VW-Führungskarussell Sechs Prinzen bei Volkswagen

Über 30 Top-Jobs hat der Konzern neu besetzt. Das Personalkarussell ist das Startsignal für das Rennen um die Nachfolge von Konzernchef Martin Winterkorn. Wer hat aktuell die Nase vorn?

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Der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin Winterkorn (r), bespricht sich mit dem Vorstandsvorsitzenden der Audi AG, Rupert Stadler Quelle: dpa

Die vergangene Woche war keine gute für Karl-Thomas Neumann, den amtierenden China-Chef von Volkswagen. Erst eröffnet ihm am Mittwoch Konzernlenker Martin Winterkorn, dass der 60-jährige Jochem Heizmann künftig die China-Geschäfte leiten werde. Zurück in China, sieht Neumann Presseberichte über massive Qualitätsprobleme bei Getrieben, die im Reich der Mitte produziert wurden. Der Bericht sei aus Wolfsburg lanciert worden, vermutet Neumann. Wutentbrannt greift er noch in der Nacht zum Hörer und macht seinem Ärger in Wolfsburg Luft. Damit ist die Sollbruchstelle geschaffen: Der 51-Jährige, der bislang als möglicher Nachfolger Winterkorns galt, wird VW wohl verlassen.

Neumann ist das Opfer des größten Personalkarussells in der 75-jährigen Geschichte des Volkswagen-Konzerns. Über 30 Neubesetzungen verkündete der Autobauer in den vergangenen Tagen – ein „grundlegender Umbau“, wie Winterkorn sagte. Was der 65-Jährige, dessen Vertrag bis 2016 läuft, nicht sagte: Das Mega-Revirement ist zugleich der Startschuss für das Rennen um seine Nachfolge.

Winterkorn agiert bei der Mannschaftsaufstellung wenig zimperlich. Neben dem verdienten Audi-Entwicklungschef Michael Dick muss zum Beispiel auch sein Vertriebskollege Peter Schwarzenbauer gehen, obwohl er eine ordentliche Bilanz verweisen kann. Doch er kam nicht mit dem obersten Marketingmann im VW-Konzern, Christian Klingler, klar. Nun liegt Schwarzenbauer nach WirtschaftsWoche-Informationen ein Angebot von Martin Richenhagen vor, dem Chef des US-Landmaschinenkonzerns AGCO.

Sechs Top-Kräfte bei VW können sich jetzt in der Prinzenrolle wähnen. Wer die besten Chancen auf den Chefsessel hat, ließ Winterkorn bereits durchblicken: Ein Manager, der eine Marke des Konzerns selbstständig führte, sollte es sein, vor allem aber ein „Produktmann“ – ein Manager also mit Produktverantwortung, aber nicht zwingend ein Ingenieur. Warum auch? Winterkorn selbst ist Physiker.

Der Top-Kandidat: Rupert Stadler

Bei der Feier zum 75. Geburtstag von Ferdinand Piëch am 21. April in Dresden war er dem Zentrum der Macht schon sehr nahe: Beim Abendessen im Taschenbergpalais wurden Rupert Stadler, 49, und seiner Frau Angelika Plätze in direkter Nachbarschaft zu der Festtafel zugewiesen, an der Gastgeber und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch samt Ehefrau Ursula sowie VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und Gattin Anita saßen. Dass Piëch seinen langjährigen Büroleiter und heutigen Vorstandschef von Audi in hohem Maße schätzt, zeigt auch die Berufung Stadlers in den dreiköpfigen Stiftungsvorstand, der nach dem Tod des Auto-Patriarchen über dessen Privatvermögen entscheiden soll.

Keine Frage: Stadler hat beste Chancen, als Nachfolger von Winterkorn eines Tages die Leitung des Volkswagen-Konzerns zu übernehmen. Dass er kein Ingenieur ist, sondern Betriebswirt, dass er sich lieber an Finanzkennziffern delektiert denn an Beschleunigungswerten, ist kein Handicap mehr: Wie man ein Auto schnell und trotzdem sicher bewegt, hat er in den vergangenen Jahren bei unzähligen Abnahmefahrten gelernt.

