VW-Aufsichtsrätin Ursula Piëch Die mächtigste Frau der deutschen Wirtschaft

Piëchs sind eins der erfolgreichsten Unternehmerpaare Deutschlands. Langsam rückt Ursula Piëch aus dem schatten ihres Mannes ins Rampenlist Quelle: dpa

Sie begann als Gouvernante seiner Kinder, heute ist sie Ferdinand Piëchs Ehefrau und wichtigste Ratgeberin: Kann Ursula Piëch eines Tages seine Rolle übernehmen?

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Dieser Artikel erschien in genau dieser Form am 30. Juli 2014 erstmals auf WirtschaftsWoche Online.

Ursula Piëch bahnt sich den Weg. In ihrer Linken schwenkt sie den sündhaft teuren Birkin Bag von Hermès im grauen Straußenleder-Design, rechts hat sich Ehemann Ferdinand mit ernstem Blick, Hermès-Krawatte und schwarzer Aktentasche untergehakt. Die Frau mit der Pagenfrisur lächelt freundlich, aber in ihren braunen Augen blitzt Kampfeslust. So kämpft sich das Paar unaufhaltsam, Meter für Meter, durch die Messehalle, einen Schwarm von Volkswagen-Managern und Journalisten mit sich ziehend. Die einen weisen servil auf die Details der ausgestellten Autos hin. Die anderen versuchen scharfzüngige Bemerkungen des mächtigen VW-Aufsichtsratschefs einzufangen – und der Frau an seiner Seite persönliche Dinge und Ansichten zu entlocken. Immerhin sitzt sie als Vertreterin der Kapitalseite seit über einem Jahr in den Aufsichtsräten von VW und Audi und kennt viele Geheimnisse aus den inneren Machtzirkeln bei Europas größtem Automobilkonzern. Nur allzu gerne würde man Details erfahren, wissen, wie sie tickt und wie sie Einfluss auf ihren Mann und die übrigen Mitglieder des Kontrollgremiums nimmt.

Bitten um ein Interview, die der eine oder andere auch am Rande der VW-Hauptversammlung an sie richtet, prallen an der 58-Jährigen ab wie Gummibälle an einer Betonwand. Sie sei doch „eine ganz unbedeutende Frau“, für Homestorys stehe sie prinzipiell nicht zur Verfügung, und über ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat dürfe sie nicht reden. „Ich bitte Sie!“ Ursula Piëch teilt die Menge der Wissbegierigen mit einer schnellen Bewegung ihres linken Arms und greift sich wieder ihren Mann, der die Szene aus der Distanz aufmerksam verfolgt hat – jederzeit bereit, seiner Frau zur Seite zu springen. Doch Ursula Piëch braucht keine Hilfe. Sie weiß mit Menschen umzugehen und hat gelernt, auf Distanz zu gehen: resolut, aber zugleich so freundlich, dass ihr niemand böse sein kann.

Romantische Story mit gesamtwirtschaftlicher Wirkung

Deutschlands heimliche Herrscherinnen
Name: Ursula PiëchGatte: Ferdinand PiëchHeirat: 1984Imperium: VWLeistungen: Beurteilung noch nicht möglich Quelle: dpa
Name: Liz Mohn Gatte: Reinhard Mohn (1921-2009)Heirat: 1982Imperium: BertelsmannLeistungen: Hielt Bertelmann unter Kontrolle der Mohns. Aktienrückkäufe im großen Stil bürdeten den Unternehmen aber zusätzliche Schulden von 4,5 Milliarden Euro auf, die den gesamten Schuldenstand zwischenzeitlich auf elf Milliarden Euro trieben. Quelle: dpa
Name: Gloria von Thurn und TaxisGatte: Johannes Prinz von Thurn und Taxis (1926-1990)Heirat: 1980Imperium: Wald und ImmobilienLeistungen : Sanierung des fürstlichen Besitzes durch Konzentration auf Waldbesitz, Immobilien, Vermögensverwaltung. Quelle: AP
Name: Maria-Elisabeth SchaefflerGatte: Georg Schaeffler Heirat: 1963Imperium: Schaeffler GruppeLeistungen : Ausbau des mittelständischen Familienunternehmens zum Weltkonzern Quelle: AP
Name: Friede Springer Gatte: Axel Springer (1912-1985)Heirat: 1978Imperium: Axel Springer AGLeistungen : Sorgte mit CEO Döpfner für Kontinuität an der Spitze. Drängte 2002 Großaktionär Leo Kirch aus dem Unternehmen. Aufstieg in den MDax. Quelle: dapd
Name: Johanna QuandtGatte: Herbert Quandt (1910-1982)Heirat: 1960Imperium: BMWLeistungen: Deutschlands reichste Frau. Hat auf die richtigen Berater gehört und allen Kaufofferten widerstanden.

Jeder kennt VW, aber möglichst niemand soll die wichtigste Frau im Kontrollgremium kennen. Ursula Piëch möchte lieber weiter im Hintergrund wirken, im Schatten ihres Mannes, für den sie die perfekte Ergänzung ist, „so wie es in einer guten Partnerschaft sein sollte“, wie sie findet.

Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche gibt das Paar, Seit’ an Seit’ auf einem schwarzen Ledersofa, einen kleinen Einblick in seine Beziehung. Es ist, das wird schnell klar, eine späte wie andauernde Liebe, auch eine romantische Story – die irgendwann eine gesamtwirtschaftliche Dimension erfahren könnte: Nach den Plänen von Ferdinand Piëch soll seine Frau im Stiftungsrat, der das Familienvermögen verwaltet, nach seinem Tod eine Schlüsselrolle spielen. Sie bekäme dann enormen Einfluss auf die Geschicke von Europas größtem Auto- und Mobilitätskonzern.

