VW-Chef Diess „Ich habe einen Vertrag bis 2023 und will ihn erfüllen“

Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG Quelle: dpa

Volkswagen-Chef Herbert Diess hat in einem Interview mit der WirtschaftsWoche erstmals öffentlich bestätigt, dass zwischen ihm und dem Konzernbetriebsrat ein Machtkampf um Personalfragen entbrannt ist.

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Diess zeigte sich zugleich optimistisch, dass es bald eine Lösung gibt: „Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Wochen eine Entscheidung hinbekommen“, sagte er der WirtschaftsWoche. Bei Volkswagen müssen die Posten des Finanzvorstands und des Einkaufsvorstands neu besetzt werden. Zudem soll über eine mögliche Verlängerung von Diess‘ Vertrag, der noch bis 2023 läuft, entschieden werden. „Die Personalien sind eine komplexe Sache, bei der die verschiedenen Stakeholder – der Betriebsrat, die Eigentümerfamilien, das Land Niedersachsen – mitgenommen werden wollen“, sagte Diess der WirtschaftsWoche. Die Lage sei „nicht einfach“, dulde aber keinen weiteren Aufschub. Der Posten des Einkaufsvorstands sei schon längere Zeit unbesetzt. „Wir können uns das nicht mehr leisten, weil viele wichtige Entscheidungen anstehen“, so Diess. In einer Zeit des großen Wandels könnten „zwei oder drei Monate sehr entscheidend sein“.

Angesprochen auf die Vertragsverlängerung, die Diess offenbar für sich selbst gefordert hat, sagte der VW-Chef: „So wie ich es verstehe, will man mit einer strategischen Weichenstellung dem Ganzen eine Kontinuität und Perspektive geben. Wobei mein Vertrag noch bis 2023 läuft. Und ich habe vor, diesen Vertrag zu erfüllen.“

Diess betonte, er spiele nicht gegen VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, sondern mit ihm „in der gleichen Mannschaft“: „Natürlich spielen wir auf unterschiedlichen Positionen. Aber wir versuchen, uns überwiegend Bälle zuzuspielen“. An die selbstbewusste Öffentlichkeitsarbeit des Betriebsrats habe er sich mittlerweile gewöhnt. Er habe auch kein Problem damit, dass Osterloh internationale Investorenkonferenzen abhalte, bei denen er Analysten und Großinvestoren die Strategie von VW erläutere: „Wir haben mit Bernd Osterloh einen Betriebsratschef, der das kann. Er denkt unternehmerisch und kommt gut an.“ Allerdings, so kritisierte Diess, „sollte das, was dort gesagt wird, auch umgesetzt werden.“

VW wird Absatz in China mehr als verdoppeln

Diess rechnet mit einer Verdopplung des Autoabsatzes im weltgrößten Automarkt China in den nächsten Jahren. „Gemessen am Wohlstandsniveau gibt es in China noch zu wenige Autos“, sagte Diess im Interview. „Der Markt kann sich in den kommenden Jahren noch mal verdoppeln.“ Volkswagen werde aufgrund seines hohen Marktanteils in China davon besonders profitieren: „Wir sind klarer Marktführer in China. Unser Marktanteil steigt weiter, und ich bin mir sicher, dass wir überproportional von der steigenden Nachfrage profitieren können.“ Volkswagen habe in China zuletzt „große Fortschritte gemacht“, so Diess: „Die Schwierigkeiten der letzten Jahre haben wir überwunden. Es war streckenweise nicht einfach, weil China sehr stark die eigenen Hersteller gefördert hat und diese inzwischen auch technologisch stark geworden sind.“

Auch bei der Elektromobilität sieht Diess seinen Konzern in einer starken Position: „Wir haben so konsequent wie kein anderer großer Autohersteller die Weichen in Richtung Elektrifizierung und Digitalisierung gestellt“, sagte er der WirtschaftsWoche. „Volkswagen habe „deshalb einen echten Vorsprung auf die traditionellen Wettbewerber“ von „rund zwei Jahren“. Allerdings müsse sich VW auch dem Wettbewerb mit neuen Anbietern wie Tesla stellen: „Sie verstehen das Auto eher als Softwareprodukt. Hier sind wir noch nicht auf Augenhöhe.“ Software-Mängel bei neuen E-Autos wie dem Porsche Taycan oder dem VW ID.3 zeigten, dass der Konzern „bei der Software wir noch nachlegen muss, das ist keine Frage“. Die für 2021 geplante Markteinführung des nächsten wichtigen Elektroautos, des SUV-Modells ID.4, werde „mit Sicherheit“ glatter laufen, versprach der VW-Chef.

Volkswagen kann CO2-Vorgaben der EU für 2020 voraussichtlich nicht einhalten

VW wird aber voraussichtlich nicht genügend Elektroautos absetzen, um die EU-Klimavorgaben für 2020 zu schaffen. Ob die Ziele für 2021 erreicht werden, ist noch unklar. „Wir arbeiten jetzt unter Hochdruck daran, so nah wie möglich an die Ziele heranzukommen“, so Diess. „Nächstes Jahr wird das einfacher werden, und ab 2022 sollten wir keine Probleme mehr haben, die Flottenziele zu erreichen.“ Erreicht VW die Vorgaben nicht, drohen Strafen der EU. VW habe „relativ spät damit begonnen“, die Flotte auf emissionsärmere Fahrzeuge umzustellen, räumte Diess ein. Dabei habe „die gesamte Branche gewusst, dass die Flottenziele kommen würden“. Dennoch begrüßte Diess den Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens und stellte zusätzliche Anstrengungen von Volkswagen beim Klimaschutz in Aussicht. „Die Zielsetzung, Europa zur führenden Region im Kampf gegen den Klimawandel zu machen, finde ich richtig“, so Diess. „Wenn Brüssel von uns eine noch schnellere Gangart fordert, dann muss man sagen: Vor 2025 werden wir nicht wesentlich schneller sein können, weil es nicht genügend Batterien gibt. Zwischen 2025 und 2030 dagegen könnten wir noch zulegen.“

Offen für Kooperation mit Daimler bei Auto-Betriebssystem


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Wie Volkswagen programmiert auch Daimler derzeit ein eigenes Betriebssystem. „Wir wären offen für eine Zusammenarbeit“, sagte Diess dazu: „Genauso wie wir auch offen sind für Kooperationen bei unseren Elektroautoplattformen.“ Zunächst aber müsse VW die Software für die vielen eigenen Marken und Modelle „gut hinbekommen“. Diess erwartet, dass sich ähnlich wie bei Smartphones auch bei Autos nur einige wenige Betriebssysteme weltweit durchsetzen werden. Google bietet bereits ein Auto-Betriebssystem an. „Wir könnten das Betriebssystem natürlich zukaufen“ sagte Diess. „Das System von Google funktioniert bereits ganz gut.“ Allerdings würde sich VW dadurch „in einem zentralen Bereich in die Abhängigkeit eines Unternehmens mit ganz anderen Interessen begeben“. Das halte er für keine Option, so Diess: „Wir werden alles tun, um diese Abhängigkeit zu vermeiden.“

Volkswagen habe keine Schwierigkeiten, die benötigten Software-Experten zu bekommen: „Wir haben in den letzten Monaten um die 500 neue IT-Spezialisten eingestellt“, so Diess. „Wir kaufen auch ganze Firmen hinzu.“ Bis Jahresende werde die neue Software-Einheit des Konzerns, die Car.Software.Org, auf „fast 6000 Mitarbeiter“ anwachsen.

Das vollständige Interview mit Herbert Diess lesen Sie hier.

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