Zwar verliert Stadler durch das neue Personaltableau drei seiner sechs Vorstände: Cheftechniker Michael Dick, 60, muss in den Ruhestand, Vertriebschef Peter Schwarzenbauer verlässt das Unternehmen, und Einkaufschef Ulf Berkenhagen wechselt zur Bus- und Lkw-Tochter MAN. Gleichwohl hält der Endvierziger noch viele Trümpfe in der Hand. So ist Audi die Ertragsperle im Konzern, die Ziele der Wachstumsstrategie 2020 sind schon in Reichweite. Und mit der italienischen Motorradmarke Ducati hat „Deutschlands bester Unternehmenslenker“ des Jahres 2011 neben Audi und Lamborghini nun noch ein weiteres starkes Pferd im Stall.

Allerdings muss Stadler bei Audi noch einiges bewältigen, bevor er nach den Sternen greifen darf: den Bau eines neuen Werks in Mexiko, die Expansion in den USA und in China, die Weiterentwicklung der Modellpalette mithilfe der Komponenten im Konzern und eine Innovationsoffensive – um den Werbespruch „Vorsprung durch Technik“ neu aufzuladen. Mit dem neuen Team, das er angeblich selbst zusammengestellt hat, sollte ihm dies gelingen.

Fazit: Auch wenn er sich angeblich voll und ganz auf Audi konzentriert – Stadler ist der erste Anwärter auf die Thronfolge.

China-Kenner: Winfried Vahland

Skoda-Chef Winfried Vahland Quelle: dpa

Groß war die Aufregung, als im Frühjahr der Verband der chinesischen Autohersteller die Wachstumsprognose für das laufende Jahr von acht auf fünf Prozent absenkte. Die Kurse der Aktien deutscher Autobauer rauschten um drei, manche sogar um fünf Prozent in die Tiefe. Skoda-Chef Winfried Vahland, 55, verkündete an diesem Tag jedoch in Prag seine rosige Bilanz für 2011 und rieb sich beim Blick auf die Aktienkurse die Augen.

„Völlig umsonst diese Aufregung, es geht hier um Fahrzeugklassen, die die Deutschen gar nicht im Angebot haben“, urteilte er und wunderte sich, warum die entsetzten Börsianer nicht mal jemand fragten, der sich damit auskenne.

Gemeint hat Vahland unter anderem sich selbst. Der Mittfünfziger ist nicht nur ein selbstbewusster Kenner des chinesischen Marktes, er hat dort auch schon als Manager brilliert. Bevor er den Chefsessel bei der tschechischen VW-Tochter Skoda übernahm, steuerte er die VW-Geschäfte im Reich der Mitte.

Hemdsärmelig setzte er auf der Basis des alten Golf das China-Modell Lavida auf, das zu einem Verkaufsschlager wurde. Er zog Fabriken hoch, senkte die Kosten und beschleunigte den Absatz – China wurde sein Gesellenstück.

