Anteilseigner von Volkswagen laufen sich für die Aufarbeitung des Abgasskandals auf der Hauptversammlung des Konzerns warm. Nach der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kündigte am Montag auch der einflussreiche Aktionärsberater Hermes EOS an, die VW-Anteilseigner auf ihrer Hauptversammlung am 22. Juni in Hannover über die Einsetzung eines unabhängigen Sonderprüfers abstimmen zu lassen.
Hermes-Manager Hans-Christoph Hirt will erreichen, dass ein externer Prüfer der Frage nachgeht, ob bei Volkswagen die Grundsätze guter Unternehmensführung eingehalten werden. Dabei soll auch die Rolle der Hauptaktionäre unter die Lupe genommen werden. Die Mehrheit der VW-Stimmrechte liegen in Händen der Familien Porsche und Piech, die über die Porsche Holding gut 52 Prozent an den Wolfsburgern halten.
Nach Ansicht von Hermes gibt es im VW-Aufsichtsrat zu wenig unabhängige Vertreter. 20 Prozent der Stimmrechte liegen beim Land Niedersachsen, weitere 17 hält das Emirat Katar. Angelsächsische Investoren kritisieren seit langem, dass die großen Aktionäre bei Volkswagen alles unter sich ausmachen.
Nach dem Wunsch von Hermes soll der Prüfer die Zusammensetzung und Effizienz des Aufsichtsrats untersuchen und einer möglichen Haftung von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern für den Skandal nachgehen. Der britische Aktionärsberater vermutet, dass Volkswagen die Anleger zu spät über den Abgasskandal informiert hat. Das könnte für mögliche Schadensersatzforderungen wichtig werden. Hermes berät große Aktionäre wie Investmentfonds und stimmt in deren Auftrag auf Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen ab.
Die DSW hat ebenfalls einen Antrag auf Sonderprüfung angekündigt. Die Schutzvereinigung will feststellen lassen, ob die von Volkswagen gebildeten Rückstellungen für Strafzahlungen oder zivilrechtliche Ansprüche reichen. Zudem will die DSW klären lassen, ob die Kontrollmechanismen von VW mittlerweile so verbessert wurden, dass sich solch ein Skandal nicht wiederholen kann.
Aktionärsverteilung der Volkswagen AG
Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte PSE hält 52,2 Prozent der Volkswagen-Stammaktien.
Quelle: Unternehmen, eigene Recherchen
Das Land Niedersachsen ist in Besitz von 20,0 Prozent der Stammaktien. Damit hat die Staatskanzlei bei wichtigen Entscheidungen – etwa einer Kapitalerhöhung – ein Vetorecht, da bei Volkswagen solche Entscheidungen mit 80 Prozent der Stimmen plus einer Aktie getroffen werden müssen. Weitere Vorzüge für das Land Niedersachsen wurden nach einem EuGH-Urteil 2007 gestrichen.
Die Kataris haben sich im Zuge der Porsche-Übernahme 2009 mit 17 Prozent der Stammaktien eingekauft. Den Anteil hält der Staatsfonds bis heute, es sitzen auch zwei Vertreter Katars im Aufsichtsrat.
10,8 Prozent der Stammaktien befinden sich in Streubesitz.
Der Aktionärsberater Deminor mit Sitz in Brüssel, der nach eigenen Angaben von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) unterstützt wird, stimmte in den Chor ein. Auch er will einen Sonderprüfer beauftragen, möglichen Pflichtverletzungen von Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern nachzugehen. Deminor berät eine Gruppe institutioneller Anleger, darunter den Pensionsfonds der Stadt New York.
Auch der Governance-Experte Christian Strenger hat einen Antrag auf Sonderprüfung angekündigt. Er will zudem erreichen, dass Vorstand und Aufsichtsrat wegen der Abgasmanipulation für das abgelaufene Jahr nicht entlastet werden. Ähnliche Anträge haben auch die Aktionärsberater und einige weitere Aktionäre angekündigt oder bereits eingereicht.
Volkswagen betrachtet diese als unbegründet. Der Aufsichtsrat empfiehlt den Aktionären trotz der laufenden Ermittlungen in dem Dieselskandal, der kompletten Führungsspitze, also allen Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat, das Vertrauen auszusprechen. Bei den Untersuchungen zur Affäre hätten sich keine eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzungen von amtierenden oder früheren Vorstandsmitgliedern ergeben, die gegen eine Entlastung sprächen.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Die Wolfsburger hatten auf Druck der US-Behörden zugegeben, Abgaswerte durch eine spezielle Software manipuliert zu haben. Weltweit sind rund elf Millionen Fahrzeuge davon betroffen. Dem Konzern drohen deshalb milliardenschwere Schadensersatzforderungen und Strafen. Die Niedersachsen haben noch bis zum 21. Juni Zeit, um einen Kompromiss mit der US-Regierung auszuarbeiten. Davon hängt unter anderem ab, wie hoch die Strafe wegen Verstößen gegen US-Umweltrecht ausfällt. Am Tag danach kommen die Aktionäre auf dem Messegelände in Hannover zusammen.