VW-Abgasskandal Welche Ansprüche deutsche VW-Kunden haben

Allein in Deutschland sind 2,6 Millionen Autos von Volkswagens Rückruf wegen des Abgas-Skandals betroffen. Gemessen daran klagen nur wenige Kunden. Wie sind ihre Aussichten auf Erfolg?

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Welche Ansprüche haben VW-Kunden in Deutschland? Quelle: dpa

2,6 Millionen Fahrzeuge muss Volkswagen in Deutschland zurückrufen. Gemessen daran haben bislang nur wenige Kunden auf Schadenersatz geklagt. Gut 120 Entscheidungen gibt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bislang.

Die Urteile fielen unterschiedlich aus. Erst jüngst gab das Landgericht Hildesheim einem Skoda-Käufer Recht und verurteilte VW dazu, den Kaufpreis zurückzuzahlen. Der Großteil der Klagen wurde jedoch abgewiesen.

Rechtsexperten haben Zweifel, ob alle Richtersprüche in letzter Instanz Bestand haben können. Selbst Verbraucherschützer wie Otmar Lell vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sind unsicher: „Eine eindeutige Empfehlung kann man den Verbrauchern nicht geben“, sagt er.

In den USA entschädigt Volkswagen alle Kunden. Wieso ist es in Deutschland grundsätzlich schwerer, Schadenersatz einzuklagen?

Das liegt am deutschen Recht. „In den USA haben Schadenersatzzahlungen neben der Schadenbeseitigung auch Strafcharakter, das treibt die Schadenshöhe“, erklärt Horst Grätz von der Regensburger Kanzlei Rödl & Partner. In Deutschland hingegen wird nur der tatsächlich entstandene Schaden beglichen. Den muss der Kunde allerdings nachweisen. Doch im Falle der Abgasschummeleien reicht ein simples Software-Update, um das Problem zu bereinigen. Grätz ist deshalb vorsichtig: „Ich bin eher skeptisch, dass Autos zurückgegeben werden können.“

Wieso haben Gerichte dann schon zugunsten von VW-Kunden entschieden?

„Solange das nicht höchstrichterlich, am besten vom Bundesgerichtshof geklärt ist, ist jeder Richter frei, über den Rücktritt vom Kauf zu urteilen“, erklärt Jura-Professor Florian Bien von der Universität Würzburg. „Die Einzelfälle unterscheiden sich zudem im Sachverhalt erheblich.“ Einmal wird ein Händler verklagt, einmal Volkswagen selbst. „Das Problem ist, dass der Käufer mit Volkswagen keinen Vertrag abgeschlossen hat“, so Bien. Und der Händler habe ein Recht zur zweiten Andienung. Solange der Käufer die Chance zur Nachbesserung nicht eingeräumt habe, könne er auch nicht zurücktreten, so Bien. Allerdings gelte auch: „Der Händler kann sich nicht darauf berufen, dass die Nachbesserung wegen der fehlenden Freigaben vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) nicht rechtzeitig erfolgen konnte.“

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Welche Möglichkeiten haben VW-Kunden noch?

„Die durch den gesamten Abgasskandal entstandene Wertminderung kann noch am ehesten angesetzt werden, um Schadenersatz beim Hersteller durchzusetzen“, sagt Rechtsexperte Klaus Heimgärtner vom ADAC. Voraussetzung sei aber, dass die Merkmale der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung oder der Verletzung eines Gesetzes zum Schutz eines Dritten erfüllt seien. Das Problem: „Bislang gibt es keine zuverlässigen Zahlen über Wertminderungen von gebrauchten VWs mit unzulässiger Abschalteinrichtung“, so Heimgärtner.

Welche Möglichkeiten außer der Einzelklage gibt es?

In Deutschland gibt es keine Sammelklagen. Die US-Kanzlei Hausfeld versucht das deshalb anders einzufädeln. Kunden können ihre Ansprüche über eine Internetplattform abtreten. „Durch Abtretungsmodelle wie myright.de umgehen Verbraucher das Prozesskostenrisiko“, sagt Verbraucherschützer Lell. Jura-Professor Bien hält allerdings die Argumentation, dass sich die Käufer auf die zu Unrecht vom KBA erteilte Zulassung berufen können, allerdings für schwierig. Der Ausgang sei offen.

Gibt es noch ähnliche Modelle?

In den Niederlanden gibt es eine andere Variante. Dort wurde eine Stiftung nach niederländischem Recht gegründet, an der sich Kunden kostenlos beteiligen können. Sie verhandelt dann mit dem Konzern über Schadenersatzzahlungen. „Ob das klappen wird, ist auch noch nicht in trockenen Tüchern“, sagt Verbraucherschützer Lell. Die Idee basiere darauf, dass Volkswagen sich auch auf einen Vergleich einlasse.

Wie lange haben VW-Kunden Zeit?

Grundsätzlich gilt die Gewährleistung in Deutschland zwei Jahre nach Übergabe des gekauften Autos. Bei Gebrauchtwagen wird die Gewährleistungsfrist oft auf ein Jahr verkürzt. „Eine Möglichkeit, diese zu umgehen, ist die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung“ sagt Bien. Sie ist bis zu ein Jahr nach Entdeckung der Täuschung möglich. „Wird eine Schadensersatzhaftung der VW AG bejaht, dann endet die Verjährungsfrist erst Ende 2018.“

Das Kraftfahrtbundesamt hat im vergangenen Jahr angeordnet, dass auch andere Hersteller bis zu 630.000 Diesel-Fahrzeuge nachrüsten müssen. Wie stehen hier die Chancen auf Schadenersatz?

Die ersten Kanzleien suchen nach potenziellen Klägern. Jura-Professor Bien hält die Erfolgsaussichten aber für gering. Ohne verbindliche Entscheidung des KBAs, sei fraglich, ob die Zivilgerichte von einem Mangel ausgehen werden. „Da wird es sehr schwierig, Gewährleistungsrechte wie Rücktritt oder gar Schadenersatzansprüche durchzusetzen.“

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