
Bußgeld- und Strafzahlungen in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar, verstärkte Kontrollsysteme und einen externen Aufseher für die kommenden drei Jahre: Der Vergleich mit dem US-Justizministerium ist für Volkswagen teuer und schmerzhaft, aber verkraftbar. Und es ist ein wichtiger Schritt, da der Vergleich die strafrechtliche Aufarbeitung in den USA beendet.
Die Einigung ist auch an einer anderen Stelle ein einschneidendes Ereignis in der Aufarbeitung der gesamten Abgas-Affäre: VW hat den Betrug an Behörden und Kunden über die Emissionen von knapp einer halben Million Dieselfahrzeugen von Mai 2006 bis November 2015 eingeräumt. Das Unternehmen bekenne sich der Verschwörung und der Behinderung der US-Justiz schuldig, erklärte es am Mittwochabend.
Sprich: VW gibt endlich ein kriminelles Verhalten zu. Bislang hat der Konzern immer nur Fehler eingeräumt, sich aber vehement gegen die Bezeichnung „kriminell“ zur Wehr gesetzt.
Der Verstoß gegen das US-Luftreinhaltegesetz ist unbestreitbar. Und wer gegen Gesetze verstößt, der ist ein Verbrecher. So viel zu der passenden Vokabel. Wie die US-Gerichte beim Vorwurf des vorsätzlichen Betrugs geurteilt hätten, wollten die Konzernoberen beim besten Willen nicht erfahren – der 4,3-Milliarden-Dollar-Deal ist die eindeutig bessere Lösung.
In Wolfsburg passiert nichts
Mit dem öffentlichen Schuldeingeständnis gibt es nur eine logische Schlussfolgerung: Wenn sich ein Unternehmen in einem solchen Ausmaß kriminell verhält, dass sich alleine in den USA Strafen und Bußgelder auf über 20 Milliarden Dollar summieren, hat der Vorstand versagt.
Doch was passiert in Wolfsburg? Nichts. Der Konzern hält weiter an seiner Version fest, einige wenige Techniker hätten alles ausgeheckt, der Vorstand – allen voran der Vorsitzende Martin Winterkorn – hätten von den Vorgängen nichts gewusst.





Doch selbst das ist ein Problem: Wenn der Vorstand nicht weiß, was im eigenen Unternehmen vorgeht, ist das fahrlässig. Und wenn im Falle des Skandalmotors EA189 nach langer, problematischer Entwicklung ein so versierter Ingenieur und Tüftler wie Winterkorn die plötzliche Wunderlösung nicht hinterfragt, hat er seine Kontrollpflichten vernachlässigt.
Interne Untersuchung könnte Aufsichtsrat unter Zugzwang bringen
Bei Volkswagen ist ein solcher Schritt kaum zu erwarten – auch wenn er noch so angebracht wäre. Der Schaden für die Wolfsburger ist ungleich größer als einst bei Siemens. Die Folgen werden auch auf die einfachen Angestellten zu spüren bekommen, wie etwa bei der Debatte um die Leiharbeiter in den sächsischen Werken zu sehen ist.
Die Basis muss bluten, weil ein Mann auf dem Weg zur Weltspitze ein System etabliert hat, das auf Gehorsam basierte und den Skandal zumindest begünstigt hat. Ein Mann, der zu den bestbezahlten Managern des Landes gehörte und heute pro Tag mehr Rente bezieht, als ein aktiver Arbeiter im Monat bekommt.
Jetzt müssen sich die Blicke auf den aktuellen Aufsichtsrat richten: Dieser hat nach Bekanntwerden des Skandals externe Ermittler damit beauftragt, die Schuldigen zu finden. Immer wieder wurden die versprochenen Ergebnisse – mal zur Hauptversammlung 2016, mal zum Jahresende – verschoben. Zuletzt lautete die Begründung, man wolle die Einigung mit den US-Behörden nicht gefährden.
Wird der jüngste Vergleich abgesegnet, rückt der Tag der Veröffentlichung immer näher. Kommen die Ermittler der Kanzlei Jones Day zu dem Schluss, dass Winterkorn zumindest eine Teilschuld trägt, wird der Druck auf den Konzern immer größer.
Die Chance, dieses unselige Kapitel der Konzerngeschichte mit erhobenem Haupt schließen zu können, gibt es jetzt.