„Bescheidene Frau mit großem Einfluss“

Seit inzwischen 30 Jahren sind Ursula und Ferdinand Piëch ein Paar, die gelernte Erzieherin und der Ingenieur, ehemalige Vorstandsvorsitzende von Volkswagen und heutige Aufsichtsratschef, der etwa 13 Prozent an der Porsche Holding SE besitzt und ein Privatvermögen von geschätzt über vier Milliarden Euro.

Das auf den ersten Blick ungleiche Paar wurde im Porsche-Piëch-Clan anfangs belächelt, teilweise auch kritisiert. Zumal Ferdinand Piëch für „Uschi“ seiner Lebensgefährtin Marlene Porsche den Laufpass gab – die er seinem Cousin Gerhard ausgespannt hatte. Anfangs war „Uschi“ auch nur wenig mehr als die junge, so hübsche wie lebenslustige Rotblonde an Piëchs Seite, die Frau, die als Ersatzmutter seine Kinder großzog und ihn aufmunterte, wenn er nach langen Vorstandssitzungen nach Hause kam. Doch dieser Rolle ist sie längst entwachsen, aus dem früheren Kindermädchen wurde „eine bescheidene Frau mit großem Einfluss“, wie es ihr Mann formuliert.

„Es gibt gute Gründe für die These, dass Ferdinand Piëch ohne seine um 19 Jahre jüngere Frau nicht dort wäre, wo er heute ist“, sagt ein enger Vertrauter der Familie.

Aus dem Kindergarten hinaus in die Welt

In die Wiege gelegt war ihr die Rolle nicht. Ursula Plasser wird am 19. Mai 1956 in Linz an der Donau als Tochter eines Zollbeamten geboren. Die ersten 25 Jahre verbringt sie in der Landeshauptstadt von Oberösterreich. Sie absolviert eine Ausbildung zur Erzieherin und leitet später einen Kindergarten in Braunau am Inn. „Sie war eine beliebte, gute und geschätzte Kindergärtnerin“, erzählte eine frühere Kollegin den „Oberösterreichischen Nachrichten“.

Doch auf Dauer ist der lebenslustigen Frau das Innviertel zu eng – sie will hinaus in die Welt. Die Möglichkeit dazu eröffnet ihr 1982 eine Zeitungsannonce. Marlene Porsche, die damals mit Ferdinand Piëch im Salzburger Land lebt, sucht eine Gouvernante. Verlangt werden guter Umgang mit Kindern, aber auch Bereitschaft zu Mobilität: Die Familie plant Reisen.

Die damals 25-Jährige bewirbt sich und bekommt die Stelle. Zwei Tage nach ihrem Jobantritt in den Weihnachtsferien verlangt der Hausherr ihr plötzlich eine Prüfung im Allradfahren ab: Mit dem VW-Geländewagen Iltis soll sie den verschneiten Weg zur Berghütte hinauffahren. „Ich ließ die Probandin an der steilsten Stelle, immerhin 17 Prozent, anhalten und wieder anfahren“, erzählt Piëch in seiner „Auto.Biographie“.

Die Skeptiker haben sich getäuscht

Sie würgt das Auto zwar zweimal ab und schimpft im Geiste auf den „blöden Kerl“, der ihr solche Fahrübungen abverlangt. Dennoch kommen sich die beiden schnell näher. Bald unternehmen sie Beschleunigungsrennen gegeneinander, er auf einem Geländemotorrad, sie am Steuer eines roten, über 300 PS starken Audi Sport-Quattro – ihr Lieblingsauto bis heute. Im September 1984 wird geheiratet.

Der Mittvierziger hat da bereits neun Kinder aus drei Verbindungen. „Maderl, überleg dir’s noch mal ganz genau“, warnt beim Vorgespräch eine Standesbeamtin in Ingolstadt, wo Piëch damals als Technikvorstand von Audi wirkt. Das Paar verlegt daraufhin die Hochzeit ins oberösterreichischen Schärding. Eine Tochter des Bräutigams fragt noch: „Wie kannst du nur meinen Vater heiraten, du bist doch so ein fröhlicher Mensch?“

Doch die Skeptiker sollten sich täuschen. Das Paar bekommt drei Kinder – und scheint bis heute glücklich. „Ich glaube, dass er seine Frau immer noch von ganzem Herzen liebt“, sagt ein enges Familienmitglied. „Sie ist eine tolle Frau“, bestätigt der Patriarch mit heftigem Nicken seines Kopfes. Der als eiskalt geltende Piëch ist im privaten Rahmen nicht wiederzuerkennen, kommt witzig und warmherzig daher.

Die Frau im Schatten

Ursula Piëch mit ihrer herzlichen Art gibt ihrem Mann etwas, was ihm lange gefehlt hatte. Der Vater stirbt, als er 15 Jahre alt ist. Die von ihm hochverehrte Mutter Louise hat nach dem frühen Tod ihres Mannes Anton als Chefin der Porsche Holding Salzburg, Generalimporteur für VW und Porsche in Österreich, keine Zeit, sich um ihre vier Kinder zu kümmern. Sie schickt ihren zweitältesten Sohn Ferdinand auf das Lyceum Alpinum in der Schweiz. Piëch beschreibt die Einrichtung als „typisches Abhärtungsinternat, elitär, schlicht und streng“. Hier habe er die Erkenntnis gewonnen, dass vieles „nur im Alleingang möglich ist“.