Diese Autos sollen die Chinesen begeistern
So ist es auch kein Wunder, dass die Volkswagen-Konzern bzw. Audi-Tochter Lamborghini ausgerechnet Peking wählt, um erstmals ein Concept Cars ihres neuen Luxus-SUV vorzustellen, das Urus heißt, benannt nach einer spanischen. Kampfstierrasse ... Quelle: dpa
Lamborghini-Chef Stefan Winkelmann mit dem Urus Concept SUV. Bis zu 3.000 Fahrzeuge jährlich könnten produziert werden, heißt es. Unter der Motorhaube kommt ein Zwölfzylinder zum Einsatz, der den Viertürer mit der coupeartigen Dachlinie mit 600 Pferdestärken antreibt. Ob es bis zur Serienfertigung bei den kleinsten Außenspiegeln der Welt bleibt, darf allerdings bezweifelt werden ... Quelle: dpa
Medienansturm auf den Lambirghini Urus am ersten Pressetag der Messe Auto China. Quelle: dpa
Lamborghini Urus Concept SUV: Die Automesse in Peking begann mit einer Rekordausstellungsfläche, 990 Autos sind 220.000 Quadratmetern zu sehen, von den Herstellern wurden 120 Modell-Weltpremieren angekündigt. China gilt als äußerst wichtiger Wachstumsmarkt für die Autohersteller der Welt. Allerdings haben sich die Zuwachsraten beim Absatz deutlich verlangsamt, seit die Regierung Förderprogamme für den Autokauf zusammenstrich. Zudem haben einige Metropolen strenge Fahrauflagen erlassen, um der Umweltverschmutzung und den ständig wachsenden Staus auf den Straßen Herr zu werden. Die „Auto China“ findet abwechselnd in Peking und Shanghai statt. 2010 waren in der Hauptstadt 785.000 Menschen zu der Messe gekommen. Quelle: dpa
Kurz vor dem Publikumsansturm: Letzte Aufräumarbeiten auf dem Volkswagen-Stand. Noch immer sind mehr als drei Viertel der chinesischen Autokunden Erstkäufer. Rund 100 Millionen Pkw waren zuletzt in dem Riesenreich mit rund 1,4 Milliarden Menschen registriert. Zum Vergleich: In Deutschland kommen auf fast 82 Millionen Bürger knapp 43 Millionen Autos. So niedrig wie heute in China war die Pkw-Dichte in der Bundesrepublik in den 1950er Jahren. Die damalige Situation in Deutschland ähnelt in manchen Punkten der heutigen in China: Der Wohlstand wächst quer durch die Bevölkerung rasant. Und der Hunger nach Mobilität sowie nach technisch hochwertigen und optisch ansprechenden Besitztümern ist schier unersättlich. Quelle: dpa
Wenn es um Luxus-SUV und China geht, darf Maserati natürlich nicht fehlen. Die Nobeltochter des italienischen Fiat-Konzerns hatte mit der Ankündigung des Kubang zunächst überrascht, weil sie bislang ausschließlich flache Sportwagen baut. Aber seit dem Riesenerfolg des Porsche Cayenne suchen eben alle nach ähnlichen Modellen, um sportliches Markenimage auf neue Produkte zu übertragen. Der Neue wurde vom Maserati Style Center entworfen und ist auf den ersten Blick als ein Werk der Italiener zu erkennen. Das liegt vor allem an dem typischen Kühlergrill mit den Längslamellen und dem großen Dreizack in der Mitte. Die restliche Karosserie ist eine Mischung aus SUV und Coupé mit mächtiger Front und vehement nach hinten abfallender Dachlinie ... Quelle: dpa
Viele Details verrät der italienische Hersteller mit dem Dreizack im Logo jedoch noch nicht über seinen neuen Viertürer. Lediglich, dass die Gänge über eine Achtstufenautomatik gewechselt werden, die exklusiv für den Kubang in Modena entwickelt wurde. Aus Sicht von Traditionalisten wird der Kubang nicht Maseratis einziger Stilbruch beiben: Auch Dieselmotoren wurden bereits angekündigt ... Quelle: dpa

Dafür gab es ein Dankeschön von ganz oben: „Winfried Vahland“, lobte VW-Chef Winterkorn, „hat großen Anteil daran, dass China der zweite Heimatmarkt von Volkswagen geworden ist.“ Nach fünf Jahren im fernen Osten nahm Vahland die nächste Stufe auf der Karriereleiter. Er bekam als Skoda-Chef die Verantwortung, eine Konzernmarke neu zu positionieren.

Zurück zur Einstiegsmarke

Winterkorn waren die Autos aus Tschechien zu nah an die VW-Modelle herangefahren, zu gut und zu wenig rentabel. Vahland soll Skoda wieder zu dem machen, was es war: eine Einstiegsmarke. Die soll billigen Angreifern aus dem Osten wie der Renault-Tochter Dacia und aus Fernost wie dem Koreaner Hyundai Paroli bieten, statt die VW-Modelle Polo, Golf und Passat zu kannibalisieren.

Vahland exekutiert dieses Konzept aus Wolfsburg offenbar mit Erfolg. Wenn es ihm auch noch gelingt, in den nächsten Jahren „China neben Europa zur zweiten Heimat von Skoda zu machen“ (Vahland) und Skoda als echte Weltmarke aufzubauen, gehört er wohl zu den heißesten Anwärtern auf den VW-Chef-Sessel.

