VW-Chef Herbert Diess wusste offenbar frühzeitig von Diesel-Skandal

VW-Chef wusste offenbar frühzeitig von Diesel-Skandal Quelle: dpa

VW-Chef Herbert Diess hat offenbar bereits vor Bekanntwerden des Abgas-Skandals von den manipulierten Diesel-Motoren erfahren. Der Konzern trennt sich derweil vom früheren Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer.

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Volkswagen-Chef Herbert Diess wurde nach einem Bericht des „Spiegel“ bereits vor Bekanntwerden des Abgas-Skandals über Manipulationen bei Diesel-Motoren informiert. Bereits am 27. Juli 2015 sei die illegale Software zur Abgassteuerung Thema einer internen Sitzung gewesen, berichtete das Magazin am Samstag unter Berufung auf unveröffentlichte Unterlagen der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Teilgenommen an diesem Treffen hätten neben Motorenentwicklern und Qualitätsmanagern auch der jetzige Volkswagen-Chef Herbert Diess, der damals erst seit Kurzem VW-Markenchef war, und der damalige Konzernchef Martin Winterkorn.

Die US-Behörden hatten die Vorwürfe gegen den Wolfsburger Autobauer erst am 18. September 2015 veröffentlicht. Daraufhin war der Kurs der VW-Aktie massiv eingebrochen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Grundlage des Vorwurfs ist der Verdacht, dass Volkswagen seine Aktionäre zu spät über den Dieselskandal informiert hat. Diese Ermittlungen richten sich gegen Winterkorn, Diess sowie den früheren Finanzvorstand und jetzigen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.

Ein VW-Sprecher bestätigte die interne Sitzung von VW-Managern und erklärte: „Darüber hinaus lässt sich der konkrete Inhalt der Besprechung – bei der Martin Winterkorn und Herbert Diess anwesend waren – nicht mehr vollständig rekonstruieren, da die Erinnerung der anwesenden Personen teilweise voneinander abweichen.“ Der Sprecher wies darauf hin, seine Äußerungen stellten die Sicht der Volkswagen AG dar. Diess und Winterkorn äußerten sich wegen der laufenden Ermittlungsverfahren nicht. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig und der Anwalt Winterkorns waren am Samstag für einen Kommentar nicht zu erreichen.

Der Sprecher erklärte weiter, erst mit der öffentlichen Stellungnahme der US-Behörden sei es möglich gewesen, die Folgen abzuschätzen. „Als hierzu eine belastbare Zahlenbasis ermittelt worden war, hat Volkswagen am 22. September 2015 unverzüglich eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht.“ Damit habe das Unternehmen seine Informationspflichten erfüllt. Die gesamte Einordnung der Aussagen und Geschehnisse, einschließlich der Bewertung der Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben, sei Sache der zuständigen Gerichte und Behörden.

Laut „Spiegel“" fragte Winterkorn nach Abschluss der Runde seinen Kollegen Diess, der kurz zuvor von BMW zu VW gewechselt war, ob BMW auch „Defeat Devices“ (Manipulationssoftware) eingesetzt habe. Dieser habe geantwortet, dies sei seiner Kenntnis nach nicht der Fall gewesen. Nach der Veranstaltung hätten Diess und Winterkorn die Unterlagen zu der Präsentation zunächst an sich genommen, heißt es weiter in dem Bericht des Magazins. Ein Mitarbeiter habe diese aber wieder eingesammelt mit dem Hinweis, dass es besser sei, wenn sie nicht in ihrem Besitz seien.

Wegen des Abgas-Skandals trennt sich Volkswagen nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zudem vom früheren Entwicklungschef der Marke VW. Dem beurlaubten Vorstand Heinz-Jakob Neußer werde in diesen Tagen die fristlose Kündigung zugestellt, schreibt das Blatt. Nach dpa-Informationen vom Sonntag ist unklar, ob er bereits seine Entlassungspapiere hat. VW wollte den Bericht unter anderen mit Verweis auf die arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflichten als Arbeitgeber nicht weiter kommentieren. Eine Stellungnahme von Neußer war zunächst nicht zu erhalten. Nach Darstellung der Zeitung will Neußer gegen die fristlose Kündigung juristisch vorgehen.

Neußer war 2015 im Zuge des Abgasskandals als Entwicklungsvorstand der Marke VW beurlaubt worden. Er gehört auch zu der Gruppe von VW-Mitarbeitern, die in den USA angeklagt wurden. Neben Neußer will sich Volkswagen auch von weiteren Mitarbeitern trennen, die in die Abgas-Affäre verwickelt sind. Kurz nach Bekanntwerden des Skandals hatte Volkswagen seine Mitarbeiter aufgefordert, die Hintergründe zum systematischen Betrug offenzulegen. Allerdings kritisierte der US-Aufseher Larry Thompson laut „Bild am Sonntag“ fehlende personelle Folgen.

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hat 39 Beschuldigte im Fall der Software-Manipulationen beim Stickstoffdioxid-Ausstoß im Visier, in 3 weiteren Fällen geht es um Marktmanipulation. Insgesamt gibt es 49 Beschuldigte. Zusätzlich zu Vorwürfen der Software- und Marktmanipulation geht es um falsche CO2- und Verbrauchsangaben sowie um einen Mitarbeiter, der zur Datenlöschung aufgerufen haben soll.

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