Nach diesem Prinzip führt Piëch („Nicht ausgegorene Gedanken teile ich mit niemandem auf der Welt“) später erst Audi, dann Volkswagen. Zutiefst misstrauisch, hat er nur wenige Freunde, noch weniger echte Vertraute. „Der einzige Mensch, dem er vollkommen vertraut, ist seine Frau“, ist der Eindruck von jemanden, der die Familie privat gut kennt. „Sie unterstützt ihn, wo sie nur kann“, heißt es an anderer Stelle in ihrem Umfeld, „und sie hat nie den Fehler gemacht, ihn in den Schatten zu stellen.“

Praxisberichte vom Auto-Gott

Ursula Piëch hat weder Ingenieurwissenschaften studiert noch unternehmerische oder automobile Erfahrung. Doch inzwischen kennt sie den VW-Konzern mit seinen vielen Marken, Fragen des Managements und technischen Details aus Produktion und Fahrzeugentwicklung vermutlich besser als viele Manager. Denn ihr Mann hat sie sukzessive in die Branche eingeführt, mit den wesentlichen Themen vertraut und auch mit den Schlüsselfiguren der Branche bekannt gemacht, darunter den Fiat-Haupteignern der Familie Agnelli. Laut Medienberichten führen die Familien gerade Sondierungsgespräche über eine Übernahme von FiatChrysler durch VW.

Den VW-Konzern dürfte Uschi heute bis in den letzten Spurwinkel kennen: Weil Ferdinand Piëch ungern lange Texte studiert, hat sie schon vor Jahren damit begonnen, ihm alle wichtigen Papiere vorzulesen. Dass Ferdinand ihr auch die Zusammenhänge erklärte, darf angenommen werden. Praxisberichte vom Auto-Gott – einen besseren Lehrmeister konnte sie nicht bekommen. „Sie weiß genau, wie er tickt, worauf er hinaus will und was er dazu plant“, vermutet ein langjähriger Wegbegleiter. So wurde sie quasi sein weiblicher Stellvertreter, eine Art Piëch zwo.

Die Ehepaare der Wirtschaft
Brigitta und Titus Dittmann Titus Dittmann gilt als Vater der deutschen Skateboard-Szene. Mit seiner Frau ist er seit 1974 verheiratet - der gemeinsame Sohn Julius (links) führt mittlerweile die Familiengeschäfte. Nach missglücktem Börsengang bringt er heute Kindern in Afghanistan und Afrika das Skateboarden nahe. Seine Frau beantragte damals den "Reisegewerbeschein", um das Unternehmen zu gründen. Titus Dittmann konnte das nicht machen. Sein Beruf als Lehrer erlaubte es ihm nicht. Quelle: PR
Erivan und Helga HaubJahrelang prägten sie die Tengelmann-Gruppe: Erivan und Helga Haub. Sie heiraten 1958, elf Jahre später übernimmt Erivan Haub die Geschäftsführung des Familienunternehmens. Unter ihm expandiert Tengelmann zu einem der weltweit größten Handelsunternehmen. Helga Haub engagiert sich  vor allem für die Umwelt und verbannt 1984 Schildkrötensuppe aus dem Sortiment. Quelle: DPA
Gerd und Gabriele StrehleSie war jahrelang der kreative Kopf der Modefirma Strenesse, er der ökonomische. 1973 kommt Gabriele Strehle – damals noch Gabriele Hecke – als Designerin zu den Nördlinger „Bekleidungswerken Strehle“. Sie prägt das Unternehmen mit ihrer Handschrift und entwickelt die Marke Strenesse.  1985 heiratet sie Gesellschafter Gerd Strehle, 1998 erhält die Marke ihren Namenszusatz „Strenesse – Gabriele Strehle“, zwei Jahre später wird aus der Strehle GmbH die Strenesse AG. 2012 hat Gerd Strehle seinen Vorstandsvorsitz an seinen Sohn aus erster Ehe, Luca Strehle, abgegeben und hat den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Gabriele Strehle hat das Unternehmen daraufhin verlassen. Quelle: DPA
Bertha und Carl Benz Bertha Benz stammte aus einer wohlhabenden Familie. Weil sie sich ihr Erbe vorzeitig auszahlen ließ, konnte Carl Benz aus einem Vertrag mit einen Motorenbauer herausgekauft werden, so erzählt es die Urenkelin Jutta Benz im Interview mit Wiwo.de. Kaufmännisch begabt sei Carl Benz nicht gewesen: An der zweiten Firma Benz & Cie., die er gründete, war er lediglich mit zehn Prozent beteiligt. Dieses Unternehmen lief gut; Carl Benz war die meiste Zeit mit seinen Erfindungen beschäftigt. Bertha Benz soll Druck ausgeübt haben, es war schließlich auch ihr Geld, das in dem Unternehmen steckte. Quelle: Presse
Sonia und Willy BognerDas Unternehmer-Ehepaar ist seit 1972 verheiratet. Er ist der erfolgreiche Kaufmann, wie "Die Welt" schreibt; sie der kreative Kopf des Modeunternehmens. Willy sei der Chef, sie die Chefita - auf Gleichberechtigung habe Sonia Bogner keine Lust: Sie möchte nicht die ganze Verantwortung für die Firma tragen müssen. Quelle: Presse
Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und HalbachDiese Szene aus dem ZDF-Dreiteiler „Krupp – Eine deutsche Familie“ von 2009 zeigt Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach (dargestellt von Iris Berben und Thomas Thieme). Nach dem Tod ihres Vaters Friedrich Alfred Krupp war die noch minderjährige Bertha Krupp Alleinerbin des Stahlriesen Krupp. Auf Vermittlung von Kaiser Wilhelm II. heiratete sie den preußischen Adligen Gustav von Bohlen und Halbach. Das Paar durfte auf königlich-preußischen Erlass solange den Namen „Krupp von Bohlen und Halbach“ tragen, solange ihnen das Unternehmen persönlich gehörte. Quelle: dpa
Liz und Reinhard Mohn Elisabeth (Liz) Mohn war 17 Jahre alt, als sie Reinhard Mohn kennen lernte. Drei Kinder haben sie gemeinsam, die - bis auf einen Sohn - alle Anteile am Medienkonzern halten. Ihr wurde als Familiensprecherin das Recht eingeräumt, bis zu ihrem 80. Lebensjahr in alle Informationen und Besprechungen involviert zu sein. Während sich Reinhard Mohn bis zu seinem Tod 2009 immer mehr aus dem Geschäftsleben zurückzog, wuchs der Einfluss seiner Ehefrau gleichermaßen. Sie ist heute Aufsichtsratsmitglied bei Bertelsmann. Quelle: dpa

