Pablo Di Si hat sich eine Menge wohlklingende Begriffe für die emotionalste Fahrzeugpräsentation seines Unternehmens des Jahres zurechtgelegt. Bedeutungsschwangere wie „spirituelle Reinkarnation“. Oder einfacher: Praktisch, spaßig, klassisch und unverwechselbar. Der Chef von Volkswagen Amerika ist für die Enthüllung der US-Variante des so gepriesenen VW ID.Buzz von seinem Hauptquartier an der Ostküste nach Huntington Beach gereist. Das kalifornische Küstenstädtchen mit seinen 15 Kilometern Sandstrand, rund dreißig Autominuten von Disneyland entfernt und als „Surf City“ bekannt, ist die ideale Kulisse dafür: Sonne, Sand und Surfer.
Genauer gesagt, seiner amerikanischen Variante, die zugleich das Debüt in Nordamerika ist. Die europäische Version des Elektrobusses wird bereits seit vergangenem Jahr auf dem alten Kontinent verkauft. Die Wartezeit in Deutschland beträgt derzeit sieben Monate.
Sein „amerikanischer Bruder“, der ebenfalls in Hannover gefertigt wird, soll ab nächstem Jahr in den USA verfügbar sein. Die nun in Kalifornien vorgestellte Variante wird dann auch in Europa angeboten werden.
Angeblich stapeln sich bei den Volkswagen-Händlern in den USA schon seit Jahren die Bestellungen dafür. Noch bevor die US-Zentrale ihnen überhaupt erlaubte, den ID.Buzz zu ordern.
Es geht nicht nur um einen praktischen Kleinbus, sondern auch um ein Lebensgefühl. Einen Ausflug in die Kindheit oder vielmehr die der Eltern, als der VW-Bus mit Surfbrett auf dem Dach durch Kalifornien und die sonnigen Weiten des Westens kurvte. Noch heute zieren liebevoll restaurierte Exemplare mit dem übergroßen VW-Logo Straßenfeste und Automessen. Beetle und Bus – das ist VW-Nostalgie pur.
Für Volkswagen geht es mehr als nur ums Geschäft. Sicher, der Konzern will oder vielmehr muss stärker in den USA punkten, wo Volkswagen nur 2,3 Prozent Marktanteil hat. Dort ist 2021 der Turnaround vor allem mit Hilfe der in den USA begehrten SUV gelungen. Volkswagen verdient dort endlich ordentlich Geld und muss nicht mehr wie früher von der Zentrale in Wolfsburg bezuschusst werden. Mehr noch: Künftig will man nicht nur lokaler werden, näher am amerikanischen Kunden, durch eigene Werke in den USA und Mexiko, sondern auch die Kosten dafür selbst schultern und so mehr Autonomie erlangen.
Es geht auch um Imagepflege. Nicht nur wegen des Dieselskandals, der mittlerweile in den USA allerdings fast vergessen ist. Sondern auch, um den „Spaß wieder in die Marke“ zu bringen, wie es Pablo Di Si formuliert.
Was eignete sich da mehr als die elektrifizierte Wiedergeburt einer Ikone, die für eine bessere Zeit steht – zumindest in der Erinnerung. „Der Bus wird zu unserem Markenhelden in Amerika“, verspricht Di Si, gebürtiger Argentinier. Seine US-Version ist genau das, was man erwartet: Größer, kraftvoller, mit stärkerem Akku und einer dritten Sitzreihe, Allradantrieb mit 330 PS auf Wunsch. Klischee? Vielleicht. Es ist das, von dem VWs Entwickler glauben, dass es die amerikanische Kundschaft von ihnen erwartet.
Und was auch in Europa ziehen wird. Denn die in Deutschland produzierte „US-Variante“ wird auch dort im nächsten Jahr offeriert werden – mit nur minimalen Unterschieden. Die optionalen belüfteten Sitze etwa wird es in Europa nicht geben. Die Beleuchtung des großen VW-Logos auf der Front ist in Deutschland nicht gestattet.
Umgekehrt wird es die kürzere europäische Variante mit den zwei Sitzreihen allerdings nicht in den USA geben.
Genau wie der ursprüngliche Bus ist auch die dreireihige Variante mit einem Heckmotor ausgestattet. Er leistet 282 PS, 81 PS mehr als die derzeit in Europa offerierte Version. Der Akku hat eine Kapazität von 91 kWh versus 82 kWh beim Zweireiher. Was das Mehr an Reichweite bedeutet, dazu macht VW noch keine Angabe. Bei den 82kWh wird sie mit 420 Kilometer angegeben, 460 Kilometer nach WLTP könnten also drin sein.
Ein neuer Elektromotor erhöht die Höchstgeschwindigkeit auf 159 Stundenkilometer gegenüber 145 Stundenkilometern.
Bei der Größe wurden durch den längeren Radstand knapp zehn Zentimeter aufgeschlagen auf nun 192,5 Zentimeter Länge. Mit knapp zwei Metern ist er ungefähr so breit wie VWs SUV Atlas, aber zwölf Zentimeter höher, also 1,90 Meter Höhe. Wie die Menschen ist also auch der ID.Buzz voluminöser geworden, das Original aus den 1950er-Jahren war kleiner und schmaler. Auch der Komfort ist dem neuen Jahrtausend angepasst, mit zwölffach elektrisch verstellbaren Fahrer- und Beifahrersitzen mit Doppelarmlehnen, zusätzlich mit Massagefunktion. Und einem serienmäßigen Fahrassistenzsystem auf dem sogenannten Level-2-Niveau mit Verkehrsschilderkennung. Ein automatisches Einparksystem gibt es optional.
Serienmäßig sind sieben Sitzplätze an Bord. Die zweite und dritte Sitzreihe lässt sich flach zusammenklappen. Die dritte Sitzreihe kann auch ganz herausgenommen werden. Das macht den Bus zu einem idealen Campervan, gerade mit seiner großen Batterie, die auch Heizung und Kühlschrank versorgen kann. Theoretisch zumindest, denn einen Camping-Modus wie ihn etwa Tesla offeriert, bietet Volkswagen nicht an. Das hätte gut zum Flower-Power-Gefühl gepasst, soll jedoch später auch angeboten werden.
Über den Preis des dreireihigen ID.Buzz schweigt sich Volkswagen noch aus. Die derzeit in Europa offerierte Variante mit zwei Reihen kostet mindestens 64.500 Euro. Der Preis für die Version mit mehr Platz und höherer Reichweite dürfte wahrscheinlich 10.000 Euro darüber liegen, abhängig davon, wie sich die Kosten für Akkus entwickeln.
Di Si ist überzeugt, dass der ID.Buzz in den USA ein Verkaufsschlager wird. Die Herausforderung wird eher sein, die Wagen auf die rund 600 Vertragshändler gerecht zu verteilen. Und dafür zu sorgen, dass diese nicht unerhörte Aufschläge dafür verlangen. Man werde, so gelobt Di Si, „für Fairness sorgen.“
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