„Versucht man einen konstruktiven Ansatz, dann kann dieser bei der Ungewissheit über Ausmaß und Dauer der Malaise doch nur in der völligen Aussetzung sämtlicher Bonizahlungen bis zu einer endgültigen Klärung aller relevanten Details der Abgasbetrügereien liegen“, schreibt das Gründungsmitglied der deutschen Corporate-Governance-Kommission in einem Beitrag für die WirtschaftsWoche. Seinen Vorschlag begründet Sprenger mit rechtlichen Risiken für alle Beteiligten.
„Ein Beschluss des Aufsichtsrates, trotz schlecht erfüllter, aber geltender Verträge erkleckliche Millionenboni zu gewähren, dürfte geltendem Recht widersprechen und Schadensersatzansprüche gegen die Aufsichtsräte auslösen“, so Sprenger. „Das gilt auch für Ansprüche gegenüber möglicherweise nicht direkt zuständigen Vorstandsmitgliedern, da hier das Prinzip der Gesamtverantwortung des Vorstandes zu beachten ist.“
Sprenger beruft sich auf die gesetzliche Vorschrift, dass Boni-Zahlungen sich an der Nachhaltigkeit von Managemententscheidungen ausrichten müssen, die aufgrund der drohenden Strafzahlungen und Konsequenzen für VW derzeit aber nicht beurteilt werden kann. „Der bereits 2009 wesentlich verschärfte Paragraf 87 des Aktiengesetzes verpflichtet – auch jüngst durch den Bundesgerichtshof bestätigt – die Aufsichtsräte ohne Wenn und Aber dazu, die Bezüge des Vorstands in einem angemessenen Verhältnis zur Lage des Unternehmens festzusetzen und auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten“, schreibt der Experte. Dass den VW-Vorständen ein vorläufiger Verzicht auf die Boni zuzumuten ist, steht für Sprenger außer Frage: „Angesichts von Fixgehältern und Aufwandsersatz von locker über einer Million Euro pro Jahr: durchaus!“
Was bei Volkswagen im April wichtig wird
VW ist seit Monaten auf der Suche nach einer technischen Umbaulösung für die manipulierten Dieselautos in den USA, die die US-Umweltbehörde EPA zufriedenstellt. Teil einer Einigung werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Rückkäufe. Die Frage ist: Wie viele der 580.000 manipulierten US-Diesel muss der Konzern zurücknehmen?
Müller sagte Anfang des Jahres in Detroit, der Rückkauf von 100.000 Autos wäre eine denkbare Option – es ist aber nicht ausgeschlossen, dass VW alle betroffenen Diesel in den USA zurückkaufen muss, weil es keine technische Lösung gibt, um die Abgasvorgaben einzuhalten. Setzt man in diesem Szenario zum Beispiel einen durchschnittlichen Wert von 20.000 Dollar an, ergäben sich Kosten von 11,6 Milliarden Dollar.
Die nächste hohe Zahlung droht VW durch eine Zivilklage, die das US-Justizministerium einreichte. Hier wäre eine Maximalstrafe von 45 Milliarden Dollar möglich – plus eine Summe, die das Gericht festlegt. In dieser Klage wird wohl auch die anfänglich genannte Maximalstrafe von 18 Milliarden Dollar aufgehen. Beides sind theoretische Werte, es gibt keine verlässlichen Schätzungen für die tatsächlichen Kosten. VW dürfte einen Vergleich anstreben.
Beim US-Bezirksrichter Breyer sind die Milliardenklage und auch alle anderen US-Zivilklagen von der Finanzaufsicht FTC, Bundesstaaten, VW-Besitzern und Autohäusern gebündelt. Er ist deshalb ein sehr wichtiger Mann in der Frage, wie teuer der Abgas-Skandal für VW wird. Breyer hat dem Konzern und den Behörden ein Ultimatum bis zum 21. April gesetzt, eine Lösung für die manipulierten Dieselautos zu finden. Ansonsten will er bereits im Sommer mit dem Prozess beginnen.
Spätestens bis zur Bilanz-Pressekonferenz am 28. April sollte VW Klarheit haben, wie viel Geld für drohende Strafen zurückgelegt werden muss. Davon hängt wiederum indirekt ab, wie hart die Wolfsburger sparen müssen und wie viele Stellen dies womöglich kostet. Auch die Dividende für Großaktionäre wie die Porsche SE, den Staatsfonds aus Katar und das Land Niedersachsen ist in Gefahr.
Anleger dürften diesmal neben Umsatz und Gewinn vor allem die Kapitalstärke im Auge haben. Wie viel Bargeld hat der Konzern, wie viel Cash fließt aus dem laufenden Geschäft nach Wolfsburg? Bei der Netto-Liquidität – also dem Bargeldbestand abzüglich Schulden – gelten 20 Milliarden Euro bei VW als magische Grenze, die nicht unterschritten werden sollte. Ansonsten könnte das Folgen für die Kreditwürdigkeit haben. Geld zu leihen, wäre für VW dann noch teurer.
Im April soll der Zwischenbericht zu den internen Ermittlungen im Abgas-Skandal vorgestellt werden. Die Kanzlei Jones Day hat bei VW Schriftstücke, Mails und Telefondaten ausgewertet sowie Mitarbeiter verhört. Die Frage, wer von den Manipulationen wusste, ist auch entscheidend für die Klagen gegen VW und für strafrechtliche Ermittlungen gegen Einzelpersonen.
Wenn die Ermittler keine Verantwortlichen auf der Ebene des Konzernvorstands finden, wäre das gut für VW. Andernfalls wäre es mit Blick auf alle möglichen Zivilklagen sehr ungünstig, weil das Handeln des Vorstands von Gerichten oft als Handeln des Unternehmens ausgelegt wird – und dann kann es teuer werden.
Die Klagen von Anlegern, die ihre Aktienkursverluste von VW ersetzt haben wollen, liegen beim Landgericht Braunschweig. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird bald eine Musterklage zugelassen, deren Urteil auf andere Fälle übertragen werden könnte. Anfang April lagen dem Landgericht zufolge über 80 einzelne Klagen vor.
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