Und Uschi ist eine der wenigen, wenn nicht vielleicht sogar die Einzige, die Ferdinand zu widersprechen oder gar zu foppen wagt, sogar vor versammelter Mannschaft. Als er einmal bei einer Abendgesellschaft vom Porsche Boxster schwärmt und darauf verweist, dass seine Frau das zweisitzige Cabriolet schätze, funkt ihm die kess dazwischen: „Stimmt nicht – da kriege ich ja keinen Kindersitz rein.“ Die Tischgesellschaft grölt, der Gastgeber läuft rot an – aber verzeiht seiner Frau gleich wieder.

Mit Humor im strengen Unternehmen

Sie bringt einen leichten wie selbstironischen Ton in den Konzern, der streng hierarchisch organisiert ist und wo das Leistungsstreben oft den Humor erstickt. Das zeigte sich auch vor zwei Jahren bei der Feier zu Piëchs 75. Geburtstag in Dresden.

In die „schönste Stadt Deutschlands“ (Piëch) lud das Paar rund 200 Personen ins Fünf-Sterne-Hotel Taschenbergpalais ein, die Konzernvorstände mit ihren Partnern, Linde-Chef Wolfgang Reitzle, den früheren ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz und das damalige Bundespräsidenten-Paar Christian und Bettina Wulff – aber auch Manager, die Piëch geschasst hatte.

Die Gäste fanden auf ihren Zimmern eine Hörbuchfassung von Karl Mays Westernroman „Unter Geiern“ vor. Die Festrede – die sich das Geburtstagskind eigentlich verbeten hatte – hielt der Kabarettist Django Asül. Motto der Veranstaltung, geborgt bei dem Schriftsteller Ödön von Horváth: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“

Organisiert hatte das Spektakel Ursula Piëch – die auch dem Festredner die Stichworte für seine Pointen lieferte. Die waren so frech, dass einige Vorstände vorsichtshalber erst die Reaktion des Jubilars abwarteten, ehe sie ins Gelächter einfielen.

Piëchs Chefin

Uschi, der fröhliche Socializer, Ferdinand, der trockene Fakten- und Machtmensch – sie spricht das Herz der Menschen an, er den Verstand. So erleben Außenstehende die Rollenverteilung.

Ursula Piëch ist privat vielseitig interessiert, kocht und schwimmt gerne, freut sich an schönen Gärten und schnellen Autos, am liebsten rot lackiert. Aber sie gilt auch als energisch, hellwach und durchsetzungsstark – ihr Mann nennt sie deshalb scherzhaft „Meine Chefin“. Wehe, wenn ihr etwas nicht gefällt und die kleine Furche zwischen ihren Augenbrauen tiefer wird: Dann droht Gewitter.

Eine heikle Rolle

Bekannte berichten, dass sie anders als der Konzernkönig offen und unbefangen auf andere Menschen zugehe. „Als wir uns auf der Automesse trafen, war ich erstaunt, dass sie meinen Namen noch kannte“, sagt Friedrich Indra, Honorarprofessor an der TU Wien, „obwohl wir uns zuvor erst einmal gesehen hatten.“

Indra hatte von 1979 bis 1985 die Motorenkonstruktion bei Audi geleitet und den so sparsamen wie dynamischen Turbodiesel entwickelt – Piëch war zu der Zeit Entwicklungschef von Audi. „Etwas später traf ich die beiden wieder, und ich fragte Herrn Piëch, ob er meinen kritischen Artikel zum Elektroauto gelesen hätte. Bevor er eine Chance hatte, zu antworten, sagte Ursula Piëch: ,Ich habe ihn gelesen.‘“

