VW-Führungskrise Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

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Was Renschler und Neußer auszeichnet

Geht es nach einigen Branchenexperten, spielt die aktuelle Konstellation Diess in die Karten: Winterkorn bleibt noch bis 2017 oder 2018, in dieser Zeit kann der Ex-BMW-Manager sich bei Volkswagen einleben und sich den notwendigen Respekt im Haus verschaffen. Indem er zum Beispiel das schleppende US-Geschäft auf Vordermann bringt oder die schwache Rendite der Marke VW deutlich verbessert. Eben jene Punkte, die Winterkorn negativ angekreidet wurden.

Was für Diess gilt, trifft auch auf Andreas Renschler zu. Im Machtkampf bei einem deutschen Autobauer unterlegen, exzellenter Ruf in der Branche und als Vorstand nach Wolfsburg geflüchtet. Renschler ist nur ein Jahr älter als Diess, die Konstellation ist ähnlich: Kann sich der gebürtige Stuttgarter bei seinen Aufgaben im VW-Konzern beweisen und die hausinternen Sporen verdienen, sind seine Chancen auf den Vorstandsvorsitz gut.

Renschler soll die „Truck AG“ zum Marktführer machen

Dazu muss er allerdings eine weitere Baustelle lösen, die in der aktuellen Diskussion um Winterkorn, das US-Geschäft und die Renditeschwäche der Kernmarke in den Hintergrund gerückt ist: die lahmende Nutzfahrzeugsparte.

Die leichten Nutzfahrzeuge sind dabei weniger das Problem. Die fünfte Generation des „Bulli“ verkauft sich nach wie vor blendend, der Nachfolger T6 steht bereits in den Startlöchern. Anders sieht es bei den schweren Lastern aus.

Was VW 2014 in den USA verkauft hat

In der „Truck AG“ soll Renschler die beiden VW-Töchter MAN und Scania zu einem schlagkräftigen Brummi-Bauer formieren. Der Anspruch über allem ist bei VW die Weltmarktführerschaft, so auch bei den Lkw. Einfach ist das nicht: Ein Baukastensystem soll, analog zu den Pkw, die Entwicklungskosten senken und die Produktion flexibler machen. Besonders die Schweden von Scania stellen sich aber noch quer, gilt ihre technische Eigenständigkeit doch als großes Alleinstellungsmerkmal der Premium-Lkw. Hier ist der bei Daimler als durchsetzungsstark bekannt gewordene Renschler gefordert.

Neußer fehlt die Erfahrung im Vorstand

Mit 55 Jahren fällt Hans-Jakob Neußer ebenfalls in die Altersklasse von Diess und Renschler. Als Chefentwickler der Marke Volkswagen gehört er zwar bislang nicht dem Konzernvorstand an – das Ressort Forschung & Entwicklung wird im Vorstand von Winterkorn vertreten –, trägt aber de facto die Verantwortung für die wichtige Entwicklung sämtlicher VW-Modelle.

Als oberster Motorenentwickler bei Porsche (seit 2001) und Volkswagen (seit 2012) hat sich Neußer bei den mächtigen Familien Porsche und Piëch Ansehen verdient. Da ihm aber die Vorstandserfahrung fehlt, gilt er nicht als Favorit. Die von Ferdinand Piëch stets geforderte Kernkompetenz eines VW-Chefs, ein versierter Techniker zu sein, hat er hingegen schon.

Die Opfer des Ferdinand Piëch
Porsche-Miteigner und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch Quelle: dapd
Audi Quelle: dpa
Franz-Josef Kortüm Quelle: obs
Herbert Demel Quelle: dpa
Franz-Josef Paefgen Quelle: AP
José Ignacio López Quelle: REUTERS
Bernd Pischetsrieder Quelle: dpa

Letzteres trifft auch auf Ulrich Hackenberg zu. Der Entwicklungsvorstand der VW-Tochter Audi gilt als einer der besten Techniker im ganzen Konzern. Aus diesem Grund nahm Winterkorn seinen Vertrauten Hackenberg einst auch von Audi mit nach Wolfsburg – und schickte ihn auch genau aus diesem Grund nach Ingolstadt zurück, als nach den glücklosen Michael Dick und Wolfgang Dürheimer der Audi-Slogan „Vorsprung durch Technik“ zu einem leeren Versprechen zu verkommen drohte.

Viele schätzen auch die besonnene und unauffällige Art des promovierten Fahrzeugtechnikers. Ernste Diskussionen und Konflikte trägt er lieber im kleinen Kreis hinter verschlossenen Türen als in der Öffentlichkeit aus. Sein Faible für Innovationen und Qualität sind intern geschätzt wie gefürchtet.

Doch ein Detail streicht Hackenberg von der Liste der möglichen Kronprinzen: Am 12. Mai feiert er seinen 65. Geburtstag. Dass er 2018 nochmals nach Wolfsburg umzieht, gilt als ausgeschlossen.

Wobei: Bis Freitag hätte auch kaum jemand für möglich gehalten, dass Ferdinand Piëch eine derartige Niederlage einstecken muss.

Wenn Winterkorns Vertrag 2016 wirklich verlängert wird – was bislang nur angekündigt, aber noch lange nicht unterschrieben ist –, hat das Trio Diess, Renschler und Neußer noch etwas Zeit, sich für höhere Aufgaben im Konzern zu empfehlen. Ob sie dann von einem Aufsichtsratschef namens Piëch oder doch Winterkorn auf den Vorstandsvorsitz berufen werden, steht aber auf einem anderen Blatt Papier.

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