VW-Chef Diess „China ist unser zweites Zuhause“

Herbert Diess neben dem Volkswagen I.D. Concept Car in Peking. Quelle: REUTERS

Die erste Auslandsreise als VW-Chef führt Herbert Diess nach China. Dort ist der Dieselskandal weit weg und die Zahlen sind glänzend. In China gelingen VW sogar Dinge, die in Europa noch schwer fallen.

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Am Ende war es wohl Zufall, dass der neue VW-Chef Herbert Diess seinen ersten internationalen Auftritt in China hat. Die Auto China in Peking steht an, die wichtigste Automesse Chinas. Den Termin hat Diess nicht selbst gewählt, wohl auch deshalb blieb er zunächst wortlos in der ersten Reihe sitzen, als China-Vorstand Jochem Heizmann dem chinesischen Publikum eine neue Modelloffensive verkündete.

Kleine Skurrilität am Rande: Diess' kurzfristige Berufung auf den Chefsessel führte dazu, dass offiziell noch Matthias Müller zum traditionellen Konzernabend lud. Das Schreiben wurde nur wenige Stunden nach der Ad-hoc-Meldung verschickt, die den abrupten Machtwechsel in Wolfsburg einleitete.

China hat für Diess eine besondere Bedeutung. Jeder zweite weltweit verkaufte VW wird an einen chinesischen Kunden ausgeliefert. Bei der Konzerntochter Audi sieht es ähnlich aus. Was Diess besonders freut: 2017 ist es Volkswagen gelungen, in einem Jahr in einem Land über drei Millionen Autos zu verkaufen – nicht der Gesamtkonzern, sondern allein die Kernmarke VW. Das entspricht ungefähr dem gesamten deutschen Automarkt. Wenn Sie denken, ein Golf sei ein Auto für die Massen, haben Sie noch nicht den VW Lavida in China gesehen.

Auf der „Auto China 2018“ in Peking feiern die neue Generation des Lavida (im Bild), und der neue Volkswagen CC, die in China gefertigte Version des Arteon, ihre Premiere. Quelle: VW

Wohl auch wegen dieser Bedeutung hat es sich Diess nicht nehmen lassen, doch noch selbst auf der Bühne zu sprechen. „China ist unser zweites Zuhause“, sagte der neue VW-Chef. Rund 13 Prozent Marktanteil hat Volkswagen in China – noch vor General Motors und Honda. Doch es dürfte für VW gern noch mehr sein. „ Mit unserer SUV-Offensive sind wir zuversichtlich, dass wir auch 2018 in China profitabel wachsen können“, sagte Diess.
Der Erfolg in China hat viele Gründe – die für einen ausländischen Autobauer lange Präsenz in China zum Beispiel. Seit 1986 bauen die Wolfsburger in der Volksrepublik Autos, viele Konkurrenten haben erst in den Neunzigerjahren oder noch später ihre ersten Fabriken eröffnet.

Viel hat aber auch mit dem lokalen Management zu tun, im Vorstand von Jochem Heizmann vertreten. Während sowohl der Konzern als auch die Marke sonst eher den Ruf haben, wie ein behäbiger Tanker zu agieren und dabei den ein oder anderen Trend zu verpassen, ist Volkswagen China ungleich agiler. Trends werden erkannt, Kundenbedürfnisse schneller bedient als anderswo.

Ein Beispiel: 2012 entfielen rund zwei Drittel der VW-Verkäufe auf klassische Limousinen wie den bereits genannten Lavida, den Magotan oder Santana. Nur 13 Prozent waren SUV. Fünf Jahre später lagen beide Fahrzeugklassen mit 43 Prozent Verkaufsanteil gleichauf. Nicht nur, weil die Kunden vermehrt SUV kaufen, sondern weil VW auch mehr SUV anbietet. Während es in Europa Jahre gedauert hat, bis die Wolfsburger nach dem großen Touareg mit dem Tiguan auch ein kompaktes SUV ins Angebot aufgenommen haben, geht es in China, wie so oft, deutlich schneller.