Fazit: Macht Vahland Skoda zur profitablen Weltmarke, steht ihm vieles offen.

Geheimfavorit: Wolfgang Dürheimer

Wolfgang Dürheimer Quelle: dapd

Einige hatten ihn schon abgeschrieben, nachdem er von Konzernchef Martin Winterkorn mal flapsig als „Motorradentwickler“ tituliert worden war. Auch Wolfgang Dürheimer, 53, selbst hatte sich darauf eingestellt, seine Karriere in der Autoindustrie nach Stationen bei BMW und Porsche als Präsident und CEO von Bentley und Bugatti zu beschließen.

Der Diplom-Ingenieur hatte im Februar 2011, nach der Machtübernahme durch Volkswagen, als Vertrauter des bisherigen Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking den Posten des Forschungs-und-Entwicklungs-Chefs bei Porsche räumen müssen. Als Trostpflaster erhielt er die Verantwortung für zwei der kleinsten Einheiten im Konzern, die zuvor Ex-Audi-Chef Franz-Josef Paefgen geführt hatte.

Treiber des technischen Fortschritts

Doch Dürheimer grollte weder über Winterkorns Bemerkung noch über seine Versetzung, sondern fügte sich in die neue Rolle. Die bescherte ihm große Entscheidungsfreiheit und Verantwortung als Chef der beiden Luxusmarken. So sorgte er mit viel Einfühlungsvermögen und Ingenieurkompetenz dafür, dass in den beiden Unternehmen ein neuer Geist einzog. Die Ernte hätte er gerne selbst eingefahren.

Aber das Blatt hat sich gewendet, jetzt heißt es wieder: zurück ins Glied. Wenige Wochen vor seinem 54. Geburtstag wurde Dürheimer zum neuen Entwicklungsvorstand für Audi bestellt. Statt zur Präsentation des Bugatti Vitesse in Barcelona düste er vergangene Woche nach Wolfsburg. Um den neuen Bentley-Geländewagen kümmert sich nun Wolfgang Schreiber.

Winterkorn hat längst erkannt, dass Dürheimer nicht nur Zweiräder kann, sondern wie er selbst ein Treiber des technischen Fortschritts ist. Dürheimer hat nicht nur die Porsche-Modelle Cayenne und Panamera entwickelt, sondern auch den Supersportwagen 918 Spyder sowie den Rennwagen GT3 R Hybrid. Dessen Schwungradtechnik soll Audi nun beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zum Sieg führen.

Audi kann Dürheimers Fähigkeit, komplexe Systeme in kurzer Zeit zur Marktreife zu führen, bestens gebrauchen. Verschafft Dürheimer Audi wieder mehr „Vorsprung durch Technik“, rückt er entweder als Stadler-Nachfolger auf den Posten des Audi-Chefs. Oder er überholt – und geht als Konzernchef nach Wolfsburg.

Fazit: Insider sehen in Dürheimer einen potenziellen Nachfolger Stadlers als Audi-Chef. Vielleicht wird noch mehr draus.

Systematiker: Matthias Müller

Martin Winterkorn im Hintergrund und der Vorstandsvorsitzende der Porsche AG, Matthias Müller Quelle: dapd

Bei Audi wird der halbe Vorstand umgekrempelt, bei den VW-Nutzfahrzeug-Töchtern bleibt kein Stein auf dem anderen. Vergleichsweise ruhig, wie im Auge des Orkans, geht es dagegen bei Porsche zu.

Das spricht für Matthias Müller, 59, der seit eineinhalb Jahren in Stuttgart am Steuer sitzt. Der frisch verheiratete Bayer – seine Ehefrau Ulrike arbeitet im Audi-Design – hat es in kürzester Zeit geschafft, den Sportwagenhersteller wieder auf Trab zu bringen und auf Wachstum zu trimmen.

Als Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns brütete der Informatiker (Spezialgebiet Systemanalyse) jahrelang über Strategieplänen, über Komponentenbaukästen und Modellzyklen. Nun kann der Winterkorn-Vertraute seine Pläne und Strategien erstmals selbst umsetzen.