So offen wie Indra sind nur wenige. Selbst Freunde, die „nur Gutes“ zu berichten hätten, verweigern Auskünfte über die Rolle von Ursula im VW-Kontrollgremium – „zu heikel“. Selbst Audi-Chef Rupert Stadler, der die Eheleute seit über 20 Jahren kennt, wird schmallippig, wenn er auf Ursula Piëch angesprochen wird. Dabei sitzt diese seit Mai 2013 auch in seinem Aufsichtsrat. „Sie ist ein absoluter Zugewinn“, lobt Stadler, nicht nur als „echter Audianer“, sondern aufgrund ihrer intimen Kenntnisse des Konzerns, die sie in den Aufsichtsrat einbringe. Details? „Sie werden verstehen, dass ich nicht über Inhalte von Aufsichtsratssitzungen berichten kann.“

Im Kampf für Gerechtigkeit und Perspektiven

VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, in der Funktion Mitglied des Aufsichtsrats, taut aus dem Grund erst auf, als die Rede auf die Rolle von Ursula Piëch im Kuratorium der 2011 gegründeten VW-Belegschaftsstiftung kommt. Diese fördert mit Millionenaufwand Hilfsprogramme für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Im Rahmen des Projekts „Tu importas“ etwa erhalten 100 Jugendliche aus dem Umkreis des portugiesischen VW-Werks Setubal eine duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild.

Die Initiative dazu, verrät Osterloh, ging von Ursula Piëch aus: „Sie hat ein starkes Gefühl für Ungerechtigkeiten und will Jugendlichen in den südeuropäischen Krisenländern eine Perspektive geben.“ Ähnliche Projekte, deutet die Aufsichtsrätin im Gespräch an, würden für arbeitslose Jugendliche in Spanien und Italien vorbereitet. „Wir müssen da mal Geld in die Hand nehmen“, drängt sie.

Auch Lohngleichheit treibt Ursula Piëch um. Bei VW wird, wie Osterloh betont, allein nach Tätigkeit gezahlt. Dennoch sieht sie Verbesserungsbedarf. Denn oft würden Frauen zu schlechteren Konditionen eingestellt, „weil sie schlechter verhandeln als Männer oder weil man das Gehalt für die Position niedriger ansetzt. Das kann nicht in Ordnung sein.“

Vom Hintergrund in den Aufsichtsrat

Soziale Themen beschäftigen die frühere Erzieherin seit Jahrzehnten. Meist wirkte sie im Hintergrund, etwa als Gründerin und Kuratoriumsmitglied der Neuen Schule in Wolfsburg oder als Spenderin für wohltätige Zwecke in Braunschweig. Dort lebte das Ehepaar zwischen 1997 und 2002 in einer Stadtvilla am Wilhelmitorwall und engagierte sich in der Stadt für Kultur, Sport und auch eine neue Schule.

Im Januar wurde Ferdinand Piëch dafür zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Der damalige Oberbürgermeister Gert Hoffmann machte in seiner Festrede deutlich, dass auch Ursula Piëch ihren Anteil an der Würdigung habe: „Wenn es üblich wäre, Ehepaare zu Ehrenbürgern zu machen, müssten wir das im vorliegenden Fall tun.“

Die Zeit, wo Ursula Piëch still im Hintergrund wirken konnte, sind seit ihrer Berufung in die Aufsichtsräte von VW und Audi aber vorbei. Bei aller Bescheidenheit ist sie zu einer Person des öffentlichen Lebens geworden. Nur langsam gewöhnt sie sich an diese Rolle.

Alltagstauglichkeit im Selbsttest

So im Mai beim Empfang des VW-Aufsichtsrats im Neuen Rathaus von Hannover. Als Oberbürgermeister Stefan Schostok Piëch bat, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen, ergriff seine Frau den Füller und schrieb: „Für ein glückliches Leben braucht man nicht viel. Gesundheit, Glück, Freude und stille Reserven.“ Gezeichnet: Ursula. Dem Ehemann blieb die Aufgabe, seinen Ferdinand danebenzusetzen. Kurz darauf stimmte Ursula Piëch auch noch das Lied Happy Birthday an, in das nach und nach der ganze VW-Vorstand und -Aufsichtsrat einfiel: zu Ehren des Oberbürgermeisters, der an diesem Tag seinen 50. Geburtstag feierte.

„Die Frau hat sich in den letzten zwei Jahren sensationell entwickelt“, schwärmt ein Wegbegleiter der Familie. „Sie hat mit niemandem eine gemeinsame Leiche im Keller“, sagt der Autoexperte eines Analysehauses, „und muss niemanden aus alter Verbundenheit heraus in ein Amt hieven. Das macht sie unabhängiger.“

Wie schwer es aber manchen Männern in der Autobranche immer noch fällt, Frauen in ihrer Mitte ernst zu nehmen, macht ein Aufsichtsrat – wenn auch eher ungewollt – deutlich. Nach eigenem Bekunden schätzt er Ursula Piëch sehr. Und überhaupt täten Frauen dem Unternehmen gut: „Sie können dazu beitragen, die Autos alltagstauglicher zu machen.“ So hätten sie etwa einen viel besseren Blick dafür, ob sich der Kinderwagen problemlos im Kofferraum verstauen lasse.

Für größere Handschuhfächer und einen zweiten Schminkspiegel

Was in den Ohren manch emanzipierter Frau wie Hohn und Spott klingt, regt Ursula Piëch kein bisschen auf. Wie ihr Mann schmunzelnd bestätigt, teste sie ausgiebig die Alltagstauglichkeit aller Neuwagen.

