger Vertrauter des VW-Chefs und Leiter des Ausschuss für Produktsicherheit (APS), hat das nach Informationen der Zeitung den Ermittlungsbehörden erzählt. Gottweis' Aufgabe als APS-Leiter: Probleme in VWs Riesenreich erkennen, bevor sie bekannt werden. Und sie Brandherde löschen, natürlich. Eine Art Feuerwehrmann für technische Probleme.

Sprich: Wenn Winterkorn und Gottweis miteinander sprechen, geht es meist um heikle Dinge. Und die Lage war heikel, oder drohte zumindest heikel zu werden: Die US-Behörden wollten neue Dieselfahrzeuge von VW nicht zulassen, weil die Abgaswerte zu hoch seien. Das hat Winterkorn offenbar so aufgeschreckt, dass er an jenem 27. Juli, kurz vor seinem eigenen Sommerurlaub, zum Hörer griff und den in den USA weilenden Gottweis aus dem Bett klingelte.

Von dem, was dann geschah, gibt es zwei Versionen. Gottweis will laut seiner Aussage Wiko von dem drohenden Desaster berichtet haben, man haben in den USA „beschissen“. Winterkorn selbst will sich erinnert haben, dass von „Problemen“ die Rede gewesen sei. Dass auch über Betrug und Manipulationen gesprochen wurde, bestritt Winterkorn in seiner Aussage gegenüber der intern ermittelnden Kanzlei Jones Day.

Winterkorn wurde informiert – nur über was?

Egal welche der beiden Aussagen stimmt, zusammen mit den anderen bekannten Informationen setzt sich das Puzzle langsam zusammen. Nach dem offiziellen Ende des folgenden APS-Treffens in Wolfsburg sollen einige Entwickler Winterkorn und Markenchef Diess auf die Probleme in den USA angesprochen haben, auch einige Folien wurden gezeigt. Mit dabei war auch Oliver Schmidt, der jahrelang mit Umweltfragen in den USA betraut war – und als einziger deutscher VW-Manager vor einem US-Gericht steht. Die Ingenieure sollen dabei auch wortwörtlich von der „Defeat Device“ gesprochen haben. Überliefert ist auch der Ausruf Winterkorns „Du und deine Software!“. Als ob dem studierten Metallurg da dämmerte, welchen Schaden die Software anrichten könnte.

Wie Gottweis aussagte – offenbar gegenüber den deutschen Behörden, da er in den USA angeklagt ist und international gesucht wird, sollte er Deutschland derzeit nicht verlassen – habe er nach dem Treffen mit Schmidt telefoniert. Dieser soll erwähnt haben, dass Wiko gut über die US-Probleme informiert gewesen sei, so die „SZ“. Daraufhin will Gottweis Schmidt von dem frühmorgendlichen Telefonat berichtet haben. Was Schmidt zu der Bemerkung veranlasst habe, daher sei der Vorstandschef im Bilde gewesen.

Das Bild, dass sich mit diesen Aussagen zeichnen lässt, deutet darauf hin, dass Winterkorn und auch Diess Ende Juli über die Hintergründe und Tragweite der Abgas-Software informiert waren. Bis zum 18. September 2015, als die US-Behörden den Fall öffentlich machten, ist aber nichts passiert. Jene 53 Tage ab dem 27. Juli sind vor Gericht besonders wichtig. Fast zwei Monate, in denen Kunden und Anleger im Dunkeln gelassen wurden. Gottweis will darauf gedrängt haben, Anwälte darauf anzusetzen und Rückstellungen zu bilden.

Allerdings muss auch die Rolle des Qualitätssicherungs-Managers Gottweis genauer beleuchtet werden. Die US-Behörden werfen ihm in ihrer Anklageschrift vor, bereits 2012 über die Manipulationen im Bilde gewesen zu sein. Er selbst will erst am 21. Juli 2015 bei einem Treffen mit hochrangigen Managern davon erfahren haben. Aber auch vor deutschen Gerichten droht ihm Ungemach: Er zählt zu dem Kreis jener Manager, gegen die die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt.

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