VW-Chef Winterkorn "China wird wachsen, und wir wollen daran teilhaben"

Rekordgewinn, Rekordverkauf: Volkswagen-Chef Martin Winterkorn ist auf dem Gipfel. Ein Gespräch über Macht, Verantwortung, Ökoautos und den Anspruch, überall die Nummer eins zu sein.

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Martin Winterkorn Quelle: dpa

Herr Winterkorn, der Volkswagen-Konzern hat gerade 192 Milliarden Euro Umsatz und einen Gewinn nach Steuern von 22 Milliarden Euro gemeldet. Das ist deutscher Rekord. Wie fühlt sich das an?

Martin Winterkorn: Ich freue mich natürlich, dass 2012 trotz allen Gegenwinds ein so gutes Jahr war. Aber ich weiß sehr genau: Das ist das Verdienst der ganzen Volkswagen-Mannschaft.

"Allmacht kann auf Dauer nicht gut gehen" wurde über Felix Magath, den Extrainer des VfL Wolfsburg, mal geschrieben. Gilt das auch für Sie?

Allmachtsfantasien liegen mir nicht. Erfolgreich sind die Unternehmen und die Clubs, die starke Teamführer haben, aber auch eine gute Mannschaft.

Wie sorgen Sie dafür, dass Ihnen die richtigen Leute an den Schaltstellen zuarbeiten?

Vor allem indem wir diesen Konzern und seine Menschen weiterhin an den Fahrzeugen, der Technik und seinen Kunden ausrichten. Volkswagen wird nie eine blutleere Finanzholding sein. Außerdem zählt bei uns der beste Fachmann und nicht der, der sich am besten präsentiert oder das geschliffenste Englisch spricht.

Sie persönlich leisten ein riesiges Pensum in einem globalen Konzern mit zwölf Marken. Wie lange sind Sie für VW noch unersetzlich?

Diese Diskussion hat man bei jedem erfolgreichen Unternehmensführer.

Aber nach Hermann Josef Abs, dem ersten Chef der Deutschen Bank nach dem Krieg, hat wohl kein Wirtschaftsführer solch einen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung, auf Erfolg und Misserfolg dieses Landes gehabt wie Sie.

Das mag stimmen. Aber sehen Sie: Ich bin seit über 30 Jahren im Konzern, Herr Dr. Piëch, unser Aufsichtsratschef, seit 40 Jahren, und diese Kontinuität zahlt sich aus. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden zur gegebenen Zeit eine gute Lösung finden.

Wenn VW hustet, bekommt Deutschland eine Lungenentzündung?

Selbst die Bundeskanzlerin interessiert sich sehr für Volkswagen und fragt: Na, wie geht’s Ihnen, Herr Winterkorn? Dann sage ich: Mir geht’s gut. Und sie antwortet: Da freue ich mich.

Größe und Erfolg des Konzerns hängen stark von China ab. Dort verkaufen Sie fast jedes dritte Auto. Als Sie im Januar von der Smog-Wolke über Peking gehört haben, was schoss Ihnen als Erstes durch den Kopf? Was geht mich das an? Oder: Jetzt müssen meine Mitarbeiter leider den Dreck schlucken, den unsere Autos produzieren?

Ich bin oft in Peking und kann gut nachfühlen, was das bedeutet. Smog ist dort ein großes Problem. Aber der Großteil des Feinstaubs kommt nicht von Autos. Er stammt aus Industrieanlagen, er wird von Hausbrand und allen möglichen Kraftwerken verursacht. Wenn Sie die Feinstaubmengen nehmen, die ein moderner Dieselmotor ausstößt, liegen die in Peking gemessenen Luftwerte um einiges höher. Ein modernes Auto funktioniert da geradezu wie eine Luftreinigungsmaschine.

Der VW-Konzern hat in China gut 20 Prozent Marktanteil. Muss man da nicht auch eine Mitverantwortung für Umweltprobleme übernehmen?

Genau das tun wir ja, indem wir sparsame und saubere Technologien nach westlichem Standard nicht nur nach China bringen, sondern auch dort erproben und produzieren. In Kürze werden wir dort bereits fünf Modelle anbieten, die den strengsten europäischen Abgasnormen entsprechen.

VW, General Motors, Nissan, Hyundai, BMW, Daimler – alle bauen neue Fabriken in China, wollen zweistellig zulegen. Denn es gibt nur etwa 50 Pkw pro 1.000 Menschen, in Deutschland sind es mehr als 500. Aber kann man unsere Motorisierung auf China übertragen?

Gegenfrage: Können wir den Chinesen das Recht auf individuelle Mobilität absprechen? Die Menschen dort wollen genauso mobil sein wie wir Europäer. Im Osten des Landes ist die Mobilität mittlerweile stark ausgeprägt, aber in den restlichen 80 Prozent sind immer noch Eselskarren und Pferdefuhrwerke unterwegs. Auch dort gibt es boomende Millionenstädte. Wir können und wollen nicht verhindern, dass die Chinesen ihren Mobilitätsbedarf decken.

Sie glauben also, dass sich das chinesische Wachstumsmodell in die bislang weniger entwickelten Provinzen übertragen lässt?

Nehmen Sie etwa Ürümqi im Nordwesten Chinas, wo wir gerade eine Fabrik bauen. Diese Stadt mit mehreren Millionen Einwohnern liegt an der Seidenstraße, dem alten Handelsweg nach Europa. Dort gibt es noch vergleichsweise wenig Autos. Coca-Cola investiert dort, und auch viele andere westliche Unternehmen bauen Fabriken. Diese Region schreit förmlich nach Mobilität. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. China wird weiter wachsen, und wir wollen daran teilhaben.

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