In den kommenden beiden Jahren soll die SUV-Palette von sechs auf zwölf Modelle verdoppelt werden. Mit dabei sind der neue Touareg, der vor einigen Wochen in China seine Weltpremiere feierte, eine Langversion des T-Roc und der Teramont, eine Adaption des US-SUV Atlas.

Dreh- und Angelpunkt des Wolfsburger Riesenreichs

Der Erfolg ist besonders beachtenswert, wenn man eine große Schwierigkeit des lokalen Managements bedenkt: Das eine Volkswagen gibt es in China nicht. Sondern zwei. Im Norden des Landes baut und verkauft VW seine Autos zusammen mit FAW, im Süden mit SAIC – beides Staatsunternehmen. Jeweils rund 1000 Händler entfallen auf die beiden Joint Ventures, wie sie in China noch Pflicht sind. VW-FAW und VW-SAIC agieren aber als unabhängige Unternehmen und bauen unterschiedliche Autos. Von VW-FAW kommt etwa der Jetta, das ähnlich große Gegenstück von VW-SAIC ist der Bestseller Lavida. Aus dem doppelten Aufwand auch den doppelten Nutzen zu ziehen, ist keine leichte Aufgabe. Aber ertragreich: Rund 4,7 Milliarden Euro hat das China-Geschäft 2017 zum Konzernergebnis beigetragen.

Die SUV-Offensive bedeutet aber nicht, dass die Limousine tot ist. Auf der Automesse in Peking zeigt VW-FAW den CC, die China-Version des europäischen Top-Modells Arteon. Und VW-SAIC hat sein Erfolgsmodell Lavida runderneuert. Das Angebot wird auch zunehmend unabhängiger von den europäischen Modellen. Einfach nur eine Langversion des Passats aufzulegen, reicht nicht mehr. Als VW die Produktion des Flaggschiffs Phaeton in Dresden mangels Erfolgs einstellte, entstand in China eine Marktlücke. Seit 2016 ist diese wieder geschlossen – mit dem Phideon, einer über fünf Meter langen Eigenentwicklung von VW-SAIC.

Den Dieselskandal konnte Diess zwar in Deutschland lassen, ganz um das Thema Schadstoffe kommt der Konzern aber auch in China nicht mehr herum. Neben der staatlichen Förderung von Elektroautos geht es auch in China dem Benziner zunehmend an den Kragen. Im Jahr 2020 darf der Verbrauch nach chinesischem Messzyklus nur noch bei fünf Litern liegen, fünf Jahre später muss der Verbrauch nochmals um einen weiteren Liter sinken. Für Benziner sind solche Werte anspruchsvoll.

Die Gewinner und Verlierer des ersten Quartals
Der Opel Insignia Grand Sport. Quelle: obs
Jaguar. Quelle: REUTERS
Nissan Sentra. Quelle: AP
Ford Focus. Quelle: REUTERS
Land Rover. Quelle: obs
Skoda Octavia Quelle: obs
Alfa Romeo. Quelle: obs

Der Weg ist auch in China in Richtung Elektromobilität vorgezeichnet. Bis 2020 will Diess konzernweit 15 neue „New Energy Vehicles“ – so werden in China Plug-in-Hybride und Elektroautos bezeichnet – auf den Markt bringen, 2025 sollen es 40 sein. Um die Entwicklung voranzutreiben, ist VW – mit einer Ausnahmegenehmigung der Regierung, da die Zahl der Joint Ventures auf zwei begrenzt ist – noch ein drittes Joint Venture eingegangen, dieses Mal mit JAC. Gemeinsam wollen die Autokonzerne ein Elektroauto für die Massen entwickeln – mit in China gebauten Batteriezellen.

Also genau das, was in Europa bislang noch nicht gelungen ist. Spätestens dann wird China endgültig zum Dreh- und Angelpunkt des Wolfsburger Riesenreichs.

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