Das tut er mit aller Kraft, viel Elan und großer Entschlossenheit. Die Produktion des kleinen Geländewagens Macan ist auf den Weg gebracht, die Erweiterung des Leipziger Werks in Angriff genommen; der neue Elfer ist in den Verkaufsräumen und der neue Supersportwagens 918 Spyder in Arbeit. Porsche ist wieder mit hoher Geschwindigkeit unterwegs.

Auf welches Auto Sie am längsten warten müssen
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BMW 6er Grand Coupe (r) und das BMW M6 Coupe Quelle: dpa
VW Golf Cabrio GTI Quelle: dpa
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Audi A4 Sedan Quelle: dpa
Audi CEO Rupert Stadlersits inside the new Audi A3 Quelle: dapd
Martin Winterkorn, der Vorstandsvorsitzende des deutschen Automobilherstellers Volkswagen neben dem neuen VW Golf Variant Quelle: dpa

Müller hat beim Eisstockschießen auf den gefrorenen Seen seiner Heimat gelernt, gegnerische Stöcke mit präzisen Würfen aus dem Feld zu schlagen.

Er wäre insofern der ideale Kandidat für die Winterkorn-Nachfolge – wenn er ein paar Jahre jünger wäre. Am Wochenende feierte er seinen 59. Geburtstag. „Wenn Winterkorn nicht noch einmal verlängert hätte, wäre er sicher der Kronprinz“, sagt ein Insider. Eine kleine Chance hat er dennoch: Wenn Winterkorn aus irgendwelchen noch nicht erkennbaren Gründen früher als geplant den Chefposten bei VW aufgeben müsste.

Fazit: Müller bringt alles mit, was ein Konzernchef braucht, strategische Denke und Führungskraft – hat aber nur eine Chance, wenn der Wechsel an der Konzernspitze vorgezogen werden müsste.

Joker: Michael Macht

Martin Winterkorn und VW-Produktionschef Michael Macht Quelle: dpa

An Michael Macht, 51, klebt ein unschöner Lorbeer: wegbefördert. Nur rund ein Jahr lang war er Porsche-Chef. Dann wurde er – so wurde vielfach berichtet – 2010 auf den Posten des VW-Produktionschefs „weggelobt“. Zu zögerlich habe der Vertraute des langjährigen Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking bei dem Sportwagenbauer aufgeräumt, so wird kolportiert, zu wenig habe VW auf Porsche durchgreifen können. Deshalb sei der Volkswagen-Mann Matthias Müller installiert worden.

Diese Version der Geschichte unterschlägt jedoch gleich zweierlei: dass Winterkorn und Aufsichtsratschef Piëch den ruhigen, besonnenen Macht schon lange schätzten und ihm eine Rolle in Wolfsburg geben wollten.

Und dass Macht vom ersten Tag an nur als Interims-Porsche-Chef vorgesehen war, wie die WirtschaftsWoche bereits bei Wiedekings Abgang berichtet hatte. Also wechselte Macht nach Wolfsburg und arbeitet dort seither „auffällig unauffällig“, wie ein Insider sagt.

In vielen Bereichen geübt

Wenn eines Tages alle zu früh genannten Kronprinzen verbrannt seien, so vermutet der Insider, könnte Winterkorn Macht als Joker aus dem Ärmel zaubern. Die Qualifikation dafür hätte er. Macht ist im optimalen Alter und nach 22 Jahren bei Porsche und VW gut verdrahtet im Konzern. Er wird allgemein geschätzt und hat das fachliche Rüstzeug für den Top-Job.

Die beliebtesten Autos 2012
Mercedes B-Klasse Quelle: dpa-tmn
Der BMW 1er waehrend einer Pressevorfuehrung in Muenchen Quelle: AP
Audi A6 Avant Quelle: obs
Platz siebenWesentlich schwächer fiel der Anstieg bei den Modellen Audi A3, S3 und RS3 aus. Hier wurden nur 0,9 Prozent mehr Autos neuzugelassen als im April 2011. Dafür sind die A3s als Firmenwagen sehr beliebt. Von den insgesamt im Jahr 2012 verkauften 15.472 gehören 73,9 Prozent gewerbliche Haltern. Quelle: REUTERS
Ein Arbeiter poliert am 14. Dezember 2007 in der Produktion im Mercedes Werk in Bremen einen Mercedes der C-Klasse. Quelle: AP
model posing with the 2007 Opel Astra at the Bologna motor show Quelle: REUTERS
Ein VW Polo in einem der beiden Autotürme der Volkswagen Autostadt Quelle: dpa