Bei Audi und VW sorgte Ursula Piëch für alltagstauglichere Autos Quelle: dpa

Auf diese Weise sorgte sie dafür, dass beim VW Golf das Handschuhfach vergrößert wurde, auch auf der Fahrerseite ein Schminkspiegel in der Sonnenblende zu finden ist – und dass in den Fahrzeugen die Lüftung für Fahrer und Beifahrer getrennt zu regeln ist. Ferdinand Piëch, der zugempfindlich ist und leicht friert, hatte seine Autos immer ohne Klimaanlage geordert – und seiner schwitzenden Frau das Tragen eines Bikinis empfohlen. Und während der Zeit bei Audi sorgte Ursula Piëch dafür, dass die ursprünglich viel zu hoch platzierten Pedale der Autos auch von Menschen bedient werden können, die wie sie Schuhgröße 42 haben. „Es gibt in der Tat viele Dinge an einem Auto, die Frauen anders sehen“, sagt sie.

Reicht das, um sich in der Autoindustrie Respekt zu verschaffen? Ursula Piëch hat das Zeug dazu. Sie besitzt nicht nur einen starken Charakter und tiefes Insiderwissen, sondern auch ein eigenes Aktiendepot. „Ich bin Kleinaktionärin“, verrät sie und lacht. Sie besitzt nicht nur 100 Audi-Aktien, die sie einst kaufte, um ihren Mann bei Hauptversammlungen erleben zu können, sondern mittlerweile auch Aktien von jedem anderen börsennotierten Fahrzeughersteller wie Toyota, BMW und Daimler. Der Grund: Über die Abteilung Investor Relations erhielt das Ehepaar vor Anbruch des Internet-Zeitalters so frühzeitig wichtige Informationen über die Geschäftsentwicklung konkurrierender Unternehmen.

Ursulas unklare Rolle

Insgesamt erscheint Ursula Piëch gut vorbereitet auf Führungsaufgaben, die nach dem Tod ihres Gatten im Aufsichtsrat des VW-Konzerns auf sie zukommen könnten. Ihre künftige Rolle ist allerdings längst nicht so klar geregelt, wie es im Herbst 2010 noch schien. Damals hatte Piëch in Österreich die beiden Privatstiftungen Ferdinand Karl Alpha und Ferdinand Karl Beta gegründet und darin sein Vermögen eingebracht – vor allem die Beteiligung an der Porsche SE. Diese hält 50,7 Prozent aller Aktien der Volkswagen AG.

Mit der Konstruktion sollte verhindert werden, dass die Anteile an VW und Porsche in familienfremde Hände geraten. Aktuell kontrolliert Ferdinand selbst die Stiftungen. Nach seinem Tod sollte Ehefrau Ursula als Co-Stifterin eine führende Rolle im Stiftungsrat übernehmen – und so die Visionen ihres Mannes fortführen.

Weitsichtige Personalpolitik

Sollte: Wie der Patriarch im Gespräch andeutet, ist die Konstellation für die Zeit nach seinem Ableben noch nicht sattelfest. Einige seiner Kinder aus früheren Ehen haben Einsprüche gegen die Pläne erhoben. Jetzt muss alles neu aufgesetzt werden. Piëch: „Ich bin noch am Konstruieren.“ Grund zur Eile sieht der 77-Jährige nicht: Seine Mutter wurde immerhin 94 Jahre alt.

Auch Ursula Piëch hofft, dass ihr noch viel Zeit an der Seite ihres Mannes bleibt – Zeit, die sie nutzen könnte, um ihre Verbindungen zu vertiefen. Die Macht, die Ferdinand Piëch im Konzern hat, speist sich schließlich nicht allein aus seiner Position als Chef des Aufsichtsrats und seinem Aktienpaket. Sie ist auch eine Folge einer weitsichtigen Personalpolitik.

Der auf Außenstehende unübersichtlich wirkende Riesenkonzern mit zwölf Marken, 570 000 Mitarbeitern und 106 Fabriken in 27 Ländern wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden und einer Handvoll Vertrauten gesteuert. Stadler, einst Leiter des Generalsekretariats von Piëch in Wolfsburg, ist heute Vorstandschef von Audi. Martin Winterkorn, der in der Ära Piëch bei VW unter anderem Produktmanagement und Qualitätssicherung leitete, ist heute Konzernchef. Ulrich Hackenberg, der Rolls-Royce Bentley Motor Cars nach dem Kauf durch VW zusammen mit Piëch restrukturierte, leitet heute die Audi-Entwicklung.

Große Sparpläne

Zum Kreis der Piëch-Vertrauten zählen ferner Konzern-Designchef Walter Maria de Silva, VW-Einkaufsvorstand Francisco Garcia Sanz und China-Chef Jochem Heizmann. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, VW durch einen Ausbau von Produktion und Produktpalette sowie Zukäufe zum profitabelsten und größten Autohersteller der Welt zu machen, mit einem Absatz von fast zehn Millionen Fahrzeugen pro Jahr und einer Umsatzrendite von acht Prozent.

