Der Hausherr empfängt im dunklen Anzug. Das Hemd bis oben geschlossen, die Krawatte sitzt picobello, so führt Stefan Piëch durch sein Reich. Die Buchhaltung, die Programmdirektion, den Vertrieb, das Filmlager. Dann öffnet der 47-Jährige einen Schrank, Hunderte Ordner stehen hier in Reih und Glied und enthalten „unser größtes Kapital“, sagt Piëch.
Es sind Lizenz- und Rechteverträge mit Produktionsfirmen aus aller Herren Länder für alle Formen von Kinderfernsehen; Zeichentrickserien, Märchenfilme, Abenteuer, mit bekannten und weniger bekannten Helden wie Altair, Fix & Foxi und Urmel. Kein anderer deutscher Anbieter hat hier mehr zu bieten als die von Piëch geführte, börsennotierte Your Family Entertainment.
Das alles klingt nach großer Oper. Doch tatsächlich ist Your Family trotz seines üppigen Rechtefundus und des stetig wachsenden Bedarfs der internationalen Medien- und Technologiekonzerne nach publikumsträchtigen Inhalten eine eher kleine Nummer. Der börsennotierte Betrieb meldete im vergangenen Jahr einen Umsatz von nicht ganz vier Millionen Euro, die Marktkapitalisierung beträgt fast 18 Millionen Euro. Nach gut sieben Minuten ist man dann auch schon durch mit der Unternehmensführung und kennt die wichtigsten Köpfe.
Und doch lohnt es sich, einen genaueren Blick auf Unternehmen und Chef zu werfen: Denn der jetzige Medienunternehmer Stefan Piëch könnte zukünftig einer der wichtigsten Männer der deutschen Industrie werden. Er ist der Sohn von Hans Michel Piëch, dem langjährigen Aufsichtsratsmitglied von Porsche und Volkswagen.
Seitdem dessen Bruder Ferdinand im Streit alle Volkswagen-Ämter verließ, ist Hans Michel der starke Mann im Clan: Mitte November trat Ferdinand auch einen Großteil seiner Porsche-SE-Aktien an seinen Bruder Hans Michel ab. Über die Porsche SE, die mehr als die Hälfte der VW-Stammaktien hält, kontrolliert der Clan den Volkswagen-Konzern.
Aktionärsverteilung der Volkswagen AG
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte PSE hält 52,2 Prozent der Volkswagen-Stammaktien.
Quelle: Unternehmen, eigene Recherchen
Das Land Niedersachsen ist in Besitz von 20,0 Prozent der Stammaktien. Damit hat die Staatskanzlei bei wichtigen Entscheidungen – etwa einer Kapitalerhöhung – ein Vetorecht, da bei Volkswagen solche Entscheidungen mit 80 Prozent der Stimmen plus einer Aktie getroffen werden müssen. Weitere Vorzüge für das Land Niedersachsen wurden nach einem EuGH-Urteil 2007 gestrichen.
Die Kataris haben sich im Zuge der Porsche-Übernahme 2009 mit 17 Prozent der Stammaktien eingekauft. Den Anteil hält der Staatsfonds bis heute, es sitzen auch zwei Vertreter Katars im Aufsichtsrat.
10,8 Prozent der Stammaktien befinden sich in Streubesitz.
Was bedeutet das für seinen Sohn Stefan? Ein Aufsichtsratssitz bei der VW-Tochter Seat ist bisher sein einziger offizieller Berührungspunkt mit dem Konzern. Das könnte sich aber bald ändern. Denn bei den Porsches und Piëchs wird gerade die Macht von der dritten an die vierte Erbengeneration in Form von Porsche-SE-Anteilen weitergereicht. Über 30 Erben der vierten Generation könnten theoretisch in die großen Fußstapfen von Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche treten. Tatsächlich trauen die Familien das aber nur wenigen zu.
Einer, dem in der Sippe beste Chancen für eine künftige Schlüsselrolle bescheinigt werden, ist Stefan Piëch. Das liegt an seiner Erfahrung als Unternehmer, natürlich aber auch am riesigen Aktienbesitz des Vaters. Wenn der 75-jährige Hans Michel seine Anteile an Sohn Stefan und seine fünf Schwestern weiterreicht, dürfte für den TV-Unternehmer ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Ist ein Mann, der bisher einen kleinen Medienmittelständler führte, dem gewachsen?