Der Maschinenbauingenieur kommt aus der Königsdisziplin Motorenbau, optimierte als Referent von Porsche-Chef Wiedeking die Abläufe bei Porsche und sammelte strategisches Know-how als langjähriger Chef der Beratungstochter Porsche Consulting.

Als VW-Produktionsvorstand ist er nun unter anderem für die konzernweite Einführung des neuen Produktionssytems verantwortlich, bei dem verschiedene Modelle aus Baukastenelementen gefertigt werden. Funktioniert das System, könnte es VW und den Automobilbau durch immense Kosteneinsparungen revolutionieren.

Fazit: Eine erfolgreiche Einführung des neuen Produktionssystems könnte Macht an die VW-Spitze spülen.

Stehaufmännchen: Jochem Heizmann

VW-China-Vorstand Jochem Heizmann Quelle: dpa

Seine neue Aufgabe erfordert Fingerspitzengefühl und Brachialqualitäten zugleich. Jochem Heizmann, 60, ist der erste China-Vorstand in der Geschichte von Volkswagen.

Er muss sensibel mit der chinesischen Führung taktieren, die VW mit der Schaffung eines eigenen Vorstandsressorts umgarnen will. Beim Bau von neuen Werken in China und der Qualität der dort gefertigten Autos dagegen muss er seine chinesischen Truppen kompromisslos antreiben. Haudegeneigenschaften werden Heizmann im VW-Konzern allgemein zugetraut, feinfühlige Sinne eher nicht.

Neue Chance

Als VW-Produktionsvorstand soll er so abrupt auf die Kostenbremse gestiegen sein, dass er binnen Monaten die Belegschaft und die IG Metall gegen sich aufbrachte. So was geht bei VW nie lange gut – die mächtigen Gewerkschafter betrieben 2010 die Ablösung des ruppigen Pfälzers.

Doch Heizmann musste den Konzernvorstand nicht verlassen, sondern bekam eine neue Chance als Verantwortlicher für die Zusammenarbeit der eitlen Töchter Scania und MAN. Hier hätte er Fingerspitzengefühl und Verhandlungsgeschick beweisen können, tat es aber nicht. Die widerspenstigen Lkw-Bauer bewegten sich kaum aufeinander zu. VW-Chef Winterkorn zog deshalb die Reißleine und ersetzte Heizmann im Zuge des Revirements durch den 66-jährigen Scania-Chef Leif Östling.

Wer Heizmann deswegen am Ende seiner VW-Laufbahn sah, hatte sich getäuscht. Der promovierte Wirtschaftsingenieur bekommt noch mehr Macht und soll das künftig kriegsentscheidende China-Geschäft verantworten. Dass er dabei den möglichen Winterkorn-Nachfolger Neumann ausstach, zeigt sein ganzes Kaliber.

Als langjähriger Weggefährte von Winterkorn hat er bei dem VW-Chef offenbar mehr als einen Stein im Brett. Selbst als möglicher Audi-Chef war der frühere Produktionsvorstand der Ingolstädter zwischenzeitlich gehandelt worden.

Dass Heizmann eines Tages Winterkorn an der VW-Spitze beerben könnte, ist möglich, wenn er in China reüssiert. Allerdings wird sich die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat mit ihm wohl kaum anfreunden können. Und wenn der Chefwechsel ansteht, ist Heizmann Mitte 60. Auch dazu haben die Arbeitnehmer eine klare Position. Betriebsratschef Bernd Osterloh erklärte schon 2010, den richtigen Winterkorn-Nachfolger zu finden sei nicht leicht, schließlich sei die „Mehrheit der Führungsmannschaft schon um die 60“.

Fazit: Heizmann wäre ein möglicher Übergangskandidat, bis einer jüngerer Kollege fit für den obersten VW-Posten ist.

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