Dass der Weg dorthin kein Spaziergang wird, zeigt die Brandrede, die Winterkorn dieser Tage bei einer Führungskräftetagung in Wolfsburg hielt: „Wir müssen“, mahnte er mit Blick auf steigende Entwicklungs- und Vertriebskosten bei sinkenden Renditen, „in den Jahren 2014, 2015, 2016 finanziell auf Zielkurs kommen. Denn ohne entsprechende finanzielle Basis wird und muss jede Strategie scheitern.“ Bis 2017 seien fünf Milliarden einzusparen – durch Maßnahmen, die „deutlich, wirksam und auch schmerzhaft sind.“

Was auf Winterkorns To-Do-Liste steht
Sind die gesteckten Ziele zu halten?Bis 2018 will Martin Winterkorn den Volkswagen-Konzern zum größten Autohersteller der Welt machen und an Toyota und General Motors vorbeiziehen. Auf der Präsentation der Bilanz im März 2014 sagte er, die Chancen stünden gut, schon 2014 die magische Marke von 10 Millionen Fahrzeugen zu knacken. Spätestens 2018 will der VW-Chef eine Rendite von 8 Prozent erreichen. Dieses Ziel ist dem Manager offenbar wichtiger, als Absatz-Primus zu werden. Als wichtigste Effizienzmaßnahme gilt die Einführung des Baukastensystems, bei dem möglichst viele gleiche Teile für verschiedene Modelle verwendet werden. Das Prinzip gilt als zukunftsweisend für die gesamte Branche. Allerdings... Quelle: dpa
Querbaukasten spart nicht so viel Geld, wie erhofft... ist von den erhofften Einsparungen noch nichts zu sehen. In der im März vorgelegten Bilanz waren sie jedenfalls nicht zu entdecken. Stattdessen kostet die Einführung des Systems den Konzern bis 2018 Investitionen in Höhe von 84 Milliarden Euro. Auf Basis der MQB (Modularer Quer-Baukasten) sollen über 30 Modelle der Kompakt- und Mittelklasse auf den Markt kommen. Volkswagen hatte sich eine Senkung von Stückkosten und Einmalaufwendungen für Werkzeuge um jeweils 20 Prozent erhofft. Quelle: dpa
Absatzrückgang in den USA und BrasilienSeit 13 Monaten in Folge kämpft Volkswagen bei seiner Kernmarke VW mit abnehmenden Verkäufen in den USA. Im April 2014 waren es gut 8 Prozent weniger - immerhin fiel der Rückgang nicht mehr zweistellig aus. Als Grund für die Absatzflaute gilt, dass VW die Modelle in den USA nicht rasch genug überarbeitet. Auch in Brasilien brachen die Auslieferungen im April ein - um fast 18 Prozent. Einziger Trost: Für Premium-Tochter Audi lief es gut. Die Ingolstädter konnten auf dem amerikanischen Markt im April 19 Prozent mehr Autos verkaufen als im Vorjahresmonat und setzen damit ihre Erfolgsfahrt fort. Allerdings fährt Audi der deutschen Konkurrenz BMW und Daimler auf dem US-Markt noch immer hinterher. Quelle: dpa
Scania - Übernahmedebakel mit Happy EndIm ersten Anlauf war Volkswagen mit der Komplettübernahme von Scania gescheitert. Bis zum Ablauf der Frist konnte sich VW nur 25,62 Prozent der Scania-Aktien der anderen Anteilseigner sichern und kontrollierte damit einschließlich der bereits gehaltenen Papiere lediglich 88,25 Prozent, statt angestrebter 90. Nun hat es aber doch noch geklappt. Am Morgen des 13.5, pünktlich zur VW-Hauptversammlung, kommt die frohe Kunde aus Schweden: Der schwedische Fonds Alecta will seine 16,3 Millionen Papiere an die Wolfsburger verkaufen. Damit hätte VW die 90-Prozent-Hürde genommen. Der Konzern muss allerdings noch die offizielle Finanzmarktinformation von Alectas abwarten. VW hatte 200 schwedische Kronen je Aktie geboten. Insgesamt lässt sich Winterkorn die Komplettübernahme 6,7 Milliarden Euro kosten. Scania gilt in Schweden als eine der letzten Ikonen, die Verhandlungen hatten sich über Wochen hingezogen. Die Wolfsburger wollen durch die Übernahme einen neuen Nutzfahrzeug-Giganten gemeinsam mit Tochter MAN schmieden. Quelle: REUTERS
Wo ist die Elektro-Strategie?Das Ein-Liter-Auto XL 1 ist zweifelsohne ein Hightech-Ökomobil, das seines gleichen sucht. Doch viel mehr als ein Prestige- und Sammlerobjekt ist der schicke Flitzer, aus dem sich Chefaufseher Piech bereits zur Hauptversammlung 2013 quälte, nicht. Der 111.000 Euro teure Wagen ist nicht für die Serienproduktion gedacht. Im Angebot hat VW den e-Up!, den e-Golf und bei Tochter Audi den A3 e-tron Plug-In-Hybrid sowie ab 2015 den Sportwagen R8 e-tron. Letzterer sollte zunächst nicht in Serie gehen, nun aber doch kommen - ein kleines Wunder. Als Innovatoren haben sich die Wolfsburger in punkto E-Mobilität mit diesem Modell-Sammelsurium nicht hervorgetan. Stattdessen gilt BMW mit i3 und i8 als Innovationstreiber bei den Stromern. Quelle: dpa
Ferdinand Piëch meckertDem VW-Aufsichtsratschef sind die Brötchen, die seine erster Mann Winterkorn backt, offenbar zu klein. Auf dem Genfer Automobilsalon mäkelte er: „Wir sind nicht wirklich gut unterwegs – nur besser als andere“. Und er deutete Veränderungen im Management an: „Wo gehobelt wird, fliegen Späne.“ Mehr mochte er aber nicht sagen. Dem Chefaufseher geht es offenbar in einigen Bereichen nicht schnell genug voran.... Quelle: dpa
Schneller am Modellrad drehenWinterkorn selbst hat bereits angedeutet, wo er mehr Tempo machen will: Schnellere Modellwechsel sind angesagt. Immer mehr Computer- und Internetbasierte Technologien halten Einzug in die Fahrzeuge - und hier dreht sich das Entwicklungsrad deutlich schneller. „Das“, so Winterkorn, „zwingt uns dazu, darüber nachzudenken, ob die üblichen Modellzyklen von sieben bis acht Jahren nicht deutlich kürzer werden müssten“. Zumindest sollte es möglich sein, Modelle durch ein Software-Update schneller wieder aufzufrischen. Quelle: dpa

