Reden Sie noch mit Martin Winterkorn?
Ja, wir haben seit meinem Amtsantritt drei, vier Mal telefoniert. Und wir werden auch weiter Kontakt halten. Das ist mir wichtig. Ich habe großen Respekt vor seiner Lebensleistung und kann nachfühlen, wie es ihm jetzt geht.
Immerhin soll er noch bis Ende 2016 von VW bezahlt werden.
Zu Verträgen des Vorstandes äußert sich der Aufsichtsrat.
Unter Winterkorn wurden die Abendempfänge auf Automessen zu pompösen Veranstaltungen. Ist es damit vorbei?
Unter „pompös“ verstehe ich zwar etwas anderes, aber ja, das wollen wir so nicht mehr. Etwas mehr Demut und Bescheidenheit steht uns auch hier gut an. Zugleich spart uns das viel Geld, einige Millionen Euro pro Veranstaltung. Bei vier bis fünf derartigen Messen im Jahr kommt da eine erkleckliche Summe zusammen. Auch hier geht es mir vor allem darum, Zeichen zu setzen.
Eine schöne Summe käme sicher auch zusammen, wenn Sie die Gläserne Manufaktur in Dresden schließen und die Produktion des VW Phaeton dort beenden würden. Warum ziehen Sie da keinen Schlussstrich?
Die Gläserne Manufaktur in Dresden ist Bestandteil unserer geplanten Neuausrichtung und hat ihren Platz unter unseren 120 Werken. Und die Arbeitsplätze wollen wir auch erhalten. Der Phaeton wird jetzt neu positioniert. Er kommt als voll vernetzte, rein elektrisch angetriebene Limousine. Die Marke VW braucht so einen Leuchtturm.
Sind Sie so vorsichtig, weil Sie den Streit mit dem Betriebsrat fürchten? Im Vorfeld der nun beschlossenen Entlassung von 600 Leiharbeitern bei VW Sachsen hat es sofort rumort.
Bei uns rumort gar nichts. Die Gespräche mit dem Betriebsrat und seinem Vorsitzenden Bernd Osterloh verlaufen absolut sachlich und kooperativ.
Wenn der Volkswagen-Konzern, besonders die Marke VW, effizienter werden soll, werden Sie um den Abbau von Arbeitsplätzen bei VW nicht herumkommen.
Wir haben klar gesagt, dass wir Stammarbeitsplätze erhalten wollen. Leiharbeiter sind in der gesamten Autoindustrie eine Flexibilitätsreserve, die mal auf- mal abgebaut wird. Sie wissen, dass Volkswagen mit diesem Instrument sehr verantwortungsvoll umgeht. Seit 2006 haben wir in Deutschland rund 16.000 Leiharbeitnehmer fest übernommen. Dass wir das in der aktuellen Situation an einigen Stellen nicht mehr können, bedauere ich.
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
Also doch keine Effizienzsteigerung.
Doch, selbstverständlich. Die Effizienz der Werke müssen wir natürlich steigern. Wir werden aber durch neue Modelle, die Elektromobilität und neue Geschäftsfelder im Zuge der Digitalisierung in Zukunft eher mehr als weniger Arbeitskräfte benötigen als heute. Vor diesem Hintergrund muss sich keiner der Stammbeschäftigten um seinen Arbeitsplatz fürchten. Entscheidend ist, dass wir die Menschen für die neuen Aufgaben qualifizieren.
Auch nicht in Osnabrück, wo Ihr Werk derzeit nur zu 44 Prozent ausgelastet ist?
Da werden wir uns sicherlich überlegen müssen, wie wir die Kapazitäten stabil und nachhaltig auslasten.
BMW hat früh auf die Elektromobilität gesetzt und wie auch Daimler ein Carsharing-System entwickelt. Hat VW die Entwicklung verschlafen?
Nur zur Information: Der Volkswagen Konzern hat die größte Palette von E-Fahrzeugen im Modellprogramm. Aber vielleicht war VW mit dem konventionellen Autobauen so erfolgreich, dass die Notwendigkeit, sich mit einigen neuen Aspekten der Mobilität in letzter Konsequenz zu beschäftigen, nicht erkannt wurde. Das ist jetzt anders. Wir arbeiten unter der Überschrift „Digitale Transformation“ daran, neue Geschäftsfelder zu schaffen und damit in Zukunft den Umsatz außerhalb unseren Kerngeschäfts signifikant zu steigern.