VW-Chef Herbert Diess Vom Kostendrücker zum mächtigen Autoboss

VW-Chef Herbert Diess Quelle: dpa

Drei turbulente Jahre in Wolfsburg liegen hinter Herbert Diess. Jetzt wird der frühere BMW-Manager auch noch Volkswagen-Chef. Er soll den Konzern endgültig aus der Krise führen. Doch wer ist der Mann?

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Es waren ungewohnt lobende Worte für einen Manager, der seinen Ruf als „harter Hund“ hegt und pflegt. „Der ID Vizzion ist der emotionalste Volkswagen“, sagte VW-Markenchef Herbert Diess, als er am Vorabend der Genfer Automesse das neueste Concept Car seiner Marke vorstellte. Mit allen technischen Voraussetzungen für das autonome Fahren gespickt, einem schicken Design und hochwertigem, voll vernetzten Innenraum. Und natürlich rein elektrisch angetrieben, versteht sich. Die metallic-rote Limousine soll die Zukunft von Volkswagen einläuten.

Eine Zukunft, die Diess nun von einem anderen Posten aus gestalten wird. Einem höheren. Der 59-Jährige wurde am Donnerstagabend zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG berufen. Er folgt Matthias Müller nach.

Dass Herbert Diess eines Tages VW-Chef wird, war noch vor wenigen Jahren nicht abzusehen. Lange werkelte er an einer Karriere in seiner Geburtsstadt München: Als früherer Einkaufs- und damals amtierender Entwicklungsvorstand von BMW rechnete sich Diess gute Chancen aus, den scheidenden Vorstandschef Norbert Reithofer zu beerben.

von Martin Seiwert, Annina Reimann, Sebastian Schaal, Melanie Bergermann

Seine Qualitäten hatte Diess vielfach unter Beweis gestellt: Er sparte in nur vier Jahren vier Milliarden Euro im Materialeinkauf ein. Dabei – und später als Entwicklungsvorstand – setzte Diess auf agile Projektteams, um alte Strukturen aufzubrechen. Dennoch entschied sich der BMW-Aufsichtsrat Ende 2014 für Produktionsvorstand Harald Krüger als neuen Chef. Damit wurde Diess Opfer einer Methode, die er selbst nur allzu gerne anwendet: Der Aufsichtsrat hatte zwei Kontrahenten gegeneinander ausgespielt. Diess zog die Konsequenz und verabschiedete sich nach Wolfsburg.

Noch heute erzählt man sich in München von der „Best-Practice-Kalkulation“ bei Verhandlungen mit Lieferanten. Diess gab einen Preis vor, zeigte einige Punkte auf, an denen gespart werden könnte und färbte das als „Best Practice“ schön. Konnte der Zulieferer den Preis nicht erreichen, war er raus. Er wurde durch einen günstigeren Anbieter ersetzt – egal ob zuverlässiger Stammlieferant oder nicht. „Den Qualitätsabfall, der mit der Umstellung auf billigere Zulieferer einherging, hat er in Kauf genommen“, sagt ein Lieferant.

Das ging über Jahre gut. Die Zahlen gaben dem Kurs von Diess Recht. Doch die Zulieferer waren wohl auch nicht ganz unbeteiligt, dass Diess 2012 das Vorstandsressort wechselte. Die Stimmung unter den Lieferanten war so mies, dass einige mit einem Lieferstopp drohten. Diess hatte beim Kostendrücken die rote Linie erreicht, das musste auch Vorstandschef Reithofer einsehen.

Zur Person: Herbert Diess

Seinen Spartrieb lebt Diess auch in Wolfsburg aus. Seitdem er den Chefposten bei der notorisch margenschwachen VW-Kernmarke im April 2015 übernommen hat, entwickeln sich die Zahlen prächtig. Die operative Rendite – also der Anteil des Ergebnisses im laufenden Geschäft am Umsatz – lag im vergangenen Jahr mit 4,1 Prozent doppelt so hoch wie 2014. Das Ergebnis stieg um 77 Prozent auf stolze 3,3 Milliarden Euro. In harten Verhandlungen, die nicht immer lautlos geführt wurden, hat Diess der im VW-Konzern mächtigen Gewerkschaft IG Metall Milliardeneinsparungen abgerungen. Bis zu 30.000 Stellen fallen weg, 23.000 davon in Deutschland.

Die Stellenstreichungen und weitere Einsparungen sollen die jährlichen Kosten bis 2020 um 3,7 Milliarden Euro drücken. „Stand heute sind bereits rund zwei Milliarden Euro realisiert“, verkündete Diess im März. Im laufenden Jahr soll die Marge zwischen 4 und 5 Prozent, die operative Rendite bis 2025 bei mindestens sechs Prozent liegen. Ein Wert, den vergleichbare Massenhersteller wie die französische Opel-Mutter PSA im Autobau bereits jetzt erreichen oder übertreffen.

Doch bei VW wurde auch das Realität, was bei BMW nur drohte. Ein relativ unbekannter Zulieferer stellte im Sommer 2016 die Lieferungen an VW ein. Anfangs ging es nur um wenige Sitzbezüge. Doch schnell wurde daraus ein Flächenbrand, der die Produktion in den wichtigen Werken Wolfsburg und Emden über Tage stilllegte.

Im Streit um Konditionen hatten die Zulieferer der Prevent-Gruppe ihre Schlüsselrolle in den ausgereizten Lieferketten ausgenutzt. Am Ende musste VW zurückrudern und eine mehrjährige Zusammenarbeit schriftlich zusagen – um genau diese im März 2018, also lange vor Ablauf der vereinbarten Fristen, wieder zu kündigen. Der Streit, der Volkswagen mehrere hundert Millionen Euro kosten könnte, dürfte wohl vor Gericht geklärt werden. Diess ist zwar nicht Chefeinkäufer von VW, seine harte Hand kommt aber auch noch in Wolfsburg klar durch.

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