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VW besetzt Schlüsselpositionen Matthias Müller beschleunigt Konzernumbau

Das System Winterkorn hat ausgedient: Mit den personellen Veränderungen an der Konzernspitze beschleunigt der neue VW-Chef Matthias Müller den Konzernumbau – und hat jetzt zwei Schlüsselpositionen neu besetzt.

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VW-Chef Matthias Müller: Die Zeiten der Diktaturen sind vorbei. Quelle: dpa

Martin Winterkorn war berühmt-berüchtigt dafür, alle Dinge möglichst selbst zu regeln und zu entscheiden. Die Überprüfung des Neigungsgrads einer Windschutzscheibe, die Stärke des Lackauftrags oder der Mechanismus für die Verstellung der Lenksäule – der Konzernchef entschied, was richtig und gut, falsch oder verbesserungswürdig war. Für neue Autos gab es keine Freigabe, ehe sie der Vorstandsvorsitzende nicht höchstselbst auf der Straße getestet und für gut befunden hatte.

„Am Ende des Tages muss ich entscheiden, ob der Spiegel auf der Tür richtig sitzt oder nicht. Das können Sie nicht demokratisieren“, umschrieb Winterkorn einmal sein Führungsprinzip. Dazu passt sein legendärer Spruch: „Im VW-Konzern wächst das Gras dort, wo der VW-Chef hinschaut.“

von Franz W. Rother, Rebecca Eisert, Bert Losse, Christian Schlesiger

Mit diesem Kontrollwahn führte der Qualitätsfanatiker den Volkswagen-Konzern mit seinen zwölf Marken erst an die Spitze der Autoindustrie – und dann in den Abgrund des Dieselgates. Winterkorns Nachfolger Matthias Müller ist beileibe kein Sunnyboy, als der er an der Seite seiner aktuellen Lebensgefährtin, des früheren Tennisstars Barbara Rittner, manchen erscheint. Auch Müller kann laut und böse werden, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er es sich vorstellt. Auch er ist kein lupenreiner Demokrat – das letzte Wort behält er sich immer noch selbst vor.

Müller will VW nicht im alten Trott weiterlaufen lassen

Aber er ist nicht gewillt, sich um alle „Kinkerlitzchen“ selbst zu kümmern. Um die Lackstärke sollen sich die Produktioner kümmern, um die Lenksäulenverstellung Designer oder Einkäufer – Leute, die sich in der Materie wesentlich besser auskennen. Das gibt ihm den Freiraum und die Zeit, sich um die wichtigen Dinge im Konzern zu kümmern. Er konzentriert sich darauf, den Elefanten zum Tanzen zu bringen – das Füttern und Pflegen überlässt er den Spezialisten in seinem Team.

Lou Gerstner brachte auf ähnliche Weise in den 1990er Jahren den Software-Giganten IBM wieder auf Vordermann – indem er die Zügel in die Hand nahm und den Blick nach vorne richtete, aber die Pferde ansonsten laufen ließ.

Der VW-Abgas-Skandal im Überblick

Ob Müller die Lebenserinnerungen von Gerstner gelesen hat, wissen wir nicht. Aber seine Reden vor den Mitarbeitern und die jüngsten Veränderungen an der Konzernspitze zeigen, dass er entschlossen ist, den Elefanten Volkswagen zum Tanzen zu bringen und nicht im alten Trott weiterlaufen zu lassen. Die Veränderungen, die der Konzern jetzt braucht, sind alternativlos. Das gilt für die Prozesse im Konzern ebenso wie für die Unternehmenskultur. Und es gilt erst recht für die Führungsstrukturen – die Zeiten der Diktaturen sind vorbei.

Für Recht und Moral soll bei Volkswagen künftig die ehemalige Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt sorgen, die bei Daimler in kürzester Zeit Beachtliches vollbrachte. Und die strategische Neuausrichtung lässt er von einem ehemaligen Opel-Manager ausarbeiten: Der langjährige Unternehmensberater, Interims-Opel-Chef und Chevrolet-Präsident Thomas Sedran wird nach einem zweimonatigen Intermezzo bei Accenture ab 1. November in der neugeschaffenen Position des Leiters Konzernstrategie prüfen, welche Unternehmensteile, Geschäftsfelder, Modellprogramme oder Technologien eine Zukunft haben oder besser beerdigt werden.

Sedran wird so etwas wie die rechte Hand des Konzernchef und dadurch eine Schlüsselstelle unterhalb des Vorstandes spielen: Was wird aus Bugatti, was aus der Nutzfahrzeug-Allianz, was aus der Gläsernen Manufaktur in Dresden? Was braucht es, um in USA wieder in die Offensive gehen zu können oder um bei Volkswagen endlich auf ordentliche Margen zu kommen? Macht es Sinn, VW zur Premiummarke weiterzuentwickeln und gegen Mercedes zu positionieren – oder sollte sich die Marke besser wieder auf seine Ursprünge besinnen?

Fragen über Fragen, die Sedran in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Sein Vorteil: Er kann Vorlagen liefern – entscheiden wird sie Müller zusammen mit seinen Vorstandskollegen. Und Müllers Vorteil: Er kann sich darauf konzentrieren, in den kommenden Jahren den Veränderungsprozess zu treiben. Der Anfang ist gemacht, das Tempo, das er dabei vorlegt, atemberaubend. Wenn Müller so weiter macht, könnte der Konzern tatsächlich gestärkt aus der Abgasaffäre hervorgehen.

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