Winterkorn läuft die Zeit davon – der Generationenwechsel an der Spitze des Konzerns ist längst überfällig. Winterkorn wäre bei BMW mit seinen 67 Jahren längst in den Ruhestand geschickt. Sein Adlatus Hackenberg erreicht 2015 das 65. Lebensjahr, Personalchef Horst Neumann hat seinen 65. Ende Juni gefeiert. Designchef de Silva ist wie Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch 63. Und Einkaufschef Garcia Sanz, obgleich erst 57, will die Segel streichen, sobald Winterkorn aus dem VW-Vorstand ausscheidet. Winterkorns Vertrag endet derzeit 2016. Doch eine Verlängerung gilt als sicher, um zwei Jahre – bis zur Vorstellung der nächsten Generation des Golf.

Die Uhr läuft

Und dann? Das ist die meistdiskutierte Frage im Konzern. Viele Namen werden genannt. Piëch hält nichts von derlei Spekulationen: „Wir haben erst vor zwei Jahren eine große Jobrotation gehabt.“ Die müsse erst mal greifen. Zudem würde eine Nachfolge-Debatte den Konzern lähmen: „Das kann VW jetzt nicht gebrauchen.“

Dennoch: Die Uhr läuft, auch für Ursula Piëch. Sie nutzt die Zeit, um ein eigenes Beraterteam aufzubauen, obwohl ihr eigentlich „einer reicht“. So sieht man den Hamburger Medienanwalt Matthias Prinz bei öffentlichen Veranstaltungen fast immer an ihrer Seite. Dessen Ehefrau Alexandra von Rehlingen ist eine bekannte PR-Managerin, die gesellschaftliche Großereignisse organisiert und weiß, wie man sich auf dem Promi-Parkett bewegt. Bei juristischen Fragen hilft Hans-Joachim Holzapfel: Der Gesellschaftsrechtler aus der Kanzlei Linklaters berät den VW-Aufsichtsrat.

In der Schlangengrube

Privat wie dienstlich setzt sie auf den Rat von Audi-Aufsichtsrat Helmut Aurenz. Aurenz ist mit Blumenerde zum Millionär geworden. Einmal im Jahr lädt er die Elite aus Politik und Wirtschaft nach Isny ins Allgäu ein. Mit Aurenz’ Frau ist Ursula Piëch eng befreundet. Die Kinder sind im selben Alter. Das passte von Anfang an.

Im Augenblick droht Uschi keine Gefahr. Die Aufregung, die bei ihrer Berufung in die Aufsichtsräte von VW und Audi kurz aufwallte, hat sich längst gelegt. Auch ist die Aktionärsstruktur stabil: Über 50 Prozent der VW-Aktien von VW befinden sich – gebündelt in der Porsche SE – im Besitz der Familien Piëch und Porsche. Die restlichen Anteile liegen beim Land Niedersachsen, dem Investor Qatar Holding und der VW-Belegschaft. Und Piëchs Position an der Spitze des Aufsichtsrats ist unangefochten. Allerdings läuft die juristische Aufarbeitung der Porsche-Übernahme noch. Und auch die ungeklärte Nachfolgeregelung zehrt an den Nerven.

Zwei Familiendynastien im Wettstreit

Sorgen scheint sich Ursula Piëch noch aus einem anderen Grund zu machen: Die Familie Piëch-Porsche ist eine Schlangengrube. Die Familien rangeln seit drei Generationen um die Vorherrschaft beim Erbe des Gründers Ferdinand Porsche. „Das sind zwei Welten – wie Feuer und Wasser“, sagt etwa Peter Daniell Porsche, 40, aus der vierten Generation.

Uschi Piëch hat zwar einige Spannungen zwischen beiden Familienstämmen beseitigen können und pflegt zu Angehörigen des anderen Zweigs herzliche Beziehungen wie zu Felix Alexander Porsche, dem jüngsten Sohn von Wolfgang Porsche. Auch mit Wolfgang kommt sie gut aus. Der allerdings hat es seinem Vetter Ferdinand immer noch nicht verziehen, dass das Familienunternehmen Porsche im VW-Konzern aufgegangen ist und seit August 2012 von Wolfsburg aus gelenkt wird.

Aufmerksam wird in Stuttgart wie in Wolfsburg registriert, dass sich Wolfgang Porsche in jüngster Zeit auffällig oft im Kreise seiner Familie zeigt, zusammen mit Tochter Stephanie, 36, und Sohn Ferdinand Rudolf, 21. Es scheint, als wollte er so Piëchs Stiftungsmodell die Familiendynastie der Porsches entgegenstellen.

„Wenn Ferdinand nicht mehr ist, werden die Porsches versuchen, die Vorherrschaft zurückzuerobern“, prophezeit ein Familienkenner. Uschi würde da bei allen Sympathien, die sie genieße, schnell ins Kreuzfeuer geraten: „Da gilt Sippenhaft.“

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