Dieser Artikel erschien in genau dieser Form am 30. Juli 2014 erstmals auf WirtschaftsWoche Online.
Ursula Piëch bahnt sich den Weg. In ihrer Linken schwenkt sie den sündhaft teuren Birkin Bag von Hermès im grauen Straußenleder-Design, rechts hat sich Ehemann Ferdinand mit ernstem Blick, Hermès-Krawatte und schwarzer Aktentasche untergehakt. Die Frau mit der Pagenfrisur lächelt freundlich, aber in ihren braunen Augen blitzt Kampfeslust. So kämpft sich das Paar unaufhaltsam, Meter für Meter, durch die Messehalle, einen Schwarm von Volkswagen-Managern und Journalisten mit sich ziehend. Die einen weisen servil auf die Details der ausgestellten Autos hin. Die anderen versuchen scharfzüngige Bemerkungen des mächtigen VW-Aufsichtsratschefs einzufangen – und der Frau an seiner Seite persönliche Dinge und Ansichten zu entlocken. Immerhin sitzt sie als Vertreterin der Kapitalseite seit über einem Jahr in den Aufsichtsräten von VW und Audi und kennt viele Geheimnisse aus den inneren Machtzirkeln bei Europas größtem Automobilkonzern. Nur allzu gerne würde man Details erfahren, wissen, wie sie tickt und wie sie Einfluss auf ihren Mann und die übrigen Mitglieder des Kontrollgremiums nimmt.
Bitten um ein Interview, die der eine oder andere auch am Rande der VW-Hauptversammlung an sie richtet, prallen an der 58-Jährigen ab wie Gummibälle an einer Betonwand. Sie sei doch „eine ganz unbedeutende Frau“, für Homestorys stehe sie prinzipiell nicht zur Verfügung, und über ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat dürfe sie nicht reden. „Ich bitte Sie!“ Ursula Piëch teilt die Menge der Wissbegierigen mit einer schnellen Bewegung ihres linken Arms und greift sich wieder ihren Mann, der die Szene aus der Distanz aufmerksam verfolgt hat – jederzeit bereit, seiner Frau zur Seite zu springen. Doch Ursula Piëch braucht keine Hilfe. Sie weiß mit Menschen umzugehen und hat gelernt, auf Distanz zu gehen: resolut, aber zugleich so freundlich, dass ihr niemand böse sein kann.
Romantische Story mit gesamtwirtschaftlicher Wirkung
Jeder kennt VW, aber möglichst niemand soll die wichtigste Frau im Kontrollgremium kennen. Ursula Piëch möchte lieber weiter im Hintergrund wirken, im Schatten ihres Mannes, für den sie die perfekte Ergänzung ist, „so wie es in einer guten Partnerschaft sein sollte“, wie sie findet.
Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche gibt das Paar, Seit’ an Seit’ auf einem schwarzen Ledersofa, einen kleinen Einblick in seine Beziehung. Es ist, das wird schnell klar, eine späte wie andauernde Liebe, auch eine romantische Story – die irgendwann eine gesamtwirtschaftliche Dimension erfahren könnte: Nach den Plänen von Ferdinand Piëch soll seine Frau im Stiftungsrat, der das Familienvermögen verwaltet, nach seinem Tod eine Schlüsselrolle spielen. Sie bekäme dann enormen Einfluss auf die Geschicke von Europas größtem Auto- und Mobilitätskonzern.
„Bescheidene Frau mit großem Einfluss“
Seit inzwischen 30 Jahren sind Ursula und Ferdinand Piëch ein Paar, die gelernte Erzieherin und der Ingenieur, ehemalige Vorstandsvorsitzende von Volkswagen und heutige Aufsichtsratschef, der etwa 13 Prozent an der Porsche Holding SE besitzt und ein Privatvermögen von geschätzt über vier Milliarden Euro.
Das auf den ersten Blick ungleiche Paar wurde im Porsche-Piëch-Clan anfangs belächelt, teilweise auch kritisiert. Zumal Ferdinand Piëch für „Uschi“ seiner Lebensgefährtin Marlene Porsche den Laufpass gab – die er seinem Cousin Gerhard ausgespannt hatte. Anfangs war „Uschi“ auch nur wenig mehr als die junge, so hübsche wie lebenslustige Rotblonde an Piëchs Seite, die Frau, die als Ersatzmutter seine Kinder großzog und ihn aufmunterte, wenn er nach langen Vorstandssitzungen nach Hause kam. Doch dieser Rolle ist sie längst entwachsen, aus dem früheren Kindermädchen wurde „eine bescheidene Frau mit großem Einfluss“, wie es ihr Mann formuliert.
„Es gibt gute Gründe für die These, dass Ferdinand Piëch ohne seine um 19 Jahre jüngere Frau nicht dort wäre, wo er heute ist“, sagt ein enger Vertrauter der Familie.